Pioniere der Klimaforschung

  • Search31.12.2020

Die CO2-Detektive

1856 weist Eunice Foote den Treibhauseffekt nach. 1896 sagt Svante Arrhenius die Erderwärmung voraus. 1958 beginnt Charles Keeling mit der CO2-Messung. Doch den wohl überraschendsten Beitrag zur Klimaforschung liefert 1982 ausgerechnet ein Ölkonzern aus den USA.

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    Von Volker Kühn

    Eunice Newton Foote – Die Mutter der Klimawissenschaft

    Eunice Newton Foote war noch vor zehn Jahren selbst in Fachkreisen unbekannt. Dabei hat die amerikanische Forscherin und Erfinderin schon 1856 die Bedeutung von CO2 für die Temperatur auf der Erde erkannt. Foote, geboren 1819 im US-Bundesstaat Connecticut, hatte zwei luftdicht verschlossene Glaszylinder in die Sonne gestellt. Einer enthielt das Gasgemisch der normalen Umgebungsluft, der andere ausschließlich CO2. In beiden befanden sich Thermometer. Während das im Luftzylinder nach kurzer Zeit auf 100 Grad Fahrenheit stieg (knapp 38 Grad Celsius), kletterte das im CO2-Zylinder auf 120 Grad Fahrenheit (49 Grad Celsius).

    Foote schloss daraus, dass sich die Erdatmosphäre umso stärker erwärmen müsse, je mehr CO2 sie enthielte. „Eine Atmosphäre dieses Gases würde unserer Erde eine hohe Temperatur verleihen“, erklärte Foote. „Und wenn sich, wie manche annehmen, die Luft in einem bestimmten Zeitraum ihrer Geschichte zu einem größeren Anteil mit ihm vermischt hätte, hätte dies zwangsläufig zu einer erhöhten Temperatur geführt.“

    Eunice Foote entdeckt den Treibhauseffekt. Doch dafür bekannt wird ein anderer

    Ihre Erkenntnisse fasste Eunice Foote in einem zweiseitigen Papier zusammen, das 1856 auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science vorgestellt wurde. Die renommierte wissenschaftliche Vereinigung existiert noch heute; sie gibt unter anderem das Magazin „Science“ heraus. Als Frau durfte Foote ihre Ergebnisse zu dieser Zeit allerdings nicht selbst vortragen. Stattdessen verlas sie der Physiker Joseph Henry. Mit Blick auf die Rolle von Frauen in der Wissenschaft erklärte er in einer Vorbemerkung: „Science was of no country and of no sex.“ („Die Wissenschaft kennt kein Land und kein Geschlecht.“)

    Als Eunice Foote 1888 starb, war ihre Bedeutung für die Klimaforschung längst vergessen. Stattdessen galt bis vor wenigen Jahren der Ire John Tyndall als Entdecker des Treibhauseffekts. Er publizierte seine Erkenntnisse allerdings erst drei Jahre nach Foote. Dass er ihre Arbeiten kannte, gilt als wahrscheinlich – namentlich zitiert hat er Foote allerdings nie. Ihr Beitrag wurde erst 2010 zufällig wiederentdeckt. 2018 widmete sich ein Symposium der University of California in Santa Barbara ausführlich ihrer Leistung als „Mutter der Klimaforschung“.

    Der folgende Kurzfilm beschreibt, wie schwer es Foote als Wissenschaftlerin Mitte des 19. Jahrhunderts hatte, ihrer Stimme Gehör zu verschaffen.

    Der Kurzfilm „Eunice“ von 2018 schildert in knapp zwölf Minuten die wissenschaftliche Leistung von Eunice Newton Foote.

    Svante Arrhenius beschreibt die menschengemachte Erderwärmung

    Der schwedische Chemiker und Physiker Svante Arrhenius (1859–1927) ging einen Schritt weiter als Eunice Foote und John Tyndall. Er erkannte, dass der Mensch das Klima auf der Erde durch das Verbrennen fossiler Rohstoffe wie Kohle und Öl aktiv beeinflusst. Bereits 1896 sagte er eine globale Erwärmung aufgrund des steigenden CO2-Gehalts in der Atmosphäre voraus. Allerdings ging er von einem sehr langsamen Temperaturanstieg aus. Arrhenius rechnete die Treibhausgasemissionen von Ende des 19. Jahrhunderts in die Zukunft fort. Auf dieser Basis nahm er an, dass der Anstieg erst in einigen Jahrhunderten überhaupt messbar sein würde. Bis zu einem Anstieg um fünf oder sechs Grad würden drei Jahrtausende vergehen.

    Arrhenius begreift die Aussicht auf einen Klimawandel 1896 noch als Chance

    Tatsächlich sind die CO2-Emissionen seit seiner Prognose aber deutlich schneller gewachsen. Die Temperaturen haben sich im globalen Mittelwert bereits jetzt um rund ein Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter erhöht. Arrhenius, ein entfernter Verwandter von Greta Thunberg, sah die globale Erwärmung zudem weniger als Risiko denn als Chance. Künftigen Generationen werde es möglich sein, „unter einem wärmeren Himmel“ zu leben. Die Erntemengen könnten sich vervielfachen.

