Tesla vs. Edison

  • Search04.06.2023

Als in Amerika der Stromkrieg tobte

Im 19. Jahrhundert liefern sich Thomas Edison und Nikola Tesla ein Duell um Amerikas Elektrifizierung, oft mit schmutzigen Methoden. Damals gibt es einen klaren Sieger – heute ist auch die unterlegene Technologie gefragt.

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    Thomas Alva Edison (links) entwickelt die Gleichstromtechnologie, Nikola Tesla (Mitte) setzt auf Wechselstrom. Für die Entscheidung in ihrem Duell sorgte der Industrielle George Westinghouse.

    Geniale Erfinder, erbitterte Rivalen: Thomas Alva Edison (links) entwickelt die Gleichstromtechnologie, Nikola Tesla (Mitte) setzt auf Wechselstrom. Für die Entscheidung in ihrem Duell sorgte der Industrielle George Westinghouse.

     

    Von Jasmin Lörchner

    Lange war der Ausgang dieses Zweikampfs offen: Wie würde Amerika flächendeckend mit Strom versorgt werden? Mithilfe des Gleichstromsystems von Erfinder und Unternehmer Thomas Alva Edison? Oder doch durch das Wechselstromsystem des Einwanderers Nikola Tesla? Jahrelang wetteiferten zwei der klügsten Köpfe ihrer Zeit darum, wer es in Amerika Licht werden lassen würde. Sie kämpften mit hohem finanziellem Aufwand – und wenn das nicht reichte, auch mit schmutzigen Tricks.

    1807 hatte der Brite Sir Humphry Davy die elektrische Bogenlampe erfunden, die Straßenzüge und große Gebäude erleuchtete. Für eine Verwendung im Innenraum waren die grellen Lichtquellen allerdings ungeeignet, dort waren Gaslampen noch immer Standard. Doch die waren mitunter gefährlich; das abbrennende Gas hinterließ zudem schlechte Gerüche.

    Thomas Alva Edison, der zuvor bereits Telegrafentechnik entwickelt hatte, suchte eine Alternative. Er experimentierte so lang, bis er 1879 die elektrische Glühbirne erfunden hatte. Darin wird ein Kohlefaden durch elektrische Spannung erhitzt, so dass er zu glühen beginnt und strahlend hell leuchtet. Betrieben wurde die Lampe mit Gleichstrom, dessen Stärke und Richtung stets gleichbleibt.

    Edisons Glühbirnen erleuchten die Wall Street – doch sie haben einen Haken

    Um die Lampe in Amerikas Haushalte zu bringen, musste allerdings erst eine flächendeckende Versorgung mit elektrischem Strom gewährleistet werden. Dafür orientierte sich der Erfinder am existierenden Gasnetz. Er beschloss, ein Kraftwerk zur Produktion von Gleichstrom zu bauen. Um sich finanzielle Unterstützung für seine teure Unternehmung zu sichern, wählte er 1882 die Gegend um die New Yorker Wall Street als erstes Entwicklungsgebiet für sein Vorhaben.

    Der Haken an Edisons System: Der Strom aus den Kraftwerken reichte jeweils nur wenige Kilometer. Es würde unzählige Kraftwerke und sehr, sehr viel Geld brauchen, um ganze Städte zu elektrifizieren. Schnell war klar: Ein mit Gleichstrom betriebenes Stromnetz lohnte sich nur für urbane Räume mit großer Bevölkerungsdichte.

    Dennoch verdiente Edison mit seinem Gleichstromnetz und der Verbreitung der Glühbirne in den 1880er-Jahren gutes Geld – bis ihm Erfinder Nikola Tesla und der Großindustrielle George Westinghouse das System des Wechselstroms entgegenstellten.

    Nikola Tesla, der sich Ende des 19. Jahrhunderts einen „Stromkrieg“ mit Thomas Alva Edison liefert, unter einem künstlichen Blitz.

    Erfinder mit Showtalent: Die Mehrfachbelichtung zeigt Nikola Tesla seelenruhig lesend unter einem künstlichen Blitz mit einer Million Volt. Das Foto soll die Ungefährlichkeit seiner Technologie belegen.

