Offshore-Wind in Südosteuropa

  • Search04.02.2021

Gamechanger am Schwarzen Meer

Noch dominieren Kohle und Gas den Strommix in Bulgarien, Rumänien, Griechenland und der Türkei. Künftig könnte Offshore-Wind ihre Rolle übernehmen, sagt Christian Egenhofer. Im Interview erklärt der Politikforscher, warum die Region an der Technologie nicht vorbeikommt.

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    Herr Egenhofer, Südosteuropa wird bislang nicht mit Offshore-Wind in Verbindung gebracht. Trotzdem sehen Sie darin die Zukunft der Region – warum?
    Christian Egenhofer: Der Grund ist ganz einfach: Die Kohle in Südosteuropa stirbt nicht – sie ist schon tot. Diese Lücke muss geschlossen werden. Das geht mit Gas oder eben mit Offshore-Windenergie. Wenn sich die Länder für Gas entscheiden, dann stehen wir in 20 Jahren wieder vor derselben Situation. Deshalb sollte man sich genauer anschauen, wo die Potenziale für Windparks liegen. Die Offshore-Windenergie könnte ein Gamechanger für die ganze Region sein. Auch mit Blick auf die Kohlereviere. Da kann Offshore-Wind auch neue Perspektiven bieten. Wir haben andernorts gesehen, dass neue Industrie dort entsteht, wo alte verschwindet.

    Gibt es entsprechende Pläne?
    Egenhofer: Es gab innerhalb der CESEC [Central and South Eastern Europe Energy Connectivity, Arbeitsgruppe unter dem Dach der EU-Kommission] schon einige Überlegungen. Dort wird auch über Offshore-Wind diskutiert, allerdings nur von einzelnen Akteuren.

    Christian Egenhofer vom Thinktank Centre for European Policy Studies (CEPS) erklärt das Potenzial von Offshore-Wind am Schwarzen Meer.

    Der Politikforscher Christian Egenhofer (61) leitet das Energy Climate House am Centre for European Policy Studies (CEPS) in Brüssel. Der 1983 gegründete Thinktank betreibt Politikforschung in Feldern wie Energie und Klima, Wirtschaft und Finanzen oder Bildung. Egenhofer ist zudem Gastprofessor an mehreren Universitäten. Er ist auf die EU-Energie- und Klimapolitik spezialisiert.

    Der erste Offshore-Windpark ist schon vor 30 Jahren ans Netz gegangen. Woran hapert es im Schwarzen Meer bislang?
    Egenhofer: Zum einen fehlt oft der politische Wille, zum anderen die Kapazität einiger Länder. Manche schaffen es schlicht nicht, solche Pläne voranzutreiben. Es gibt zudem in einigen Regionen instabile politische Systeme und Korruption. Diese Mischung hält einige Länder und auch internationale Investoren zurück.

    Wären die Länder also gar nicht in der Lage, eine eigene Offshore-Industrie aufzubauen?
    Egenhofer: Da gibt es große Unterschiede. In einigen Ländern gibt es durchaus großes Potenzial. Rumänien hat beispielsweise im Energiebereich sehr viel Kapazität, weil es Öl und Gas fördert. Dort gibt es entsprechend viel Kompetenz. Dort und auch in Bulgarien ist zudem die IT extrem gut entwickelt. Diese Bereiche sind zwar alle privat, könnten aber sicherlich genutzt werden.

    Gehören diese Länder damit zu den Vorreitern in der Region?
    Egenhofer: Auf jeden Fall. In Rumänien steht der größte Onshore-Windpark Europas. Dort gibt es generell viel erneuerbare Energien. Und auch in Bulgarien sieht es nicht schlecht aus. Genauso wie in Griechenland, das einen unglaublich ambitionierten Kohleausstieg bis 2028 plant. Und diese Lücke muss geschlossen werden. Dadurch ist großes Potenzial da. Auch wenn es in Griechenland wohl mehr Solaranlagen geben wird. Die Frage in der Region ist aber, wie sich die Rahmenbedingungen anpassen. Wenn ein Land erst einmal startet, dann passiert auch in anderen etwas.

    Strommix in Griechenland, der Türkei, Rumänien und Bulgarien: Die Infografik zeigt den Anteil der Energieträger an der erzeugten Elektrizität laut IEA 2020.

