Arbeit als Windradmonteur

  • Search30.09.2016

„Das ist der beste Job der Welt“

Jens Venekamp hat schon auf allen Kontinenten Windräder gewartet, doch Einsätze in Offshore-Windparks bleiben etwas Besonderes für ihn. Porträt eines Abenteurers, dem nur eine Sache Panik macht.

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    Windenergie in Nordwegen: Der Techniker Jens Venekamp fährt mit den Motorschlitten zur Arbeit auf den Turbinen.

    Einsatz am Polarkreis: Jens Venekamp arbeitet auf Windrädern rund um den Globus – auch bei minus 35 Grad im Norden Norwegens. Nur mit Motorschlitten konnten er und seine Kollegen die Anlagen erreichen.

    Von Volker Kühn

    Als Jens Venekamp nach einem halben Tag im Turbinenhaus von Windrad 09N im Morgenlicht auf dem Deck der „Edda Fjord“ steht, kneift er die Augen zusammen. Er streckt sich, gähnt und reibt sich mit der Hand über den kahlen Schädel. „Jetzt noch frühstücken und dann ab ins Bett“, sagt der 38-Jährige.

    Es ist sein dritter Tag auf See, aber an den kräftezehrenden Rhythmus der Nachtschicht muss er sich erst noch gewöhnen. Dabei ist er eigentlich gut darin, sich auf neue Situationen einzustellen.

    Mit der klirrenden Kälte in Windradgondeln am Polarkreis kommt er genauso zurecht wie mit der Hitze bei Wartungsarbeiten in Südindien. Er hat das Chaos von Metropolen in Vietnam und China gemeistert und sich auch nicht beschwert, als ihn in Honduras bewaffnete Sicherheitskräfte begleiten mussten, weil sein Einsatzort in einem Gebiet lag, das Drogenkartelle für sich beanspruchen. Venekamp ist Monteur der Siemens-Tochter Winergy. Er ist weltweit unterwegs, um die Getriebe von On- und Offshore-Windrädern zu warten oder um Teams vor Ort in solchen Aufgaben zu schulen.

    Etwas Schöneres als dieses Leben kann er sich nicht vorstellen, sagt er. „Das ist für mich der beste Job der Welt.“

    Windenergietechniker Jens Venekamp im Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 1.

    Ende einer langen Nacht: Mit einer ausfahrbaren Gangway holt die „Edda Fjord“ Venekamp und seine Kollegen nach ihrer Zwölf-Stunden-Schicht auf dem Windrad ab.

    Aber trotzdem: Die ersten Tage auf der „Edda Fjord“ hatten es in sich. Das Schiff liegt im Windpark Borkum Riffgrund 1, wo Teams von Dong Energy und Siemens mit der jährlichen Wartung der Windräder beschäftigt sind. Die 78 Vier-Megawatt-Turbinen müssen jetzt in den windarmen Sommermonaten fit gemacht werden, damit sie zuverlässig Strom liefern, wenn sich ab Herbst die Stürme über der Nordsee austoben.

    Einen Vorgeschmack darauf, wie sich solche Orkane anfühlen, hat Venekamp in seinen ersten beiden Tagen an Bord erlebt. Heftiger Wind mit Wellen von bis zu vier Metern ließen das schwere Schiff so stark schaukeln, dass Venekamp in seiner schmalen Kabine unter dem Helikopterdeck der „Edda Fjord“ kaum Schlaf fand.

    Den Rettungseinsatz des Hubschraubers verschläft er glatt

    Zwar hat er das Glück, die Doppelkabine mit niemandem teilen zu müssen. Und nachdem er die Koje über seiner eigenen zur Wand hochgeklappt hatte, fühlte es sich dort auch nicht mehr ganz so beengt an. Doch in der rauen See krachte die Koje ständig wieder herunter. Selbst als Venekamp seine Tasche darauf gewuchtet hatte, blieb sie in Bewegung.

    Irgendwann muss er dann aber doch in einen tiefen Schlaf gesunken sein. Denn dass zwischenzeitlich nur wenige Meter über ihm ein Hubschrauber gelandet war, um einen Erkrankten von Bord zu holen, bekam er erst mit, als ihm Kollegen später davon erzählten.

    Inzwischen aber hat sich der Wind gelegt. Die Nordsee ist an diesem Sommermorgen glatt wie ein Ententeich, die Rotorblätter im Windpark rings um die „Edda Fjord“ drehen sich kaum. Venekamp bringt seine Arbeitsmontur in seinen Spind und macht sich auf in die Messe. Viermal täglich bekommen die 60 bis 70 Männer und Frauen an Bord hier etwas zu essen, selbst nachts um halb eins. Ihr Schichtdienst macht das nötig: Gearbeitet wird rund um die Uhr, sieben Tage die Woche – und nur durch den Dauereinsatz der Kombüse können sowohl die Tag-, als auch die Nachtschicht versorgt werden.