    Tesla, 1856 als Sohn serbischstämmiger Eltern im heutigen Kroatien geboren, hatte 1882 den Wechselstrommotor erfunden und nach seiner Einwanderung in die USA sogar kurzzeitig in Edisons Labor gearbeitet. In den folgenden Jahren perfektionierte er den Wechselstrommotor, indem er statt bisher einen nun zwei Wechselströme durch den Motor leitete und so ein rotierendes, magnetisches Feld erzeugte.

    Teslas Erfindung ermöglichte den Transport von Wechselstrom über weitere Strecken als es mit Edisons Gleichstrom-System möglich war. Als der junge Erfinder sein System 1888 vor Elektroingenieuren in New York vorstellte, wurde Unternehmer George Westinghouse auf ihn aufmerksam.

    Westinghouse kaufte Tesla das Patent auf den Wechselstrommotor für 200.000 Dollar ab und verhandelte an Orten, die für Edisons Electric Light Company mit Gleichstrom nicht erreichbar waren, Verträge für eine Stromversorgung aus. Schnell eroberte er Marktanteile, doch Westinghouse wollte mehr: Er unterbot Edisons Angebote und versprach, Kraftwerke billiger zu bauen als sein Konkurrent.

    Thomas Alva Edison, Erfinder der Glühbirne, unterlag im „Stromkrieg“ seinen Rivalen Nikola Tesla und George Westinghouse.

    Thomas Alva Edison, geboren 1847 in Ohio, ist einer der bedeutendsten Köpfe am Beginn des Zeitalters der Elektrizität. Sein Gleichstrom ist dem Wechselstrom von Nikola Tesla allerdings unterlegen.

    Ein schmutziger Krieg um die Macht über das amerikanische Stromnetz folgte. Vertreter der Edison Electric Light Company lobbyierten in mehreren Bundesstaaten dafür, das Stromnetz auf eine Maximalspannung von 300 Volt zu limitieren. Das hätte die Verbreitung von Teslas 1000 Volt starkem Wechselstrom verhindert. Doch die Kampagne scheiterte.

    Besonders hitzig aber wurde über die Sicherheit des Stromnetzes diskutiert. Edisons Gleichstrom nutzte üblicherweise 110 Volt, was für Endverbraucher relativ gefahrlos war. Der von Tesla propagierte Wechselstrom reichte jedoch von 1000 Volt positiv bis 1000 Volt negativ. Die Gefahr war groß, dass sich Techniker beim Verlegen der Kabel versehentlich selbst unter Strom setzten – mit tödlichen Folgen.

    Stoff für Hollywood: Der Film „Edison – Ein Leben voller Licht“ bringt den Stromkrieg 2017 ins Kino.

    Edison und seine Teilhaber begannen eine neue Kampagne. Sie setzten die Medien darauf an, über tödliche Unfälle bei der Installation von Wechselstromleitungen zu berichten. Sie wurden auch selbst tätig: An Hunden demonstrierten Edisons Leute in seinem Labor in New Jersey vor Reportern die tödliche Wirkung von Wechselstrom.

    Doch bei Hunden machten sie nicht halt. Als im amerikanischen Strafsystem über eine „humanere“ Alternative zur Hinrichtung durch den Strang diskutiert wurde, brachten sie den elektrischen Stuhl ins Spiel. Edisons Unterstützer besorgten für das Auburn Prison in New York einen Generator von Westinghouse Electric, mit dessen Hilfe der Schwerkriminelle William Kemmler als erster Mensch auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wurde.

    Elektrischer Stuhl: Thomas Alva Edison schlägt vor, den Vorgang der Hinrichtung „to westinghouse“ zu nennen, um seinen Rivalen George Westinghouse zu verunglimpfen.

    Tod durch Wechselstrom: 1890 wird erstmals ein Mensch durch den elektrischen Stuhl exekutiert. Edison schlägt vor, diese Hinrichtungsform „to westinghouse“ zu nennen, um seinen Rivalen zu verunglimpfen.

    Tesla und Westinghouse wehrten sich. Mithilfe seiner neu erfundenen Tesla Coil demonstrierte der Erfinder 1891 öffentlich die Sicherheit seines Systems, indem er 250.000 Volt durch seinen Körper leitete und dabei unverletzt blieb.

