Kohlekraftwerk im ukrainischen Burschtyn: Der Schadstoffausstoß sprengt alle Grenzwerte.
Von Artur Lebedew
Der Staub in Oleksij Olijniks Wohnung ist überall. Er klebt auf Fenstern, kriecht in Bildschirmritzen, haftet an Wassergläsern, die gerade erst gespült wurden. „Gegen den Staub ist nichts zu machen. Da kannst du so viel putzen, wie du willst“, sagt Olijnik mit träger Stimme. Er wischt mit einem nassen Tuch die Tassen nach und serviert Kaffee.
Vor seiner Wohnung in Burschtyn, einer Stadt mit 15.000 Einwohnern im Westen der Ukraine, riecht es, als hätte jemand einen Gummireifen angezündet. Irgendwo bellen Hunde, milchiger Smog hängt in der Luft. Dabei ist heute nicht mal einer der schlimmsten Tage, sagt Olijnik. An fünf bis sechs Tagen im Monat ist der Gestank so penetrant, dass er nicht schlafen kann. Er wälzt sich dann im Bett und wartet, dass es Tag wird.
Der Chemiker fühlt sich in seiner Stadt verwurzelt, hier ist er aufgewachsen, gleich um die Ecke mietet er Räume für eine IT-Firma. Der Ort ist seit 1964 auch die Heimat eines der größten Kohlekraftwerke des Landes, der Burschtynskyj TES: zwölf Blöcke, mit einer Kapazität von 2400 Megawatt, Eigentum von Rinat Achmetow, dem reichsten Mann in der Ukraine. Wie ein Schloss thront die Anlage hinter dem Wald am Horizont. Der Staub und der Gestank, ist Olijnik überzeugt, kommen von dort.
Von seiner Datscha schaut der 40-Jährige auf die Schornsteine des Meilers. „Es macht mich wütend, wenn ich den schwarzen Rauch sehe.“ Vor fünf Jahren installierte er Kameras und Messgeräte, um die Schwaden und die Luftqualität zu dokumentieren. Sein Ergebnis: Die Feinstaubmenge überstieg die Grenzwerte der EU bei Weitem. Dem regionalen Portal Varianty.lviv.ua zufolge hat das Kohlekraftwerk allein 2018 183.000 Tonnen Schadstoffe in die Luft geblasen.
Die Menschen werden krank – aber kaum jemand hinterfragt die Kohlekraft
Von den zehn dreckigsten Kohlekraftwerken in Europa stehen acht in der Ukraine, so das Ergebnis einer Untersuchung des britischen Thinktanks Ember. Demnach gehen 72 Prozent der Flugasche, 27 Prozent des Schwefeldioxids und 16 Prozent der Stickoxide in Europa auf das Konto der ukrainischen Kohle. Eine vernichtende Bilanz für ein Land, das etwa halb so viele Einwohner hat wie Deutschland.
Der ukrainische Thinktank Ekodia macht die Kohlekraftwerke allein 2019 für den Tod von 3300 Ukrainern und 1300 Menschen in angrenzenden Ländern verantwortlich. Würden die Meiler die nationalen Grenzwerte einhalten, blieben jährlich 2000 Erwachsene von chronischer Bronchitis verschont. Die Wirtschaft käme auf 800.000 Fehltage weniger.