Carbon Farming

  • Search06.08.2025

Boden gut machen

Künftig sollen Landwirte Geld damit verdienen, dass sie CO2 auf ihren Flächen speichern. Damit das System funktioniert, muss eine Reihe von Hürden überwunden werden. Die EU arbeitet derzeit an einem Rahmen dafür.

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    Kühe auf einer österreichischen Weide: Bislang gilt die Landwirtschaft vor allem als Treiber des Klimawandels. Künftig soll sie ihm entgegenwirken.

    Kühe auf einer österreichischen Weide: Bislang gilt die Landwirtschaft vor allem als Treiber des Klimawandels. Künftig soll sie ihm entgegenwirken.

     

    Von Kathinka Burkhardt

    Manchmal steht man vor der Lösung und sieht sie nicht. Und manchmal steht man sogar auf ihr. Ob im Wald, auf einem Feld oder im Moor: Böden sind die größten Kohlenstoffspeicher der Welt. In der oben gelegenen, dunklen Humusschicht finden faszinierende Prozesse statt, durch die organische Reste etwa von abgestorbenen Pflanzen oder von Tieren zersetzt werden. Das ist nicht nur für unsere Nahrung elementar, sondern hat noch einen essentiellen Effekt: Der Atmosphäre wird je nach Humusbeschaffenheit eine Menge CO2 entzogen. Klimaschutz aus der Natur.

    Genau darum geht es, wenn in Brüssel bis Ende des Jahres Experten aus Wissenschaft und Landwirtschaft sowie EU-Vertreter über das sogenannte Carbon Removal Certification Framework (CRCF) diskutieren. Dieses Rahmenwerk soll es ermöglichen, die Entnahme und Speicherung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu zertifizieren – und damit zu entlohnen.

    CO2 speichern und Geld damit verdienen: Das ist die Idee des Carbon Farming

    Und hier kommt der Boden ins Spiel: Vor allem für die Landwirtschaft könnte auf diesem Weg ein System entstehen, in dem die ökologische Bewirtschaftung von Böden lukrativ wird: Kohlenstoff speichern und Geld verdienen, in der Fachsprache Carbon Farming genannt. Die Landwirtschaft könnte damit einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

    Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Bis 2030 will die EU mindestens 55 Prozent ihrer Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 reduzieren, bis 2050 sollen die Mitgliedstaaten sogar klimaneutral sein. Um dies zu schaffen, wurden im Zuge des Green Deals verschiedene Gesetzesinitiativen gestartet, um CO2 einzusparen.

    Während durch steigende Preise für CO2-Zertifikate der Verbrauch fossiler Rohstoffe unattraktiv und damit vermieden werden soll, fehlt es bisher an einem Rahmen, der Anreize für die aktive Entnahme und die Bindung von bereits verursachten Emissionen schafft.

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    In Europa könnten bis zu 60 Prozent der heutigen Emissionen aus der Landwirtschaft und aus landwirtschaftlich genutzten Moorböden vermieden werden

    Nils Ole Plambeck, Agora Agrar

    Gerade in der Landwirtschaft gäbe es verschiedene Möglichkeiten mit großem Effekt. „In Europa könnten bis zu 60 Prozent der heutigen Emissionen aus der Landwirtschaft und aus landwirtschaftlich genutzten Moorböden vermieden werden“, sagt Nils Ole Plambeck, Teamleiter Ackerbau beim Thinktank Agora Agrar, gegenüber EnergieWinde.

    Gerade das Potenzial von Mooren als CO2-Speicher ist gewaltig. Weltweit wachsen auf 33,3 Millionen Quadratkilometern Wälder, die zusammen 372 Milliarden Tonnen Kohlenstoff aufnehmen. Die geschätzt gerade einmal 6,2 Millionen Quadratkilometer umfassenden Moore dagegen speichern rund 657 Milliarden Tonnen.

    Ackerland kann viel CO2 aufnehmen – wenn es richtig bewirtschaftet wird

    Auch die Aufforstung von Wäldern ist ein Weg, um mehr Emissionen aus der Atmosphäre zu speichern, genau wie eine variantenreiche Abfolge der angebauten Früchte auf Äckern oder die Umwandlung von Feldern in Grasland. In diesem Sinne haben der EU-Rat und das Parlament sich auf das Carbon Removal Certification Framework geeinigt.

    Über die genaue Ausgestaltung der Kriterien für eine Zertifizierung diskutieren derzeit Experten. Nur: Die Messung von Kohlenstoffspeicherung durch Carbon Farming ist äußerst komplex und teilweise schwer zu beziffern. Natürliche Prozesse unterliegen vielen verschiedenen Faktoren, ein einheitliches Messsystem gibt es nicht. Und damit wird es für die Experten in Brüssel schwierig, genau festzulegen, welche Techniken wie entlohnt werden.

