Je länger ein Rotorblatt ist, desto mehr Energie kann es aus dem Wind aufnehmen – doch desto komplizierter ist auch der Transport. Dieser rund 90 Meter lange Flügel war auf dem Weg zu einem Windpark im Erzgebirge. Doch die schmale und kurvige Auffahrt zur Autobahn 4 in Chemnitz wurde dabei zum Problem. Kurzfristig musste ein Bautrupp anrücken, um dafür zu sorgen, dass es der Flügel zwischen den Leitplanken hindurchschaffte.
Dass Kurven und Windräder keine natürlichen Verbündeten sind, zeigt auch dieses Foto aus Rheinland-Pfalz. Die Schwerlasttransporter mussten mehrfach rangieren und den Randstreifen zur Hilfe nehmen, um die Rotorblätter ans Ziel zu bringen. Oft werden im Vorfeld solcher Transporte Äste und Bäume zurückgeschnitten. Verkehrsinseln sind in manchen Gegenden so angelegt, dass die Transporter sie direkt durchfahren können.
Über die letzten Kilometer bis ins Baufeld und durch besonders knifflige Stellen werden Rotorblätter oft mit selbstfahrenden Spezialtransportern bugsiert, „Blade Runner“ genannt. Manövriert wird in der Regel per Fernsteuerung: Ein Techniker lenkt das Fahrzeug, ein zweiter richtet das Rotorblatt bei Bedarf auf oder dreht es um seine Achse, damit es Hindernissen wie Häusern, Straßenlaternen oder Bäumen ausweichen kann.
Oft versammeln sich Zuschauer entlang der Strecken, wenn die Rotorblätter durch Dörfer gefahren werden, fast wie bei der Tour de France. Allerdings ist das Tempo ein ganz anderes: Die Blade Runner sind nur mit Schrittgeschwindigkeit unterwegs, wenn überhaupt. Manchmal erzwingt das Wetter auch ungeplante Pausen. Wenn bei starkem Nebel die Spitze des aufgerichteten Rotorblatts nicht mehr zu sehen ist, muss der Transport warten, bis der Himmel aufreißt.
Aus der Ferne erschließen sich die eindrucksvollen Dimensionen eines Rotorblatts. Das Begleitfahrzeug und die Menschen hinter dem Blade Runner wirken wie Spielzeugfiguren, wenn das Blatt aufgerichtet wird. Würde es liegend transportiert, bliebe es der vor ihm liegenden Kurve an Häusern oder Bäumen hängen. Grundsätzlich gilt: Je hügeliger und kurviger das Gelände, desto komplizierter der Transport. Einfacher wird*s im flachen, offenen Norddeutschland.
Im Schnitt vergehen zwischen Planung und Inbetriebnahme eines Windrads in Deutschland vier bis fünf Jahre, wobei regional große Unterschiede bestehen. Die Genehmigungsverfahren tragen wesentlich zur langen Dauer bei. Die Transporte spielen dabei aufs Ganze gesehen eine untergeordnete Rolle, doch auch auf die Genehmigungen etwa der Autobahn GmbH warten die Unternehmen mitunter Wochen. Dieser Flügel passierte eine Straße im baden-württembergischen Schorndorf-Schlichten.
Dieses Rotorblatt wurde auf dem Weg zu einem Windpark im Saarland in einer Seitenstraße abgestellt: Es passte nicht durch die vorgesehene Strecke, die unter einer Eisenbahnbrücke hindurchführt, sodass das Transportteam umplanen musste. Solche Pannen sind eher ungewöhnlich, denn im Vorfeld der Transporte prüfen Behörden die Routen genau und machen zahlreiche Vorgaben, etwa zu den Transportzeiten.
Das Rotorblatt auf diesem Foto aus dem sächsischen Voigtsdorf misst rund 80 Meter – eine für Windräder an Land häufig verwendete Länge. Offshore-Windräder der neusten Generation haben weit längere Rotorblätter. Ein chinesischer Hersteller hat unlängst ein 143 Meter langes Rotorblatt präsentiert. Derartige Riesen wären auf der Straße kaum zu transportieren. Die Fertigungsstätten solcher Rotorblätter liegen daher in der Regel direkt am Hafen.
Fast überall in Europa soll die Windenergie in den kommenden Jahren stark ausgebaut werden. Einer aktuellen Untersuchung der Analyseagentur Rystad Energy zufolge reichen die Fertigungskapazitäten in Europa dafür derzeit allerdings nicht aus. Nicht zuletzt die Rotorblattproduktion müsse stark erweitert werden, damit genügend Flügel zur Verfügung stünden. Bei diesem Windpark in Quellendorf (Sachsen-Anhalt) war das offenkundig noch der Fall.
Millimeterarbeit war auch der Transport dieses 68 Meter langen Rotorblatts durch das baden-württembergische Prinzbach. Zu schaffen machte den Verantwortlichen nicht nur die kurvenreiche und zuweilen enge Strecke. Hinzu kamen Steigungen von bis zu zwölf Prozent. Auf Asphalt ist das meist noch zu bewältigen. Komplizierter wird es, wenn die Baustelle etwa auf einer Bergkuppe nur über eine Schotterpiste zu erreichen ist.
An dieser Stelle musste das Rotorblatt auf dem selbstfahrenden Schwerlasttransporter fast komplett aufgerichtet werden, um die Passage zu bewältigen. Sieben Kilometer maß die Strecke, auf der es nur mit dem Spezialfahrzeug voranging. Das ist auch für die auf solche Transporte spezialisierten Logistikfirmen nicht unbedingt Alltag.
Kurz vor dem Ziel musste das Rotorblatt ein weiteres Mal komplett aufgerichtet werden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es allerdings schon einen weit längeren Weg hinter sich. In Deutschland gibt es derzeit keine Rotorblattproduktion mehr. Die Flügel kommen teils von weither und werden vor allem über den Hafen Cuxhaven importiert. Von dort geht es in der Regel über die Autobahn. Nur für die letzte Etappe sind Selbstfahrer wie hier in Prinzbach nötig.
Aus der Vogelperspektive wird die Schwierigkeit beim Transport der langen Rotorblätter durch Waldstücke noch einmal besonders deutlich: Selbst wenn die Kurven so langgestreckt sind wie hier würde das Blatt beim Ausscheren gegen die Bäume stoßen, wenn es nicht aufgerichtet werden könnte.
Geschafft! Dieses Rotorblatt hat seinen Bestimmungsort auf einer bewaldeten Kuppe in Niederbayern erreicht. Doch jetzt wartet schon die nächste Herausforderung: Per Spezialkran müssen die Flügel hoch oben am Maschinenhaus des Windrads montiert werden.
Dass es immer noch ein bisschen spektakulärer geht, beweist diese Aufnahme aus China: Dort wurden im vergangenen Jahr die 75 Meter langen Rotorblätter eines Windparks in den Bergen der Provinz Sichuan per Schwerlasttransport über eine schmale Piste an einer Steilwand geschleppt. Gut zwei Wochen soll es gedauert haben, bis die Flügel ihr Ziel erreichten.
Teils ragten die Rotorblätter dabei in den Kurven weit über den Hang hinaus. Wie deutsche Arbeitssicherheitsexperten diesen Transport wohl bewerten? Zu sehen gibt es das Video auf dem YouTube-Kanal des britischen „Telegraph“. Nichts für schwache Nerven.