Industriepolitik

  • Search25.10.2024

Schulterschluss für die Windenergie

Die Konkurrenz aus Fernost sitzt Europas Windindustrie im Nacken. Die Bundesregierung will die heimischen Hersteller stärken – mithilfe hoher Anforderungen an die IT-Sicherheit.

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    Hersteller von Windrädern in Europa leiden zunehmend unter der Konkurrenz von staatlich subventionierten Herstellern aus Asien.

    Wartung eines Windrads: Die Bundesregierung will europäische Hersteller und Zulieferer fördern.

     

    Von Volker Kühn

    Nicht nur der Ausbau der erneuerbaren Energien boomt, auch die Zahl der Menschen, die damit ihr Geld verdienen, wächst rasant. Ende 2023 waren es weltweit 16,2 Millionen. Binnen eines Jahres ist die Zahl damit um ein Fünftel gewachsen. Allerdings profitieren die Länder weltweit unterschiedlich vom grünen Jobwunder. Größter Nutznießer ist China. Dort gibt es rund 7,4 Millionen Beschäftigte in den Erneuerbaren. Es folgen die EU mit 1,8 Millionen, Brasilien mit 1,6 Millionen sowie die USA und Indien mit je einer Million.

    Chinas Unternehmen entern den Windenergiemarkt – an Land und auf See

    In Deutschland fürchten viele, dass sich die Gewichte künftig noch weiter zugunsten Chinas verschieben könnten. Das Land dominiert bereits die Solarenergie. Jetzt schicken sich chinesische Hersteller an, auch die globale Windkraft zu entern – nicht nur an Land, sondern auch auf See. Für Aufsehen in der Branche sorgte zuletzt die Investmentgesellschaft Luxcara, einer der Sieger der jüngsten Offshore-Wind-Auktionen, die den chinesischen Turbinenlieferanten Mingyang für ihr Projekt Waterkant in der Nordsee ins Auge fasst.

    Für europäische Hersteller und ihre Zulieferer ist das ein Warnsignal. Es drohe die Gefahr, immer tiefer in die Abhängigkeit von China zu geraten. „Die Erfahrung mit den Gaslieferungen aus Russland zeigt uns, wie anfällig wir sein können“, erklärte Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer des Herstellerverbands VDMA-Power Systems, jüngst im österreichischen „Industriemagazin“.

    Die Zahl der Jobs in der Energiewende hat 2023 weltweit stark zugenommen. Sie stiegt um 18 Prozent auf gut 16,2 Millionen. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Die Zahl der Jobs in den Erneuerbaren ist binnen eines Jahres um fast ein Fünftel gewachsen, wie eine Studie der Internationalen Energieagentur (Irena) und der UN-Arbeitsorganisation ILO zeigt.

    In der Ampelregierung teilt man die Sorge. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) hat deshalb vergangene Woche mit den Windturbinenherstellern und ihren Zulieferern einen Schulterschluss vereinbart. Dabei sagte die Industrie zu, die Produktionskapazitäten aufzubauen, die nötig sind, um die überaus ambitionierten Ziele für den Ausbau der Windkraft zu erreichen. Im Gegenzug versprach das Wirtschaftsministerium, für die nötigen Volumina zu sorgen, um die Fabriken auszulasten. Zudem soll außereuropäischen Konkurrenten, die mit staatlichen Subventionen den Wettbewerb verzerren, der Zugang zum Markt erschwert werden.

    In der Branche ist die Rede davon, dass ein „Level-Playing-Field“ geschaffen werden müsse, also ein Markt, auf dem für alle Teilnehmer gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen herrschen. Es gehe darum, „einen ruinösen Preiswettstreit zu verhindern beziehungsweise zu stoppen, der dem Ziel einer Re-Industrialisierung und Schaffung europäischer Wertschöpfung entgegenwirken würde“, erklärte Karina Würtz, Chefin der Stiftung Offshore-Windenergie.

    Die EU will den Marktzugang erschweren – mit hohen Sicherheitsanforderungen

    Wie das gelingen soll, skizziert das BMWK in einem „Maßnahmenpaket für die Windindustrie in Deutschland und Europa“. Insbesondere hohe Anforderungen an die IT-Sicherheit könnten demnach ein Mittel sein, unerwünschte Konkurrenz aus dem Markt zu halten. Aus Sicht der Branche ein sinnvoller Schritt: „In einer modernen Windkraftanlage befinden sich Hunderte Sensoren. Wer diese steuert, verfügt über Zugang zu kritischen Informationen und erhält Kontrolle über einzelne Komponenten oder die gesamte Windenergieanlage“, warnte Giles Dickson, Chef des Branchenverbands WindEurope.

    Offshore-Windrad mit zwei Turbinen: Die schwimmende Konstruktion von Mingyang verlässt Mitte August den Hafen von Guangzhou.

    In Chinas Offshore-Windenergie ist Mingyang bereits ein Riese. Dieses Offshore-Windrad mit zwei Turbinen verlässt Mitte August den Hafen von Guangzhou.

    Das BMWK-Papier enthält daneben weitere Punkte. So will sich die Bundesregierung bei der neuen EU-Kommission dafür einsetzen, faire internationale Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, die Abhängigkeiten bei kritischen Windradbauteilen wie Permanentmagneten zu verringern und die Finanzierung des Produktionshochlaufs abzusichern.

    Die Branche sieht einen weiteren Hebel: eine Reform des Auktionsdesigns

    Aus der Windenergiebranche gab es viel Zustimmung, aber auch kritische Töne. Der IG Metall Küste etwa geht das Paket noch nicht weit genug. Sie mahnt insbesondere eine Reform der Ausschreibungskriterien für Windparks an. Darüber lasse sich sicherstellen, dass ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung in Europa bleibe und sichere, tarifgebundene Jobs entstünden.

    Ähnlich äußerte sich Karina Würtz von der Stiftung Offshore-Windenergie. Sie erklärte zum gegenwärtigen Auktionsdesign: „Mit seinem Fokus auf die staatliche Erlösmaximierung incentiviert es riskantes Bieterverhalten, erhöht den Refinanzierungsdruck der Projekte und verschärft damit einige der Probleme in den Bereichen Wettbewerb und Investitionskraft der Wertschöpfungskette.“

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