    Das schmälert Arrhenius' wissenschaftliche Leistung allerdings nicht. In seinem über Monate von Hand durchgerechneten Klimamodell berücksichtigte er sogar Faktoren wie den Albedo-Effekt, also die Reflexion des auf die Erde einwirkenden Sonnenlichts durch die polaren Eiskappen.

    Svante Arrhenius: Der schwedische Chemie-Nobelpreisträger sagte als einer der ersten den Klimawandel aufgrund menschengemachter Treibhausgasemissionen voraus.

    Svante Arrhenius, ein entfernter Vorfahr der Klimaaktivistin Greta Thunberg, erkannte 1896, dass der Mensch durch das Verbrennen von Kohle und Öl das Klima verändert.

    Charles Keeling und die Fieberkurve des Planeten

    60 Jahre nachdem Svante Arrhenius die Folgen der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen beschrieben hatte, begann der junge US-Klimaforscher Charles D. Keeling (1928–2005) mit einer präzisen Langzeitmessung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Er baute dazu 1957/58 eine knapp 3400 Meter hoch gelegene Forschungsstation auf dem Berg Mauna Loa auf Hawaii auf. Den Ort hatte Keeling gewählt, weil er sich weit weg von störenden CO2-Quellen befindet, die seine Ergebnisse verfälschen könnten. Weitere Messungen nahm er unter anderem in der Antarktis vor.

    Keeling-Kurve: Die Grafik zeigt den Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre zwischen1958 und November 2020. Aktuell beträgt der Gehalt knapp 415 ppm.

    Seine Langzeitmessung, die als Keeling-Kurve bekannt wurde, zeigt einen kontinuierlichen Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre. Sie ist damit einer der wichtigsten Belege für den Einfluss des Menschen auf die globale Erwärmung. Bis dahin war der Anstieg nur eine wissenschaftliche Hypothese. Der renommierte Physiker Charles Kennel erklärte dazu: „Charles David Keelings messtechnische Belege des globalen Anstiegs der atmosphärischen Kohlenstoffdioxid-Konzentration waren der Ausgangspunkt für die heutigen großen Sorgen wegen der globalen Erwärmung. Es ist der wichtigste Umweltdatensatz des 20. Jahrhunderts.“

    Der US-Klimaforscher Charles D. Keeling hat die sogenannte Keeling-Kurve entwickelt: eine grafische Darstellung der CO2-Konzentration in der Atomosphäre.

    Der Klimaforscher Charles D. Keeling im Jahr 2004: Seine Arbeit auf Hawaii wird heute von seinem Sohn Ralph F. Keeling fortgesetzt.

    M. B. Glaser: Der Exxon-Manager, der die Erderwärmung vorhersagte

    Auf den Ergebnissen von Pionieren wie Arrhenius und Keeling bauten in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche andere Wissenschaftler auf. Eine erstaunlich exakte Prognose des weiteren Verlaufs der Erderwärmung kam dabei Anfang der Achtziger ausgerechnet aus der Forschungsabteilung des US-Ölkonzerns Exxon, der heute unter ExxonMobil firmiert. Am 12. November 1982 schickte M. B. Glaser, der für Umweltfragen zuständige Manager des Konzerns, ein Memo an die Geschäftsführung, das den Betreff „CO2, ,Treibhauseffekt‘“ trug.

    Darin beschreiben die Exxon-Forscher, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre in den zurückliegenden 25 Jahren um rund acht Prozent auf inzwischen 340 ppm gestiegen sei. Damit habe sich ein Trend beschleunigt, der mit Beginn der industriellen Revolution eingesetzt habe. Ursache dafür seien unter anderem die Verbrennung von Erdöl und die Vernichtung von Urwäldern. Bis etwa zum Jahr 2090 werde sich der CO2-Gehalt verdoppeln. Den Exxon-Prognosen zufolge würde dies zu einem Temperaturanstieg zwischen 1,3 und 3,1 Grad Celsius führen.

    Exxon knew: In einem internen Bericht prognostizierte Exxon-Manager M. B. Glaser schon 1982 die Folgen des menschengemachten Klimawandels durch die Verbrennung von Öl und Gas.

    Das komplette Exxon-Memo von M. B. Glaser hat die Website Climatefiles.com hier veröffentlicht. Das Management des Ölkonzerns dagegen hielt den Bericht unter Verschluss; zu heikel war offenbar sein Inhalt. Die Prognosen von 1982 decken sich bis heute überraschend genau mit den Messergebnissen von Klimaforschern.

    Konsequenzen im Sinne einer nachhaltigen Verringerung seiner Treibhausgasemissionen oder gar der Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells zog der Konzern allerdings nicht. Zeitungsanzeigen von Exxon schürten vielmehr Zweifel an der Klimaforschung. Als Konkurrenten bereits begannen, in alternative Energien zu investieren, lag der Fokus von Exxon weiterhin auf Öl und Gas.

    Für Aufsehen sorgte Ende 2019 Alexandria Ocasio-Cortez, Nachwuchshoffnung des linken Flügels der US-Demokraten, die sich in einer Anhörung frühere Exxon-Forscher vorknöpfte (ein Video davon gibt es hier). Darin präsentiert sie ihnen Glasers Memo mitsamt seiner exakten Prognosen. „Wir waren exzellente Wissenschaftler“, stellt einer von ihnen trocken fest.

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