Schleswig-Holsteins Energieminister Jan Philipp Albrecht: „Wir setzen uns dafür ein, dass die Wasserstoffproduktion da aufgebaut wird, wo die erneuerbaren Energien stehen.“
Von Artur Lebedew
62 bunte Punkte sind auf der Deutschlandkarte zu sehen, die Wirtschaftsminister Peter Altmaier Ende Mai in die Kamera hält, jeder Punkt ein Millionenprojekt. Es sind die Orte, an denen Deutschland eine Wasserstoffwirtschaft im Großmaßstab aufbaut. Bund, Länder und Privatunternehmen betreiben dazu enormen Aufwand, insgesamt sollen 33 Milliarden Euro fließen. Alles, um jenen Stoff zu erzeugen, der als Schlüssel für die Energiewende gilt: Grüner Wasserstoff soll das Klimaproblem der Stahl- und Chemieindustrie lösen, er soll den Schwerlast- und Flugverkehr sauber machen, er soll Fernwärme erzeugen, er soll als Speichermedium für Zeiten dienen, in denen Wind und Sonne nicht ausreichend Energie bereitstellen.
Und er soll Norddeutschland ein neues Geschäftsmodell liefern. Gut die Hälfte der Punkte auf Altmaiers Karte schmiegt sich an die Küsten von Nord- und Ostsee. Die Nordländer versprechen sich Großes von der Zukunftstechnologie. Niedersachsen verkündet selbstbewusst, zum „Wasserstoffland Nummer eins“ zu werden. Kaum anders klingt es aus Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.
Ausgerechnet ein Konstruktionsfehler der Energiewende befeuert die Pläne
Der Norden spielt dabei seine Trumpfkarte: die Windenergie. Viele Projekte sind direkt an sie angedockt. Kein Wunder, Ökostrom ist für grünen Wasserstoff essenziell. Nur mithilfe eines immensen Energieeinsatzes können Wassermoleküle per Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten werden. Ein aufwendiger und teurer Prozess, weshalb Wasserstoff derzeit noch meist grau statt grün gewonnen wird: aus klimaschädlichem Erdgas.
Doch nun soll ausgerechnet ein Konstruktionsfehler der Energiewende helfen, die Produktion von grünem Wasserstoff hochzufahren. Weil es noch immer nicht genügend Leitungen gibt, um Strom in besonders windigen Zeiten von Nord nach Süd zu transportieren, müssen Windparks häufig abgeschaltet werden – andernfalls drohen Blackouts. Die Nordländer wollen aus dieser Not eine Tugend machen, indem sie die überschüssige Energie nutzen, um standortnah und preiswert grünen Wasserstoff herzustellen. Die gesamte Wertschöpfungskette könnte sich so auf wenigen Kilometern abspielen. Vom Windpark käme der Wasserstoff über den Elektrolyseur direkt zur Chemiefabrik, befördert per Lkw oder Pipeline.
Vor allem Strom vom Meer, wo der Wind besonders stetig bläst, bietet sich dafür an. „Die Offshore-Windenergie wird das Rückgrat bilden für die Produktion von grünem Wasserstoff in Niedersachsen und Deutschland“, erklärt denn auch Olaf Lies, Energieminister in Hannover, gegenüber EnergieWinde.