    Die Landwirtschaft ist ein großer CO2-Verursacher in Deutschland. Insbesondere die Methan aus der Tierhaltung ist ein Problem. Infografik: Andreas Mohrmann

    Ein Zertifizierungssystem für Emissionen aus der Landwirtschaft ist ein weiterer logischer Schritt in Richtung der EU-Klimaziele. „Es ist gut, dass nun ein einheitlicher, staatlich abgesicherter Rahmen für die Bilanzierung von Senkenleistungen und Emissionsminderungen geschaffen werden soll – so werden Transparenz und Verlässlichkeit im freiwilligen Kohlenstoffmarkt gestärkt“, sagt Wilhelm Klümper, Experte für Landnutzung in der Bioökonomie beim Thinktank Agora Agrar.

    Denn: Es gibt bereits eine kleine Industrie, die eigene Zertifikate-Handelssysteme aufsetzt und überwacht. Dafür werden Landwirte angeworben, die ihre Anbauweisen umstellen und auf ihren Flächen mehr Kohlenstoff speichern. Gleichzeitig lassen sich oft schnell Unternehmen finden, die diese Maßnahmen entlohnen und so ihre Emissionen kompensieren. Doch bislang erfolgt das eben nicht nach einem einheitlichen und vor allem bewertbaren System.

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    Ein neuer Ablasshandel wird das Klima nicht schützen

    Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland

    An diesem Punkt entzündet sich die Kritik vieler Umweltverbände: „Ein neuer Ablasshandel wird das Klima nicht schützen“, sagte Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland, bereits 2024 über die Einigung der EU auf den CRCF. „Wer seine eigenen Emissionen über fragwürdige Speicherprojekte kompensiert oder sich eigentliche CO2-Reduktionen als CO2-Entnahmen anrechnen lässt, verschließt die Augen vor den wirtschaftlichen und naturwissenschaftlichen Notwendigkeiten.“ Man müsse CO2-Minderungen von den Entnahmen streng unterscheiden, doch die EU lasse die Grenzen verschwimmen und fördere Greenwashing.

    Zudem steht eine naturwissenschaftliche Problematik einer sinnvollen Zertifizierung von Carbon Farming im Weg: „Ein Risiko ist, dass die Speicherung von Kohlenstoff in Böden nicht dauerhaft ist“, sagt Klümper. Zum einen wirke der Klimawandel auf landwirtschaftlich genutzte Flächen. Punktuell starker Regenfall und intensive Hitzephasen führen zur Freisetzung von Kohlenstoff aus Böden.

    Zum anderen kann es bei einem Besitzerwechsel des Landes dazu kommen, dass sich die Nutzung ändert und hierdurch die vereinbarte CO2-Reduzierung aufgelöst wird. Auch der Rechtsrahmen kann sich ändern und den Zertifikatemarkt untergraben. „Zusätzlich zur Zertifizierung im Rahmen des CRCF und Anreizen für Senkenleistungen braucht es eine adäquate Lösung dafür, dass Kohlenstoff in landbasierten Systemen nicht dauerhaft gebunden ist“, sagt Klümper. Dazu könnten Puffer geschaffen oder eine Risikoprämie zurückgehalten werden.

    Die CO2-Speicherung muss sich lohnen – nur dann machen Landwirte mit

    Für einen großen Effekt muss zudem das Ziel sein, möglichst viele Landwirte zu gewinnen. Dafür muss die Kohlenstoffbindung und Emissionsreduzierung eine Einkommensquelle darstellen – sonst geben noch mehr Höfe als heute schon auf. „Am attraktivsten für Landwirte sind die Landnutzungssysteme, mit denen sie sowohl ein Einkommen über die negativen Emissionen als auch aus dem Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte generieren können“, sagt Klümper.

    Zudem gibt es einen Zielkonflikt mit der Produktion von Lebensmitteln. Zugleich halten viele Forscher das Potenzial auf mit Tierhaltung oder Getreideanbau bewirtschafteten Flächen vor dem Hintergrund des voranschreitenden Klimawandels für begrenzt. Schon heute ist der Kohlenstoffgehalt dieser Böden rückläufig.

    Die sogenannte Mineralisierung von Bodenkohlenstoff wird unter steigenden Temperaturen weiter zunehmen. Zusätzliches Speichern von Kohlenstoff dürfte schwierig werden. „In erster Linie geht es um den Erhalt des aktuellen Bodenkohlenstoffs – und nicht um die zusätzliche Kohlenstoffbindung aus der Atmosphäre“, sagt Plambeck. „Nur bei dauerhaften Landnutzungsänderungen auf Äckern, beispielsweise durch die Anlage von Hecken und anderen Feldgehölzen, ist das Potenzial zur Kohlenstoffbindung hoch.“

    Methan: Der unterschätzte Klimakiller

    Rinderherde in Mato Grosso, Brasilien: Die Landwirtschaft ist der größte Verursacher von Methan-Emissionen weltweit.

