2,2-Gigawatt-Park geplant

  • Search27.01.2021

Australien entdeckt Offshore-Wind

Seit acht Jahren laufen die Planungen für Australiens ersten Offshore-Windpark. Von der Regierung wurde die Branche lange stiefmütterlich behandelt. Doch angesichts der auf dem Kontinent wütenden Buschfeuer deutet sich ein Kurswechsel an.

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    Kitesurfer wie hier in Sydney nutzen die Kraft des Windes auf dem Meer längst.

    Von Jasmin Lörchner

    500 Quadratkilometer Fläche, eine Leistung von 2,2 Gigawatt und Strom für bis zu 1,2 Millionen Haushalte: Dafür, dass Australien ein Nachzügler in der Offshore-Windenergie ist, sind die Pläne umso größer. Der erste Windpark vor den Küsten des Kontinents soll gleich der größte der Welt werden. Star of the South heißt das Projekt, das Australien einen Spitzenplatz auf der Liste der Offshore-Wind-Länder bringen würde. Nach acht Jahren Planung laufen derzeit die Machbarkeitsstudien.

    „Es ist eine spannende Zeit für die Entwicklung von Offshore-Wind in Australien, während der globale Offshore-Windmarkt rapide wächst“, sagt Casper Frost Thorhauge. Der Däne ist seit anderthalb Jahren CEO von Star of South und bringt langjährige Erfahrung in der Branche mit, unter anderem aus Projekten in Taiwan. Star of the South soll zwischen sieben und 25 Kilometer vor der Küste des Bundesstaats Victoria im Südosten Australiens entstehen. Aktuell werden die möglichen Auswirkungen auf Flora und Fauna, den Meeresboden sowie das Wind- und das Wellenverhalten untersucht.

    Die Entwicklung des Projekts dauert so lang, weil Star of the South die Rolle des Pioniers zufällt: Australien besitzt bislang noch kein Regelwerk für Offshore-Wind. Der Ausbau der Erneuerbaren genießt in der rechtskonservativen Koalition unter Premierminister Scott Morrison zudem keine Priorität. Er ist lange Zeit vor allem als Bremser im Kampf gegen den Klimawandel aufgefallen. Noch 2019 erklärte er trotz Dürren, Rekordhitze und monatelang wütender Buschfeuer in Australien, man werde sich auf keine unbesonnenen Klimaziele einlassen, die Arbeitsplätze in den traditionellen Industrien gefährden könnten. Erst im vergangenen Jahr deutete er eine vorsichtige Kehrtwende an.

    Buschfeuer in Australien: Premierminister Scott Morrison, ein Skeptiker des Klimawandels, besichtigt die Ruinen einen verbrannten Hauses.

    Scott Morrison besucht ein von Buschfeuern zerstörtes Haus: Australiens Premierminister hat den Zusammenhang zwischen der Klimakrise und den Feuern lange bestritten. Klimaschützer bezeichnete er als „Hysteriker, die den Australiern ihre Freiheit nehmen wollen“.

    Im Oktober schließlich erklärte die Regierung, dass die für Öl- und Gasbohrungen auf See zuständige Behörde Nospema mit einem Budget von umgerechnet 30 Millionen Euro ein Regelwerk für Offshore-Wind erarbeiten soll. Denn noch ist offen, wie die Ausschreibung und die Förderung der Parks funktionieren werden. „Die ersten Projekte werden meist mit Crowdfunding realisiert. Wenn es dann genügend Konkurrenz im Sektor gibt, wird zum Beispiel das Contracts-for-Difference-System attraktiv“, erklärte Alastair Dutton vom Weltverband Global Wind Energy Council (GWEC) gegenüber EnergieWinde.

    Australiens Offshore-Wind-Pioniere zapfen Know-how aus Europa an

    Die Initiatoren von Star of the South haben sich mit Copenhagen Infrastructure Partners (CIP) einen erfahrenen Investor an Bord geholt. CIP ist auf die Finanzierung erneuerbarer Energien spezialisiert und hat etwa 2017 in den deutschen Offshore-Windpark Veja Mate investiert. Zum Projektteam der Australier gehören außerdem Experten, die schon Parks in Dänemark, Deutschland, Großbritannien und Taiwan realisiert haben.

    Die größten Offshore-Windparks,
    die bis Mitte 2020 ans Netz gegangen sind

    Der Offshore-Windpark Hohe See des Energiekonzerns EnBW ist derzeit (2020) der größte in Deutschland und zugleich einer der größten weltweit.

    Platz 10: Der einzige deutsche Offshore-Windpark unter den zehn größten weltweit ist Hohe See. Mit seinen 71 Sieben-Megawatt-Anlagen von Siemens kommt das Projekt des Energiekonzerns EnBW auf eine maximale Leistung von 497 Megawatt. Seit August 2019 ist der Park vollständig am Netz. Die vorderen Plätze im Ranking ...

