Schlüsseltechnologie der Energiewende

  • Search11.04.2025

Trafos – der versteckte Flaschenhals

Der Ausbau der Stromnetze, der KI-Boom und Russlands Krieg gegen die Ukraine treiben den Bedarf nach Leistungstransformatoren in die Höhe. Doch die Hersteller erweitern ihre Kapazitäten nur langsam.

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    Heiß begehrte Mangelware: Leistungstransformatoren wie hier in Schleswig-Holstein ermöglichen den effizienten Transport von Strom.

    Heiß begehrte Mangelware: Leistungstransformatoren wie hier in Schleswig-Holstein ermöglichen den effizienten Transport von Strom.

     

    Von Daniel Hautmann

    Sie sind groß wie ein Einfamilienhaus, 350 Tonnen schwer und teuer wie eine Luxusjacht: Der Bau von Leistungstransformatoren ist eine Kunst, die nur wenige Unternehmen weltweit beherrschen. Warum das so ist, erklärt ein Blick in das Innenleben der Kolosse. 18 Kilometer Kupferdraht schlängeln sich darin um Tausende hauchdünne Bleche aus sündhaft teurem Spezialstahl, die einen tonnenschweren Magnetkern bilden. Solche Trafo-Kunstwerke werden in wochenlanger Handarbeit gefertigt.

    Für die Energiewende sind die Anlagen unerlässlich. Sie werden gebraucht, um große Strommengen von einer Spannungsebene auf eine andere umzuwandeln. Man findet sie in Offshore-Windparks ebenso wie entlang der Stromautobahnen, die Energie quer durch Europa transportieren. Das Problem: Leistungstransformatoren sind Mangelware, wie ein Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) zeigt.

    Der Bedarf steigt, aber die Produktionskapazitäten können nicht mithalten. So heißt es in dem Bericht: Die durchschnittlichen Vorlaufzeiten für große Leistungstransformatoren haben sich seit 2021 fast verdoppelt. Die hohe Nachfrage hat auch die Preise erheblich in die Höhe getrieben. Der IEA zufolge sind sie seit 2019 um rund 75 Prozent gestiegen.

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    Leistungstransformatoren sind derzeit die am stärksten unterversorgte kritische Stromnetzausrüstung

    Edvard Christoffersen, Analyst von Rystad Energy

    „Die Transformatorenbranche steht unter einem noch nie dagewesenen Druck“, wird der Analyst Edvard Christoffersen von Rystad Energy in der „Financial Times“ zitiert. Er schätzt, dass Lieferengpässe mindestens bis Ende 2026 andauern werden: „Leistungstransformatoren sind derzeit die am stärksten unterversorgte kritische Stromnetzausrüstung.“

    Auch der Krieg treibt den Bedarf – weil Russland die Infrastruktur zerstört

    In den USA und Europa kommt erschwerend hinzu, dass Tausende Transformatoren altersbedingt ersetzt werden müssen. Die Lebenszeit der Bauteile beträgt etwa 40 Jahre. Allein das wäre ein Riesenmarkt. Hinzu kommt der durch die globale Energiewende angefeuerte Bedarf.

    Doch das ist noch nicht alles. „Die Nachfrage ist nicht nur wegen der Energiewende hoch, sondern auch wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Die Reparatur der dortigen Infrastruktur ist auf Transformatoren angewiesen. Diese Nachfrage kann sich schnell ändern, wenn der Krieg beendet wird und die tägliche Bombardierung von Energieinfrastruktur aufhört. Auch wegen dieser Unsicherheit kann man nicht einfach Kapazitäten ausbauen“, sagt ein Sprecher des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) gegenüber EnergieWinde.

    Die Energiewende, der KI-Boom und der Krieg in der Ukraine treiben den Bedarf an Leistungstransformatoren in die Höhe.

    Umspannplattform in der Nordsee: Die Anlage wandelt den Wechselstrom der Windräder in Gleichstrom um, damit er ohne größere Verluste ans Festland transportiert werden kann.

    Besonders für die Energiewende sind Transformatoren wichtig. Sie ermöglichen es, die erzeugte Leistung effizient über weite Strecken zu transportieren – etwa von der Nordsee quer durch Deutschland bis in die süddeutschen Verbrauchszentren. Speziell Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Verbindungen (HGÜ) sind Schlüsselelemente.