    Zwei Jahre später illuminierte Westinghouse Electric die Weltausstellung in Chicago und beeindruckte die Besucherinnen und Besucher. Die hell erleuchteten Messegebäude verfehlten ihre Wirkung nicht: In einer Zeit, in der die Gesellschaft begeistert und neugierig auf die Technik der Zukunft schaute, erschien Wechselstrom als Türöffner zur Moderne. Edison hatte sich vergeblich um den Auftrag beworben.

    Die Weltausstellung in Chicago wird für Nikola Tesla und George Westinghouse zum Durchbruch im Kampf um die Elektrifizierung Amerikas.

    1893 stattet Westinghouse Electric die World's Columbian Exposition mit unzähligen Lampen aus. Farbige Glühbirnen illuminieren Wasserkaskaden, riesige Scheinwerfer strahlen in den Nachthimmel.

    Der letzte Dominostein fiel, als Erfinder Tesla eine Gruppe von Investoren überzeugte, ein gigantisches Wasserkraftwerk an den Niagarafällen mit Wechselstrom auszurüsten, um den Strom über den gesamten Bundesstaat New York zu transportieren. Mit der Eröffnung des Edward Dean Adams Kraftwerks war der Stromkrieg zwischen Thomas Alva Edison und Nikola Tesla sowie seinem Unterstützer George Westinghouse entschieden. Heute sind Wechselstromnetze weltweit der Standard, um Strom über weite Strecken zu übertragen.

    Heute ist Gleichstrom wieder gefragt – in der Energiewende

    Doch für manche Zwecke reichen Wechselstromnetze nicht aus. Und so spielt mehr als 130 Jahre nach dem Duell von Tesla und Edison plötzlich Gleichstrom wieder eine zentrale Rolle, genauer: Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ). In diesen Leitungen ist die Spannung weit höher, als es zu Edisons Zeiten möglich war. Damit sind sie ideal, um Strom über sehr weite Strecken verlustarm zu transportieren. Nach diesem Prinzip sollen Stromautobahnen wie Südlink und Südostlink Ökostrom aus dem Norden in alle Teile der Bundesrepublik transportieren; das Seekabel Nordlink verbindet schon jetzt die Stromnetze Norwegens und Deutschlands.

    „Grundsätzlich brauchen wir mehr Leitungen aufgrund der Energiewende“, sagt Albert Moser, Lehrstuhlinhaber für Übertragungsnetze und Energiewirtschaft an der RWTH Aachen. Deutschlands Stromnetz wurde einst lastnah an Kohle- und Kernkraftwerden im Westen und Süden gebaut. Jetzt, wo immer mehr Strom aus Onshore- und Offshore-Windparks im Norden stammt, muss er von dort in die Verbraucherzentralen mit der höchsten Last geleitet werden, also in den industriestarken Westen und Süden Deutschlands. Dafür braucht es die langen HGÜ-Trassen. An ihren Endpunkten speisen Konverter den Hochspannungsgleichstrom in das 380-Kilovolt-Drehstromnetz ein. Der Netzausbauplan sieht außerdem vor, die regionalen Wechselstromnetze auszubauen.

    Nikola Tesla: Ende des 19. Jahrhunderts liefert sich der geniale Erfinder einen harten Konkurrenzkampf mit Thomas Edison.

    Wie ein Magier tritt Nikola Tesla zeitweise auf, um für Wechselstrom zu werben. Beim Transport über mehrere Hundert Kilometer stoßen Wechselstromnetze allerdings an ihre Grenzen.

    HGÜ ist zum einen wirtschaftlicher als Wechselstromleitungen, um hohe Leistungen über weite Strecken zu transportieren. Zum anderen, sagt Moser, transportieren Erdkabel Gleichstrom besser als Wechselstrom. „Im Offshore-Bereich ist das ein Muss, wir können ja keine Freileitungen durchs Meer bauen.“

    Moser widerspricht der These, man könnte auf große HGÜ-Trassen und den kilometerlangen Stromtransport von Nord nach Süd verzichten, wenn man den Strom stattdessen lokal erzeugen würde, etwa mit Solaranlagen. „Für unsere Energiewende brauchen wir alle Potenziale. Wir können auf keines verzichten. Wir brauchen den Wind im Norden und Solar im Süden. Und selbst wenn wir alle Potenziale nutzen, müssen wir wahrscheinlich trotzdem noch Energie importieren.“

    Gleichstrom und Wechselstrom also. Ein Weg, der für Edison und Tesla noch undenkbar schien.

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