    Die Turbinen des 2012 ans Netz gegangenen Parks Greater Gabbard nehmen sich mit 3,6 Megawatt aus heutiger Sicht zwar bescheiden aus. Dafür ist der Park mit 140 Windrädern einer der ausgedehntesten.

    Platz 9: ... belegen mit einer Ausnahme britische Offshore-Windparks. Die Turbinen des 2012 ans Netz gegangenen Parks Greater Gabbard nehmen sich mit 3,6 Megawatt aus heutiger Sicht zwar bescheiden aus. Dafür ist der Park mit 140 Windrädern einer der ausgedehntesten. Das reicht für bis zu 504 Megawatt. Deutlich größer ...

    Der Offshore-Windpark Race Bank in Großbritannien kommt auf eine Leistung von 573 Megawatt.

    Platz 8: ... ist der ebenfalls in der britischen Nordsee liegende Windpark Race Bank. Er besteht aus 91 Windrädern, die mit 6,3-Megawatt-Turbinen von Siemens bestückt sind, und erreicht damit eine Kapazität von 573 Megawatt. Seit 2018 läuft der Park im regulären Betrieb. Nur unwesentlich größer ist ...

    Der Offshore-Windpark ist Gwynt y Môr steht in der Bucht von Liverpool. Der Name stammt aus dem Walisischen und bedeutet übersetzt „Wind im Meer“.

    Platz 7: ... der Offshore-Windpark Gwynt y Môr in der Bucht von Liverpool mit einer Kapazität von 576 Megawatt. Der Name stammt aus dem Walisischen und bedeutet übersetzt „Wind im Meer“. Die 160 3,6-Megawatt-Anlagen gingen 2015 vollständig in Betrieb. Einer der nördlichsten Offshore-Windparks ...

    Offshore-Windpark Beatrice in Großbritannien: Der Windpark gehört Mitte 2020 zu den zehn größten Windparks weltweit.

    Platz 6: ... heißt Beatrice und liegt vor der Küste von Schottland. Er wurde nach einem nahegelegenen Ölfeld benannt und bestand zunächst aus nur zwei Fünf-Megawatt-Anlagen von Repower. Inzwischen wurde er um 84 Sieben-Megawatt-Turbinen von Siemens erweitert und kommt so auf 588 Megawatt. Noch größer ...

    Der Offshore-Windpark Gemini liegt weit vorn im Ranking der größten Offshore-Windparks weltweit. Er ist zugleich der größte in den Niederlanden.

    Platz 5: ... ist das Projekt Gemini in den Niederlanden. Es besteht aus 150 Vier-Megawatt-Turbinen von Siemens und hat damit eine Kapazität von 600 Megawatt. Der Betriebsstart des rund 85 Kilometer vor der Küste von Groningen gelegenen Parks war im Jahr 2017. Die ersten vier Plätze in den Top Ten ...

    Der Offshore-Windpark London Array weit draußen in der Themse-Mündung war lange Zeit der größte der Welt. Inzwischen wurde er von einem anderen britischen Offshore-Windpark von der Spitze des Rankings verdrängt.

    Platz 4: ... belegen wieder britische Parks. London Array war nach seiner Inbetriebnahme 2013 lange der größte Offshore-Windpark der Welt – und gemessen an der Zahl der Windräder ist er das noch immer. Die 175 Anlagen stehen im äußeren Mündungsbereich der Themse liefern bis zu 630 Megawatt. Auf Rang drei ...

    Der britische Offshore-Windpark Walney ist einer der größten der Welt.

    Platz 3: ... liegt ein Offshore-Windpark vor der Nordwestküste Englands in der Irischen See: Walney Extension besteht aus 47 Sieben-Megawatt-Turbinen von Siemens Gamesa und 40 Acht-Megawatt-Anlagen von MHI Vestas. Damit kommt der 2018 eröffnete Park auf 659 Megawatt. Der zweitgrößte Offshore-Windpark ...

    Der Offshore-Windpark East Anglia liegt aktuell (2020) auf Rang zwei der größten Offshore-Windparks der Welt. Er wird vom spanischen Energiekonzern Iberdrola betrieben und steht vor der Ostküste Englands.

    Platz 2: ... ist ein Projekt des spanischen Energiekonzerns Iberdrola vor der Südostküste Englands: East Anglia One umfasst 102 Sieben-Megawatt-Turbinen von Siemens Gamesa und kommt auf 714 Megawatt. In zwei weiteren Ausbaustufen soll der Park auf 7,2 Gigawatt wachsen. Der bisher einzige Windpark, ....

    Offshore-Windpark Hornsea One: Mit einer Kapazität von rund 1,2 Gigawatt ist der britische Windpark so stark wie ein Atomkraftwerk. Hornsea One ist der größte Offshore-Windpark der Welt.

