Niedersachsens Energieminister

  • Search17.04.2024

„Wir punkten mit Grünstrom“

Christian Meyer verspricht sich von der Energiewende einen Boom in Niedersachsen. Skeptische Anwohner will der grüne Energieminister mit einem Plus an Lebensqualität überzeugen – durch eine Art Windkraftabgabe.

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    Niedersachsens Energieminister Christian Meyer (Grüne) verspicht sich von der Energiewende einen Boom und höhere Lebensqualität in Norddeutschland.

    Vor einem Jahr schaltete Christian Meyer symbolisch das Atomkraftwerk Emsland ab, eines der letzten drei verbliebenen in Deutschland. Die Zukunft sieht Niedersachsen Energieminister in den Erneuerbaren.

     

    Herr Meyer, wenn ein Windrad erst mal steht, ist es nicht sehr arbeitsintensiv. Ist die Energiewende wirklich der Jobmotor, als den Sie sie gern beschreiben?
    Christian Meyer: Es geht nicht allein um den Aufbau von Windrädern und Solaranlagen, auch wenn das natürlich Jobs bei den Unternehmen bis hinein ins Handwerk schafft. Es geht auch um die Produktion von Solarzellen, Turbinen und vielen anderen Komponenten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Und auch über die Energiebranche hinaus ist die Energiewende die Basis unseres Wohlstands: Unternehmen siedeln sich bevorzugt dort an, wo saubere Energie sicher zur Verfügung steht.

    Christian Meyer ist seit November 2022 Minister für Energie, Umwelt und Klimaschutz in der rot-grünen Landesregierung von Niedersachsen. Für den 48-jährigen Grünen-Politiker ist es bereits der zweite Minister-Posten, nachdem er von 2013 bis 2017 das Landwirtschaftsministerium führte.

    Foto: Picture-Alliance/dpa

    Die großen Namen sind zuletzt aber in andere Länder mit viel Windstrom gegangen: Tesla nach Brandenburg, Northvolt nach Schleswig-Holstein, Intel nach Sachsen-Anhalt.
    Meyer: Stimmt, aber Ähnliches werden wir auch hier sehen. Es gibt etwa Anfragen von Solarfabriken für Standorte an der Küste. Da geht es schnell um 2000 oder 3000 neue Arbeitsplätze. Mit dem Ausbau des Offshore-Hafens in Cuxhaven und des Emder Hafens unterstützen wir Siemens Gamesa und Enercon ganz konkret. In vielen anderen Branchen können wir ebenfalls mit unserem Grünstrom punkten, wenn Sie zum Beispiel an Elektrolyseure zur Wasserstoffproduktion denken oder an eine Batteriefertigung, die das VW-Werk in Emden versorgen könnte.

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    Die Netzentgelte sollten ähnlich wie jetzt die EEG-Umlage aus Steuermitteln gestützt werden

    Christian Meyer

    Der Nordwesten hat zwar viel Strom, aber aufgrund der Netzentgelte ist er teils teurer als im Süden. Hat die Region am Ende gar keinen Vorsprung?
    Meyer: In seiner jetzigen Form ist das System nicht fair, so viel steht fest. Es kann nicht sein, dass Menschen in Regionen draufzahlen, die viel sauberen Strom erzeugen, während andere profitieren, obwohl sie wenig zur Energiewende beitragen. Der Norden verdrängt mit seinem günstigen Ökostrom die viel teureren Kohle- und Gaskraftwerke im Süden und sorgt so für insgesamt niedrigere Strompreise. Das muss sich für den Norden auszahlen. Deswegen sind wir froh, dass die Bundesnetzagentur auf unser Drängen reagiert hat und Instrumente schaffen will, um Regionen mit einem hohen Anteil Erneuerbarer zu entlasten. Hier muss der Strom günstiger werden! Prinzipiell sollten die Netzentgelte ähnlich wie jetzt die EEG-Umlage aus Steuermitteln gestützt werden. Außerdem setzen wir uns für ein Absenken der Stromsteuer auf das EU-Minimum ein.

    Niedersachsens Energieminister Christian Meyer (Grüne) in Montur von Tennet: Der Übertragungsnetzbetreiber baut Stromtrassen durch sein Bundesland.

    „Der Nordwesten wird der große Gewinner sein“, sagt Christian Meyer, hier in Montur von Tennet. Der Übertragungsnetzbetreiber baut große Stromtrassen durch Meyers niedersächsische Heimat.

    Je mehr Windparks gebaut werden, desto drängender ist es, die Herzen der Menschen vor Ort zu gewinnen. Wie soll das gelingen?
    Meyer: Indem wir dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger konkret von der Windkraft profitieren. Wir planen ein Gesetz, wonach Betreiber 0,2 Cent je produzierter Kilowattstunde Strom an die lokalen Kommunen abführen müssen. Das sind schon bei einem einzigen Windrad schnell 20.000 oder 30.000 Euro pro Jahr, die über 20 Jahre und länger fließen. Mit solchen Einnahmen lässt sich die Lebensqualität in den Gemeinden vor Ort spürbar steigern.

    Wenn Sie gedanklich ins Jahr 2050 springen, in welcher Rolle sehen Sie den Nordwesten dann?
    Meyer: Der Nordwesten Deutschlands wird der große Gewinner sein. Wir wollen bereits 2040 klimaneutral sein, fünf Jahre früher als der Bund. Schon heute erzeugen wir 100 Prozent unseres Strombedarfs aus Sonne, Wind und Biomasse, Tendenz steigend. Das verschafft uns enorme Vorteile: beim Export von Energie und Klimaschutztechnologie genauso wie beim Werben um innovative Unternehmen. Und natürlich hilft es uns im Kampf gegen Extremwetter und den steigenden Meeresspiegel, der insbesondere das Wattenmeer vor unserer Küste bedroht. Wir Niedersachsen sind sturmfest und erdverwachsen, aber wir nehmen zugleich den Wind der Veränderung auf.

    Die Fragen stellte Volker Kühn.

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