    Beim Thema Erderwärmung geht es meist um CO2. Dabei ist Methan 25-mal klimaschädlicher – und der globale Ausstoß steigt. Laut aktuellen Zahlen von Stanford-Forschern um Rob Jackson hat der Ausstoß 2017 ein Rekordhoch von fast 600 Millionen Tonnen erreicht. 60 Prozent stammen aus anthropogenen Quellen. Hauptverursacher ist die Landwirtschaft, etwa die Rinderzucht wie hier in Brasilien. Auf Rang zwei ...

    Öl- und Gasförderung in den USA: Vor allem durch den Einsatz von Fracking kann viel Methan in die Atmosphäre gelangen und die Erderwärmung anheizen.

    ... der menschenverursachten Methan-Emissionen liegt die Öl- und Gasindustrie. Bei der Förderung und dem Transport durch Pipelines oder auf Tankschiffen kommt es immer wieder zu Lecks. Als besonders klimaschädlich gilt verflüssigtes Erdgas, sogenanntes LNG. Das Bild zeigt ein Ölfeld in den USA, wo freiwerdendes Erdgas abgefackelt wird, da keine Leitungen zum Abtransport gebaut wurden. Ein weiterer anthropogener Faktor ...

    Die Abfallwirtschaft ist eine der weltweit größten Quellen für Methan. In Deutschland sind die Emissionen aber rückläufig.

    ... für den Ausstoß von Methan ist die Abfallwirtschaft. Das Schild warnt vor Gas auf einer Deponie in München. Auch Biomasseanlagen und die Verbrennung von Biosprit tragen zu den Emissionen bei. In Deutschland ist der Ausstoß zumindest in der Müllverwertung laut dem Umweltbundesamt allerdings rückläufig. Neben den menschengemachten Quellen für Methan gibt es auch natürliche. Als besonders gefährlich ...

    Tauender Permafrostboden in Alaska: Durch die Erderwärmung wird Methan frei, das bei der Zersetzung organischen Materials durch Bakterien entsteht.

    ... könnte sich langfristig das Tauen von Permafrostböden wie hier in Alaska erweisen. Dabei werden Bakterien, die über Zehntausende von Jahren eingefroren waren, aus ihrem „Dornröschenschlaf“ geweckt. Sie zersetzen organisches Material und produzieren bei diesem Prozess Methan. Eine große Methan-Quelle ...

    Moorlandschaft in Niedersachsen: Feuchtgebiete sind eine Quelle für Methan, das in die Atmosphäre gelangt.

    ... sind daneben auch Feuchtgebiete, Sümpfe und Moore wie hier in Niedersachsen: Wenn von Wasser bedecktes organisches Material verfault, gibt es Methan in die Atmosphäre ab. Moore deswegen trockenzulegen wäre allerdings grundverkehrt, denn sie binden zugleich große Mengen Treibhausgase über lange Zeiträume.

    Rinderherde in Mato Grosso, Brasilien: Die Landwirtschaft ist der größte Verursacher von Methan-Emissionen weltweit.
    Öl- und Gasförderung in den USA: Vor allem durch den Einsatz von Fracking kann viel Methan in die Atmosphäre gelangen und die Erderwärmung anheizen.
    Die Abfallwirtschaft ist eine der weltweit größten Quellen für Methan. In Deutschland sind die Emissionen aber rückläufig.
    Tauender Permafrostboden in Alaska: Durch die Erderwärmung wird Methan frei, das bei der Zersetzung organischen Materials durch Bakterien entsteht.
    Moorlandschaft in Niedersachsen: Feuchtgebiete sind eine Quelle für Methan, das in die Atmosphäre gelangt.

    Im bisherigen Entwurf der EU zum CRCF-Rahmen noch ausgeklammert ist der Treibhausgas-intensive Bereich der Tierhaltung: Vor allem Kühe, aber auch andere Nutztiere setzen viel Methan frei, das einen negativen Einfluss auf die Klimabilanz der Landwirtschaft hat. Inwiefern in diesem Bereich Einsparungen möglich sind und entlohnt werden könnten, ist komplex und noch offen.

    Doch selbst wenn alle Emissionsreduktionen zertifizierbar sind, ist nicht gesichert, dass sie auch stattfinden. „Entscheidend ist am Ende die Nachfrage nach den privaten Zertifikaten, sowohl vom Staat als auch von privaten Akteuren. Nur bei substanzieller Nachfrage kann das Potenzial der Landnutzungssektoren mobilisiert und ein wirklicher Beitrag geleistet werden“, sagt Klümper.

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