    Nicht alle Länder der Region haben Zugang zum Meer. Würden auch Serbien oder Nordmazedonien profitieren?
    Egenhofer: Davon gehen wir stark aus. Das beste Beispiel dafür sind die Luxemburger, die von Anfang an dabei sein wollten in Sachen Offshore-Wind. Und das, obwohl sie keinen Meereszugang haben. Sie sind aber ein Abnehmer der Windenergie. Es gibt Überlegungen in Ungarn und der Slowakei, ob man sich an einer möglichen Offshore-Entwicklung im Schwarzen Meer beteiligen soll. Das sind allerdings Ideen, die von Einzelnen vorangetrieben werden.

    Würde auch die restliche EU von Offshore-Wind aus dem Schwarzen Meer profitieren?
    Egenhofer: Klar. Die Länder müssten ja viel stärker kooperieren. Hier hätte Offshore-Wind den wohl direktesten Einfluss. Es gab in der Region schon immer Diskussionen über Interkonnektoren, also Verbindungen über die Ländergrenzen hinweg. Das ist bislang aber an nationalen Interessen gescheitert. Eine große Offshore-Anlage im Schwarzen Meer würde aber nur Sinn ergeben, wenn die Energie weitertransportiert werden würde. Eine Studie der Eidgenössischen Technische Hochschule Zürich zusammen mit dem Imperial College in London hat gezeigt, dass die Muster, wie die Winde wehen, zwischen der Nordsee und dem Schwarzen Meer weitgehend komplementär sind. Man kann sich auch vorstellen, dass dadurch automatisch stabilitätsstiftende Verbindungen entstehen. Und die Infrastruktur würde der Marktintegration der Länder einen Schub geben, die ein großes Ziel der EU ist. Die lässt nämlich noch sehr zu wünschen übrig. Und nicht zuletzt wäre der grüne Strom für die Klimapläne der EU wichtig.

    Die Region wird von mehreren Seiten beeinflusst. Wie betrifft das mögliche Offshore-Pläne?
    Egenhofer: China treibt in der Region noch die Kohle voran, die Russen das Gas. Die Türken sind am Stromhandel interessiert. Es wird sich jetzt zeigen müssen, ob die Ankündigung von US-Präsident Joe Biden, Offshore-Wind auszubauen, nur für die USA gilt oder ob er die Industrie weltweit vorantreiben möchte, was dann einen Einfluss auf die Gasstrategie der USA auch in Südosteuropa hätte.

    In China gibt es aber inzwischen eine hoch entwickelte Offshore-Industrie. Der Turbinenbauer Mingyang hat kürzlich angekündigt, Italiens ersten Offshore-Windpark auszurüsten. Wäre es möglich, dass die Industrie in Südosteuropa von China aufgebaut wird?
    Egenhofer: Das wäre möglich. Aber der Einfluss der USA erschwert es China, Fuß zu fassen. Und die USA setzen aktuell weiter auf Gasexporte.

    Sie haben auch die Türkei erwähnt. Dort wurde Anfang 2018 ein riesiger Offshore-Windpark angekündigt – passiert ist bislang nichts.
    Egenhofer: Die Türkei setzt bei ihrer Strategie aber nach wie vor stark auf Erneuerbare. Die Offshore-Windenergie ist bislang allerdings an der Politisierung und an den zu strengen Local-Content-Regelungen gescheitert. Denn ein großer Markt wie die Türkei schreibt den Investoren in der Regel vor, wie stark nationale Unternehmen am Bau der Windparks beteiligt werden müssen. Können die das nicht leisten, werden Investitionen schwierig. Ich glaube aber trotzdem, dass in der Türkei noch etwas passieren wird, wenn die Politik zu realistischeren Vorstellungen kommt. Grundsätzlich ist dort großes Interesse vorhanden.

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    Wir haben jetzt die nationalen Energie- und Klimapläne, die noch einmal überarbeitet werden. Die kann niemand halbwegs glaubwürdig gestalten ohne Offshore-Wind

    Christian Egenhofer

    Könnte die Türkei damit zum Vorbild für andere Länder werden?
    Egenhofer: Bulgaren, Rumänen und Griechen brauchen keine Vorbilder. Die haben ihre Erneuerbaren im Griff. Rumäniens Hidroelectrica hat angekündigt, bis 2026 insgesamt 300 Megawatt in Offshore-Wind zu investieren. Was im Weg steht, sind politische Hürden. Noch fehlen die konkreten Pläne. Wir haben jetzt die nationalen Energie- und Klimapläne, die noch einmal überarbeitet werden. Und die kann niemand halbwegs glaubwürdig gestalten ohne Offshore-Wind. Das neue Klimaziel von 55 Prozent Treibhausgasreduzierung wird den Unterschied ausmachen.

    Die Fragen stellte Robert Otto-Moog.

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