Deutschlands Offshore-Windparks kommen derzeit auf eine Kapazität von gut 7,5 Gigawatt. 2040 sollen es 40 Gigawatt sein. Über den Weg zu diesem Ziel wird gestritten.
Ausschreibung von Offshore-Windparks
- 29.05.2020
Industrie wettert gegen Reformplan
Von Volker Kühn
Das Dokument, das die Offshore-Windbranche in eine knapp 45-stündige Phase hektischer Betriebsamkeit stürzt, kommt als Anhang einer E-Mail aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi). Gesendet: Dienstag, 26. Mai 2020, 18.32 Uhr. Es ist der Entwurf zur Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG), das den Rahmen für den Ausbau der Offshore-Windkraft festlegt. Von der Branche war dieser Entwurf zugleich herbeigesehnt und befürchtet worden.
Herbeigesehnt, weil er endlich die versprochene Anhebung des Ausbauziels enthält: Statt 15 Gigawatt sind bis 2030 nun Windparks mit zusammen 20 Gigawatt geplant, 2040 sollen es 40 Gigawatt sein.
Befürchtet, weil der Weg zu diesem Ziel aus Sicht der Branche der falsche ist: Wer einen Offshore-Windpark ohne staatliche Subventionen bauen möchte, soll künftig dafür zahlen. In einer Auktion müssen alle Interessenten angeben, was ihnen das Recht zum Bau des Parks wert ist. Wer am meisten bietet, erhält den Zuschlag. In Fachkreisen ist das Modell als Konzessionsabgabe bekannt.
Die Windindustrie fordert die Einführung von Differenzkontrakten (CfD)
Die Windparkbetreiber hatten sich dagegen für sogenannte Contracts for Difference (CfD) ausgesprochen, auch Differenzverträge genannt. Dieses Modell kommt unter anderem in Großbritannien und Dänemark zum Einsatz. Auch dabei gibt es eine Auktion – allerdings in einem ungewöhnlichen Format: Die Windparkbetreiber rufen einen Preis auf, den sie für ihren Strom haben wollen. Fällt der Börsenpreis darunter, zahlt der Staat die Differenz. Steigt er höher, führen die Betreiber die Mehreinnahmen an den Staat ab. Wer den niedrigsten Preis bietet, gewinnt.
Dass das BMWi den CfD-Vorschlag ablehnt, hatte sich bereits angedeutet. Ein im Auftrag des Ministeriums erstelltes Kurzgutachten kam zu dem Schluss, dass eine Konzessionsabgabe besser geeignet sei, um den Offshore-Windausbau nach marktwirtschaftlichen Kriterien zu gestalten.
„Das hat mit demokratischen Gepflogenheiten nichts zu tun“
Es ist aber nicht nur die Festlegung auf die Konzessionsabgabe im Gesetzentwurf, die den Puls von Vertretern der Windkraftbranche in die Höhe treibt. Es ist auch die Deadline, die ihnen das Ministerium für die im Gesetzgebungsprozess übliche Stellungnahme zu dem 53-seitigen Entwurf gesetzt hat: Sie mögen ihre Erwiderung bitte bis Donnerstag, 28. Mai, um 15 Uhr übersenden, heißt es in der E-Mail vom Dienstag. „Die kurze Frist bitten wir zu entschuldigen.“
„Das hat mit demokratischen Gepflogenheiten nichts zu tun“, sagt Stefan Thimm, Chef des Bundesverbands der Windparkbetreiber Offshore (BWO), gegenüber EnergieWinde. „Wer solche Fristen setzt, zeigt damit, dass er an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema nicht interessiert ist oder sie sogar verhindern will.“ Auch auf ein Gesprächsangebot der Branche von Anfang April sei das BMWi bislang nicht eingegangen, trotz einer anfänglichen Zusage. „Offensichtlich will man keine anderen Meinungen hören“, sagt Thimm. Ähnlich äußert sich die Stiftung Offshore-Windenergie: „Die Kürze der Frist ist hochgradig irritierend.“
Höhere Kosten, größere Ausfallrisiken: Warum die Branche die Pläne ablehnt
Nach zwei Nachtschichten haben die Branchenverbände dennoch eine Stellungnahme eingereicht. Die des BWO ging 15 Minuten vor Ablauf der Frist am Donnerstag ein. Auf 13 Seiten listet der Verband die Punkte auf, die aus seiner Sicht gegen die Konzessionsabgabe und für CfD sprechen. Im Wesentlichen sind es drei Argumente, mit denen die Branche die Abgabe ablehnt:
- Zum einen treibe sie die Kosten für den Bau den Betrieb von Offshore-Windparks in die Höhe, was etwa 30 Prozent höhere Strompreise zur Folge habe. „Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise muss es doch darum gehen, international wettbewerbsfähige Strompreise zu sichern”, schreibt der Verband.
- Zum anderen steige die Gefahr, dass die in den Auktionen siegreichen Windparkprojekte gar nicht umgesetzt würden. Zwar ist in einem solchen Fall eine Vertragsstrafe fällig. Doch die könnte im Fall sich verschlechternder Rahmenbedingungen in der Offshore-Windkraft immer noch günstiger sein, als den Park tatsächlich zu bauen.
- Und zum dritten äußert der BWO verfassungsrechtliche Bedenken: Für Betreiber, die bereits sogenannte Eintrittsrechte für Windparkflächen besitzen, stelle die Einführung einer Konzessionsabgabe einen Eingriff in ihre grundgesetzlich gesicherten Eigentumsrechte dar. Rechtsstreitigkeiten seien programmiert.
Schon in der kommenden Woche soll sich das Bundeskabinett mit dem Entwurf auseinandersetzen. Die entscheidende Abstimmung im Bundesrat könnte dann im Juli erfolgen. Der BWO hofft darauf, dass das letzte Wort in der Sache noch nicht gesprochen ist. Er plädiert dafür, im Wind-See-Gesetz zunächst nur die Anhebung des Ausbauziels festzuschreiben und über die Frage des besten Wegs dorthin – CfD oder Konzessionsabgabe – erst in einem zweiten Schritt zu entscheiden.
Einziger Vorteil ist eine gefühlt stärkere Marktintegration, die faktisch niemandem nützt. Das zeigt, dass der Bundesregierung Ideologie wichtiger ist als die Gestaltung der realen Welt
Ingrid Nestle (Die Grünen) über die Konzessionsabgabe
Rückenwind könnte die Windbranche von der stromintensiven Industrie erhalten, also etwa von Konzernen in der Chemie- oder Stahlwirtschaft, die auf günstige Strompreise angewiesen sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Sie stehen nicht im Verdacht, ideologisch zu argumentieren, und sind bislang auch nicht als bedingungslose Unterstützter der Ökostrombranche aufgefallen. In einem Workshop des BMWi im März sollen Vertreter dieser Industrien sich bereits für das CfD-Modell ausgesprochen haben.
Unterstützung für die Branche kommt auch von der Opposition im Bundestag. „Die Bundesregierung hat sich mit der Einmalabgabe für ein Modell entschieden, das teurer für die Verbraucher ist und eine größere Unsicherheit für die Erreichung der Ausbauziele bedeutet”, erklärte Ingrid Nestle, Energiepolitikerin der Grünen, gegenüber EnergieWinde. „Beide Probleme könnte man mit Differenzverträgen vermeiden. Einziger Vorteil ist eine gefühlt stärkere Marktintegration, die faktisch niemandem nützt. Das zeigt, dass der Bundesregierung Ideologie wichtiger ist als die Gestaltung der realen Welt.”