    Kurz nach Sonnenaufgang liegt die „Edda Fjord“ im Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 1, gut 54 Kilometer von der Nordseeküste entfernt.

    Einsatz im Morgengrauen: Kurz nach Sonnenaufgang liegt die „Edda Fjord“ im Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 1, gut 54 Kilometer von der Nordseeküste entfernt. Das Schiff mit seinem roten Rumpf, den gelben Aufbauten un dem Helikopterdeck ist die Basis ...

    Blick in den Bauch der „Edda Fjord“, die im Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 1 liegt.

    ... für Teams von Siemens und Dong Energy (heute Ørsted), die hier in den Sommermonaten mit der Wartung des Windparks beschäftigt sind. Rund 70 Männer und Frauen leben und arbeiten an Bord der „Edda Fjord“, die 2002 in Norwegen vom Stapel lief. Neben dem großen Arbeitsschiff ...

    Im Offshore-Windpark Borkum Riffgrund bringt ein sogenanntes Crew Transfer Vessel die Mitarbeiter zu den Windrädern.

    ... sind in der Regel zwei Katamarane im Windpark stationiert, die sogenannten Crew Transfer Vessels (CTV). Sie legen regelmäßig an der „Edda Fjord“ an, um Wartungsteams an Bord zu nehmen, die sie anschließend zur Arbeit auf die Windräder bringen. Der heikelste Part dabei ...

    Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 1: Das Transportschiff „Njord Thor“ legt an der „Edda Fjord“ an.

    ... ist der Überstieg. Dazu presst der Kapitän das CTV mit viel Schub gegen die Bordwand der „Edda Fjord“, um eine möglichst stabile Lage zu erreichen. Heute ist das Wetter gut und das Manöver einfach. Bei hohem Wellengang sieht das jedoch anders aus. Die Beladung erfolgt ...

    Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 1: Verladung von Arbeitsmaterial von der „Edda Fjord“ auf die „Njord Thor“.

    ... mithilfe eins Krans der „Edda Fjord“. In den Seesäcken befindet sich das Material, das die Wartungstrupps während ihrer Zwölf-Stunden-Schichten auf den Windrädern brauchen. Rund um die Uhr übernehmen die CTV einen Taxidienst im Windpark. Es gibt aber noch eine zweite Möglichkeit, Arbeiter auf die Turbinen zu bringen, ...

    Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 1: Mit einem sogenannten Uptime bringt die „Edda Fjord“ Arbeiter auf die Windräder.

    ... das sogenannte Uptime. Das ist eine ausfahrbare Gangway auf einem Turm, der eigens für den Einsatz im Windpark auf der „Edda“ installiert wurde. Das Arbeitsschiff fährt dazu langsam an das Windrad heran – bei starker Strömung und hohen Wellen Schwerstarbeit für den Steuermann. Anschließend ...

    Borkum Riffgrund 1: Mit einem sogenannten Uptime, einer ausfahrbaren Gangway, gelangt ein Monteur vom Arbeitschiff auf das Windrad.

    ... wird die Gangway in luftiger Höhe am sogenannten Transition Piece des Windrads befestigt und die Monteure können übersteigen. Man sollte in diesem Job keine Höhenangst haben. Die Verantwortung an Bord der „Edda Fjord“ trägt ...

    Pål-F. Hjelmeland ist der Kapitän der „Edda Fjord". Das Schiff arbeitet in Offshore-Windparks, aber auch in der Öl- und Gasindustrie.

    ... der norwegische Kapitän Pål-F. Hjelmeland. Er ist mit seinem Schiff nicht nur in Offshore-Windparks im Einsatz, sondern auch in der Öl- und Gasindustrie. Dazu kann die „Edda" je nach Bedarf umgerüstet werden. Gewöhnlich ist das Schiff auf eine 90-köpfige Besatzung ausgerichtet. Im Golf von Mexiko allerdings ...

    Sonnendeck der „Edda Fjord" im Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 1. Manchmal fühlt sich die Arbeit ein bisschen an wie Urlaub.

    ... waren es auch schon mal 210 Mann. Möglich wurde das mithilfe von 16 an Deck übereinandergestapelten Wohn- und Bürocontainern. Diesmal sind nur sechs solcher Container im Einsatz. Auf ihrem Dach befindet sich ein Sonnendeck. Für Entspannung und Zeitvertreib ...

    Offshore-Windpark Borkum Riffgrund: Im Aufenthaltsraum der „Edda Fjord" können die Arbeiter zwischen den Schichten entspannen.

    ... stehen an Bord zudem zwei kleine Fitnessräume, eine Sauna und zwei Aufenthaltsräume mit Fernseher sowie Xbox und Playstation zur Verfügung. Insgesamt aber sind die Verhältnisse beengt, wie dieser Blick ...

    Die Kabinen auf der „Edda Fjord" sind eng. In dieser hier können zwei Personen übernachten.