    „HGÜ-Transformatoren sorgen im Inneren der Umrichterstation dafür, dass der Strom, der zum Beispiel aus den Windparks eingespeist wird, auf die notwendige Übertragungsspannung angehoben und in der Empfänger-Konverterstation dann wieder abgesenkt wird, um den Strom dann in das dortige Netz einzuspeisen“, sagt Sabrina Manschek, Leiterin der Abteilung Portfoliomanagement und Strategieentwicklung für Stromnetz-Technologien bei Siemens Energy, im Gespräch mit EnergieWinde.

    Trafos existieren in allen Größen. Sie finden sich selbst in Wohnungen

    Genau genommen stecken zwischen Kraftwerk und der heimischen Steckdose sogar jede Menge Transformatoren. Sie stehen in den Windrädern selbst, sind am Anfang und Ende von Hochspannungstrassen verbaut, und man findet sie nicht zuletzt auch in den Häusern und Wohnungen, wo kleine Trafos etwa die Spannung von den üblichen 230 Volt auf ein niedriges Niveau senken, beispielsweise zum Laden eines Smartphones. „Trafos sind wichtige Knotenpunkte in unserem Stromnetz, dem Rückgrat unserer Energieversorgung“, sagt Manschek.

    Wie hoch der Bedarf bis 2045 sein wird, haben Spezialisten der Bergischen Universität Wuppertal ermittelt. Der Technologiebedarf ist nicht nur im Übertragungsnetz, sondern auch in den Verteilnetzen groß, so das Ergebnis der Forschenden. Er entspricht laut Studie 50 bis 80 Prozent der aktuell verbauten Betriebsmittel. Das bedeute rund eine halbe Million Transformatoren für die Umspannung von der Mittel- auf die Niederspannung. Die Anzahl entspreche knapp 80 Prozent des Bestands. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Transformatoren für die Umspannung von der Hoch- auf die Mittelspannung: Mehr als 5000, knapp 70 Prozent des Bestands, müssten neu errichtet, aufgerüstet oder ersetzt werden.

    Angesichts des enormen Bedarfs, stellt sich die Frage, weshalb die Hersteller nicht kurzerhand aufrüsten und ihre Kapazitäten ausbauen. Das lässt sich schnell beantworten:

    • Die Kosten für sind enorm. Rund die Hälfte machen die Materialkosten aus: Vor allem Kupfer und das sogenannte GOES-Elektroblech für den Kern. Ferner Isolations- und Kühlöl.
    • Dazu addieren sich die Personalkosten in den manufakturartigen Fabriken.
    • Neue Produktionskapazitäten sind nicht mal eben aufgebaut – das dauert Jahre.
    • Zudem sind hohe Investitionen nötig.
    • Ferner gibt es nur wenige Hersteller, die die großen Trafos überhaupt liefern können, darunter Siemens Energy, Hitachi, GE Vernova und die China Electric Equipment Group.

    Zwar erweitern die Hersteller ihre Kapazitäten, das allerdings eher zurückhaltend. Siemens Energy etwa hat im vergangenen Frühjahr angekündigt, 150 Millionen Dollar in den Ausbau des Standorts Charlotte in North Carolina zu investieren. Im Sommer erfolgte der Spatenstich für die Erweiterung der Kapazitäten in der Steiermark. Hitachi Energy investiert allein in die Erweiterung der Transformatorenfabrik in Bad Honnef über 30 Millionen Euro.

    Der Bedarf könnte nach dem Krieg abebben. Das erschwert die Planung

    Doch all das wird den Hunger kaum stillen, denn da ist noch etwas. Andreas Schierenbeck, Chef von Hitachi Energy, einem der weltgrößten Trafo-Lieferanten, sagte der „Financial Times“, dass die Hersteller kaum in der Lage sein werden, ihre Produktion schnell genug zu steigern, um die Nachfrage nach einer Aufrüstung der Stromnetze zu befriedigen, da die Versorgung durch den wachsenden Bedarf an Rechenzentren für generative künstliche Intelligenz belastet wird.

    Auf die Frage, weshalb die Kapazitäten nicht zügiger ausgebaut werden, hat Andreas Jahn, Energiespezialist beim Regulatory Assistance Project (RAP), einem mit Agora Energiewende assoziierten Thinktank, eine Antwort: „Mir hat man mal erklärt, dass die Herstellungskapazitäten auf den laufenden Bedarf eingerichtet sind. Der hat sich zum einen durch den Krieg in der Ukraine erhöht, aber auch durch die Energiewende, beziehungsweise den Netzausbau. Jedoch zögern die Hersteller bisher, mehr Kapazitäten zu errichten, da diese nach der Transformationsphase nicht mehr benötigt werden.“

    Bis Bedarf und Nachfrage im Einklang stehen, wird es wohl noch dauern.

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