Dass der Kapitän der „Largo“ mit den anderen Männern über die in dieser Nacht besonders raue See scherzt, hilft da nicht gerade. Wenig später machen die Männer es sich auf den Ledersesseln im Inneren des Katamarans so bequem wie möglich. Der Elektriker schließt die Augen. Ein wenig schlafen jetzt, das wäre gut. Schließlich liegt vor ihm nicht nur eine wilde Überfahrt, sondern auch eine lange Schicht.
Das Erlebnis draußen im Offshore-Windpark entschädigt für so manches
Die „Largo“ wird ihn auf die „Edda Fjord” bringen, ein in Norwegen gebautes Arbeitsschiff, das für die Wartung der 78 Windräder von Borkum Riffgrund 1 in der Nordsee stationiert ist. Zwei Wochen wird er dort sein, jeden Tag zwölf Stunden arbeiten und die verbleibende Zeit in seiner schmalen Koje oder den eher karg ausgestatteten Aufenthaltsräumen an Bord verbringen. Aber er hat es ja so gewollt. Er liebt diesen Job. Wie bei so vielen Männern und Frauen in der Offshore-Windkraft tritt ein Glanz in seine Augen, wenn er von der Arbeit auf See erzählt.
Die Trennung von Familie und Freunden, die langen Schichten, das raue Wetter, die beengten Verhältnisse auf den Schiffen und in den Windturbinen, selbst die Seekrankheit – all das spielt keine Rolle mehr, wenn man einmal für dieses Leben Feuer gefangen hat. „Das da draußen ist wie ein Abenteuerspielplatz für Erwachsene,” sagt der 39-Jährige. Natürlich sind auch die Verdienstmöglichkeiten nicht unwichtig. „Was ich in der Offshore-Windkraft bekomme, hätte ich an Land nicht mal ansatzweise auf dem Lohnzettel“, sagt einer der anderen Techniker an Bord. Er stammt aus der Nähe von Norddeich. Die Jobs liegen hier in Ostfriesland nicht gerade auf der Straße. Viele junge Menschen verlassen die Region deshalb, sobald sie die Schule oder eine Lehre hinter sich haben. Doch mit der jungen Offshore-Windindustrie entstehen seit einigen Jahren neue Jobs, die ihnen die Chance geben, in der Heimat zu bleiben.
Die beiden Motoren der „Largo” heulen auf, die Kaimauer und das Gebäude des Windparkbetreibers Dong Energy dahinter verschwinden in der Nacht. Ein Crewmitglied löscht das Licht im Bauch des Schiffs, die Männer versuchen so gut es geht, auf den Ledersesseln Schlaf zu finden. Doch kaum hat der Katamaran den Hafen verlassen, werfen ihn die Wellen heftig hin und her. Die gefederten Sessel quietschen bei jeder Bewegung, mit der sie das Rollen und Stampfen, das Kippen und Stürzen der „Largo” ausgleichen.
Hinter Norderney wird das Meer zu wild. Die „Largo” sucht Deckung
Das Schiff ist noch nicht lang unterwegs, als der Kapitän die Motoren drosselt. Von oben aus der Brücke dringt undeutlich seine Stimme zu den Männern herunter. Er spricht offenbar ins Funkgerät, vielleicht mit der „Edda Fjord” oder dem Hafen. Die See ist ihm zu wild, so viel wird klar. Er will die nächste Stunde im Schutz der Insel Norderney abwarten, bevor er sich aufs offene Meer wagt. Klar, wenn die Wellen zu hoch sind, können die Männer unmöglich von der „Largo” auf die „Edda Fjord“ oder die stählerne Umspannstation übersteigen, die den Strom im Windpark sammelt und zum Festland schickt. Die Gefahr wäre zu groß, dass sie dabei abstürzen. Nicht umsonst muss jeder, der offshore arbeitet, den Überstieg regelmäßig trainieren.