    ... in eine Doppelkabine zeigt. Die obere Koje kann an die Wand hochgeklappt werden. Meist liegt die „Edda" stabil im Wasser. Im Sturm allerdings schaukeln die Kojen heftig. Bei einer Atlantiküberquerung sollen die Wellen schon bis auf das Helikopterdeck geschlagen haben. Warum man sich das antut? Vielleicht ...

    Sonnenuntergang über dem Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 1: Wenn der Sommerabend so lau ist wie heute, kommt Urlaubsstimmung auf.

    ... weil Ausblicke wie dieser immer wieder für die schwere Arbeit und die langen Schichten auf der „Edda Fjord" entschädigen: ein Sonnenuntergang über dem Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 1 in der Nordsee.

    Beim Frühstück, Rührei mit gebratenem Speck, fällt die Anstrengung der Zwölf-Stunden-Sicht von Venekamp ab. „Ich könnte mir nicht vorstellen, immer auf See zu arbeiten, aber zwischendurch ist es super“, sagt er.

    Es ist gerade die Abwechslung, die er an seinem Job liebt. In mehr als 40 Ländern hat er schon gearbeitet, zuhause in seiner Düsseldorfer Wohnung erinnern ihn Souveniermagneten am Kühlschrank an all die Reisen. Seine Augen leuchten, wenn er von den Einsätzen erzählt, die ihn nach Asien und Australien geführt haben, auf beide amerikanische Kontinente, nach Nordafrika und in sämtliche Winkel Europas.

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    In Thailand haben wir mal einen giftigen Python oben in der Gondel gefunden, keine Ahnung, wie der da hingekommen ist

    Jens Venekamp

    „In Thailand haben wir mal einen giftigen Python oben in der Gondel gefunden, keine Ahnung, wie der da hingekommen ist“, sagt er. In Norwegen kamen sie bei minus 35 Grad nur mit dem Motorschlitten zu den weit abgelegenen, tiefverschneiten Anlagen.

    Mindestens ebenso gefährlich wie die Kälte waren die kiloschweren Eisblöcke, die sich von den Rotorblättern lösen, sobald sie zur Wartung angehalten werden. „In Schweden hat mal einer ein Loch in das Dach eines Autos geschlagen.“

    Mit dem Segelboot zum Offshore-Windrad

    Venekamp ist voll von solchen Anekdoten. Auch auf See hat er viel erlebt, gerade in den Anfangstagen der Offshore-Windkraft. Die Anlagen vor der dänischen Insel Samsø zum Beispiel mussten sie mit einem Segelboot anfahren, weil sie keine geeigneten Spezialschiffe zur Verfügung hatten. Und bei Arbeiten vor der britischen Küste drängte sich immer die gesamte Besatzung eines Bauschiffs an der Reling zusammen, wenn eine Fähre der Stena-Line vorbeifuhr. „Das war zu der Zeit die einzige Chance, mal kurz ein Handynetz zu haben“, erzählt Venekamp.

    Arbeit im Offshore-Windpark Borkum Riffgrund: Techniker Jens Venekamp auf dem Schiff Edda Fjord.

    Freibeuter der Winde: Wo auch immer Venekamp arbeitet – auf dem Kopf trägt er einen schwarzen Helm mit Piratensymbol.

    Doch so aufregend dieses Leben auch sein mag – für Beziehungen ist es Gift. In Düsseldorf wohnt er bei seiner Schwester, wenn er zwischen den oft wochenlangen Einsätzen zu Hause ist. Seine Freundinnen konnten sich auf Dauer nicht an seinen Arbeitsrhythmus gewöhnen. Noch kommt er damit klar. „Ich kann auch gut allein tanzen“, sagt Venekamp. Doch wenn er an die Zukunft denkt, bekommt er manchmal Panik. „Als ich mit diesem Leben anfing, habe ich gesagt, spätestens mit 30, ist Schluss. Dann habe ich die Grenze auf 35 gelegt. Jetzt bin ich 38 und es macht mir noch immer so viel Spaß, dass ich nicht ans Aufhören denken will.“

    Zumindest in den nächsten Jahren wird er wohl so weitermachen. Ein paar Wochen in Japan, Kanada oder Australien, dann zurück nach Düsseldorf, um im Heimaturlaub all seine Freunde und die Familie zu sehen und die in der Zwischenzeit aufgelaufene Post zu erledigen. Dann aber wird es wieder Zeit für einen neuen Magneten am Kühlschrank. Sein nächster soll im Herbst aus Südafrika kommen. Jetzt aber ist für Venekamp erst einmal Schichtende. Er bringt den Frühstücksteller zurück und geht in seine enge Kabine. Draußen löst die kräftige Sonne den Morgennebel über den Windrädern auf. „Schön verrückt, jetzt schlafen zu gehen“, sagt er.

    Zumindest muss er bei der glatten See keine Angst haben, dass ihm im Schlaf eine Koje auf den Kopf kracht.

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