Als Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht 1977 den Bau eines Atommüllendlagers samt Wiederaufbereitungsanlage für Kernbrennstoffe in Gorleben ankündigt, ist nicht abzusehen, dass damit eine Auseinandersetzung beginnt, die Deutschland mehr als vier Jahrzehnte beschäftigen wird. Der Kampf um Gorleben prägt das Leben einer ganzen Generation von Atomkraftgegnern. Zwei Jahre nach Albrechts Ankündigung ...
... zieht im März 1979 der „Treck der 100.000“ durch die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover. Viele sind aus dem Wendland angereist, der Region, in der Gorleben liegt. Aber auch aus dem übrigen Deutschland haben sich Demonstranten zu der bis dato größten Protestkundgebung gegen die Atomenergie eingefunden. Während die Landesregierung an ihren Plänen festhält, ...
... formiert sich auf dem Gelände des geplanten Endlagers in Gorleben weiterer Protest. Am 3. Mai 1980 wird die Republik Freies Wendland ausgerufen. Anti-Atomkraft-Aktivisten errichten an einer geplanten Bohrstelle ein Hüttendorf aus Holzhäusern samt Wachtürmen. Ein Hauch von Woodstock weht über durch die Szenerie. Niedersachsens damaliger Innenminister Egbert Möcklinghoff spricht von Hochverrat, andere Politiker dagegen ...
... bekunden ihre Sympathie mit der Aktion. Gerhard Schröder, damals Vorsitzender der Jusos, spricht den Aktivisten seine Unterstützung aus, in der linken Hand das Mikro, in der rechten eine Flasche Bier. Jahre später wird in seiner Kanzlerschaft der Atomausstieg beschlossen. Das Besetzerdorf allerdings hat nur eine kurze Geschichte. Schon einen Monat nach seinem Bau ...
... wird es von einem Großaufgebot der Polizei geräumt. Bilder wie dieses, auf dem sich Aktivisten und mit Schilden bewehrte Einsatzkräfte gegenüberstehen, sind in den kommenden Jahrzehnten immer wieder in den Zeitungen und Nachrichtensendungen zu sehen. Viele Aktivisten setzen auf friedlichen Widerstand, doch nicht selten kommt es auch zur Gewalt ...
... wie hier im März 1997, als Demonstranten Steine auf die Polizei werfen, die mit Wasserwerfern gegen sie vor geht. Zwei Jahre zuvor wurde ein Zwischenlager in Gorleben in Betrieb genommen, in dem radioaktiver Müll vor allem aus der Wideraufbereitungsanlage im französischen La Hague untergebracht wird. Immer, wenn die Castor-Züge Richtung Gorleben rollen, ...
... formiert sich entlang der Route Widerstand von Atomkraftgegnern. Vor allem auf dem letzten Abschnitt, auf dem die Castor-Behälter auf Lastwagen transportiert werden, kommt es regelmäßig zu Zusammenstößen mit der Polizei. Zum Teil sind mehrere Zehntausend Beamte im Einsatz, um sicherzustellen, dass die Behälter ihr Ziel erreichen. Dort angekommen ...
... werden die sechs Meter hohen Boxen in einer Lagerhalle aufgestellt. Sie ist 180 Meter lang, 38 Meter breit und hat Platz für 120 Behälter. Auf diesem Foto aus dem August 2002 stehen 15 Castoren in der Halle. Bis 2011 erreichen 13 Transporte das Zwischenlager. Die genauen Termine und Transportrouten hält die Polizei möglichst lang geheim. Auf diese Weise, so ihre Hoffnung, ...
... haben Atomkraftgegner weniger Gelegenheiten, den Transport zu sabotieren. Doch immer wieder gelingt es den Aktivisten, den Zug zu verzögern. Sie ketten sich an Gleise und Brücken, stecken Strohfeuer in Brand, fahren Trecker in den Weg, untergraben die Straßen oder blockieren sie mit Baumstämmen. Ganz entspannt mit Seifenblasen verläuft dieser Protest im November 2005 zu. Tief unter der Erde ...
... laufen derweil die Arbeiten im Erkundungsbergwerk Gorleben. Dabei soll herausgefunden werden, ob der Salzstock in der Lage ist, den Strahlenschrott sicher für die Ewigkeit zu lagern. Obwohl die Erkundung über Jahrzehnte läuft, ist das Ergebnis lange Zeit umstritten. Erst im September 2020 gibt die Bundesgesellschaft für Endlagerung bekannt, ...
... dass Gorleben nicht in Frage kommt. Die Experten verweisen auf geologische Mängel. Unter anderem sei das Deckgebirge über dem Salzstock nicht intakt. Im Foto sind vorn das Zwischenlager und hinten der oberirdische Teil des Bergwerks zu sehen. Mehr als vier Jahrzehnte nach Beginn der Planungen endet damit eines der umstrittensten Kapitel der deutschen Energiepolitik. Und auch ...
... für die Atomkraft insgesamt ist in Deutschland bald Schluss. Spätestens Ende 2022 muss der letzte Reaktor vom Netz gehen. Auch wenn es hierzulande keine Katastrophen wie in Tschernobyl oder Fukushima gab, hat sich die Technologie als langfristig nicht tragbar erwiesen: Das Risiko und der gesellschaftliche Widerstand waren zu groß – und die Kosten für Atomstrom sind im Vergleich zu Ökostrom viel zu hoch.