    Platz 1: ... der die Gigawatt-Grenze durchbricht, liegt weiter nördlich vor der englischen Ostküste: Hornsea One ist mit einer Leistung von 1218 Megawatt der größte Offshore-Windpark der Welt. Auch hier sind weitere Ausbaustufen geplant, der Park könnte auf bis zu sechs Gigawatt erweitert werden. Die folgende Infografik zeigt die ...

    Die Statistik zeigt die Top-Ten-Länder der Offshore-Windenergie: Großbritannien erzeugt mit Abstand am meisten Strom aus Offshore-Wind, es folgen Deutschland, China, Belgien, Dänemark und die Niederlande.

    ... Top-Ten-Länder der Offshore-Windenergie, also die zehn Länder, die beim Ausbau der Stromerzeugung auf See am weitesten fortgeschritten sind. Großbritannien hat aktuell die mit Abstand größten Kapazitäten, China holt allerdings rasant auf. Auch viele andere Länder planen einen Einstieg in die Technologie.

    Welche Technik oder Turbinenlieferanten bei Star of the South zum Zuge kommen, steht noch nicht fest. Man werde soweit möglich auf lokale Ressourcen beim Bau und Betrieb der Anlagen setzen, hieß es. Unterstützung könnte auch aus Südostasien kommen, wo der Offshore-Markt bereits stärker entwickelt ist. Weil die Wassertiefe in dem Projektgebiet nicht mehr als 50 Meter beträgt, werden die Turbinen auf im Boden verankerten Fundamenten stehen. „In vielen Teilen Australiens ist das Wasser tiefer, auf lange Sicht würde das Land also von schwimmenden Windparks profitieren“, sagt GWEC-Experte Dutton.

    Starker Wind, viel Sonne: Ökostrom hat Down Under enormes Potenzial

    Insgesamt sind die Aussichten im australische Markt vielversprechend: Die Windbedingungen sind besonders im Süden und um Tasmanien herum hervorragend. Erste Unternehmen versuchen es mit einer Hybridlösung. Im September wurde bekannt, dass der Öl- und Gaskonzern Pilot Engery an der Westküste Australiens das Mid West Wind & Solar Project realisieren will. Bis zu 78 Offshore-Windturbinen mit jeweils 14 Megawatt Kapazität sollen gemeinsam mit einer Solaranlage an Land Strom produzieren, um Ölförderplattformen mit Strom zu versorgen.

    Es ist ein Schritt zu mehr grüner Energie – aber die Entwicklung ist nicht selbstverständlich. Im jährlich erscheinenden Climate Change Performance Index landete Australien unter den 61 bewerteten Ländern auf Platz 54. Besonders schwach stand der Staat in den Bereichen Klimapolitik und erneuerbare Energien da.

    Die in Australien starken Murdoch-Medien schüren Zweifel am Klimawandel

    Der Bundesstaat Victoria ist nicht nur der Standort des ersten Offshore-Windparks, sondern auch der Geburtsort von Medientycoon Rupert Murdoch. Dessen Unternehmensgruppe News Corp. zählt zu den führenden Meinungsmachern in Australien. Nach den verheerenden Buschfeuern im Sommer 2019/20, die mehr als 18 Millionen Hektar Land vernichteten, sahen die Murdoch-Blätter die Ursache nicht in der Klimakrise, sondern in Brandstiftern, die die Feuer gelegt hätten.

    In einer Debatte mit News-Corp.-Mann Paul Kelly, Chefredakteur der einzigen landesweit erscheinenden Tageszeitung „The Australien“, platzte Australiens früherem Premierminister Malcolm Turnbull im Herbst der Kragen. „Zu sagen, dass man an Erderwärmung glaubt oder nicht glaubt, ist wie wenn man sagt, man glaubt oder glaubt nicht an die Schwerkraft. Sie haben etwas, das eine Frage von Technik und Wirtschaft sein sollte, in Ideologie und Idiotie verwandelt. Und wir zahlen den Preis dafür mit einer verzögerten Reaktion auf die Erderwärmung.“

    In einer TV-Debatte attackiert Australiens Ex-Premierminister Malcolm Turnbull die Murdoch-Medien für ihre irreführende Klimaberichterstattung.

    In der Bevölkerung erhielt Turnbull viel Zuspruch. Nach einer aktuellen Umfrage von The Australia Institute sind acht von zehn Australiern über den Klimawandel besorgt und fürchten, dass er zu mehr Buschfeuern führt. 83 Prozent der Australier wollen deshalb eine Abkehr vom fossilen Brennstoff Kohle. Und beinahe zwei Drittel unterstützen die Investitionen in erneuerbare Energien.

    Rückenwind für das Projekt Star of the South also. Wenn alle Anforderungen erfüllt und die Genehmigungen erteilt sind, könnte der Bau Mitte dieser Dekade starten und der Park bis 2030 ans Netz gehen.

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