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Stromleitung in Brandenburg: Mit der passenden Kombination aus unterschiedlichen Stromquellen und Speichern lassen sich die Netze besser auslasten.
Von Daniel Hautmann
Das deutsche Stromnetz misst 1,9 Millionen Kilometer. Das entspricht fünfmal der Strecke von der Erde zum Mond. Ob das viel oder wenig ist, hängt von der Perspektive ab. Denn einerseits ist das Netz zu klein, um all die neuen Wind- und Solarparks anzuschließen, sodass es für viel Geld erweitert werden muss. Doch andererseits ist es größer als nötig, schließlich sind die teuren Leitungen längst nicht immer ausgelastet.
Doch es gibt eine Antwort auf diese paradox anmutende Situation: die sogenannte Überbauung.
Dabei werden Kraftwerke ans Netz angeschlossen, die zusammen mehr Strom produzieren können, als die Leitungen abzutransportieren in der Lage sind. Der Clou dabei: Es werden Kraftwerke kombiniert, die nur selten zur selben Zeit auf Hochtouren laufen, Windräder und Solaranlagen etwa. Denn Erstere liefern oft nachts und im Herbst oder Winter ihren Hauptertrag liefern, Letztere zur Mittagszeit und im Sommer.
Überbauung kann die Energiewende massiv beschleunigen – und Geld sparen
Wie groß das Potenzial dieses Ansatzes ist, zeigt eine Studie zu sogenannten Netzverknüpfungspunkten, die der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) gemeinsam mit Partnern erstellt hat. Demnach könnte die Überbauung die Energiewende massiv beschleunigen und zugleich Kosten sparen.
Netzverknüpfungspunkte, kurz NVP, sind zentrale Schaltstellen und spielen eine entscheidende Rolle bei der Stromübertragung. Sie dienen als physische Verbindungen zwischen verschiedenen Stromerzeugern, unterschiedlichen Spannungsebenen und den Verbrauchern. Ein typisches Beispiel sind Umspannwerke. „Im Prinzip ist fast jeder Hausanschluss, jeder Trafo, jede Fabrik und jedes EE-Projekt über einen NVP mit dem öffentlichen Stromnetz verbunden“, sagt Matthias Stark, Leiter des Fachbereichs Erneuerbare Energiesysteme beim BEE, im Gespräch mit EnergieWinde.
Die hohen Anschlusskosten verhindern mitunter Projekte. Das soll sich ändern
Erneuerbare-Anlagen werden in der Regel über eigene NVP angeschlossen. Oft sei der nächste freie NVP zehn oder mehr Kilometer entfernt und ende an Hoch- oder Höchstspannungsknoten. Das verlängere die Realisierungszeit und führe schlimmstenfalls zu massiven Kostensteigerungen, sodass kleinere Projekte wirtschaftlich nicht tragbar seien, heißt es in der Studie.
Die Überbauung könnte Abhilfe schaffen. Konkret werden dabei Anschlüsse mit Erzeugungskapazitäten von 200 und mehr Prozent überbelegt. „Mit einer Überbauung wird eine größere Anschlussleistung ermöglicht“, erklärte BEE-Präsidentin Simone Peter bei der Vorstellung der Studie. Künftig könnten also mehrere Erzeuger, Speicher und Anlagen zur Sektorenkopplung an einen NVP angeschlossen werden.
„Wir nutzen die Möglichkeit aus, dass wetterbedingt solare Strahlung und Windkraft zu unterschiedlichen Zeiten Energie erzeugen und damit auch so ein Netzverknüpfungspunkt unterschiedlich genutzt werden kann“, sagte Peter. Es bleibe sogar noch genügend Kapazität frei, um auch Back-up-Kraftwerke anzuschließen, etwa flexible Biogasanlagen oder Wasserkraftwerke, die bei Stromengpässen wie einer Dunkelflaute einspringen.
Dies sei ein regelrechter Gamechanger: Der Anschluss wird beschleunigt, die Kosten werden reduziert.
Die Überbauung war bereits Thema im Bundestag. „Der BEE wird hier gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und der Bundesnetzagentur versuchen, kurzfristig einen Mustervertrag für die Überbauung zu realisieren, sodass eine einheitliche vereinfachte Möglichkeit zur Überbauung besteht“, sagt Stark.