Kampf gegen den Klimawandel

  • Search17.04.2025

Wer ist hier verantwortlich?

Mehr als die Hälfte des globalen CO2-Ausstoßes geht auf das Konto von nur 36 Konzernen. Sie besitzen folglich den größten Hebel für wirksamen Klimaschutz. Aber ist der Einzelne damit raus aus der Verantwortung?

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    Bundesumweltminister Jürgen Trittin wirbt 2004 dafür, Energie zu sparen: „Klimaschutz liegt in Ihrer Hand.“

    „Klimaschutz liegt in Ihrer Hand“: Mit dieser Kampagne warb der Umweltminister Jürgen Trittin 2004 dafür, Energie zu sparen. Wenn es nur so einfach wäre.

     

    Von Volker Kühn

    Wenn jeder seinen Teil beisteuert, ist eine Aufgabe schneller erledigt, das lernen schon Kindergartenkinder. Es ist ein Appell an den Gemeinsinn und die individuelle Verantwortung zugleich. Jeder bringt seine Spielsachen zurück in den Schrank, und schon ist der Kindergarten aufgeräumt.

    Auch die Politik bedient sich dieses Appells. Kampagnen für einen verantwortungsvollen Umgang mit unseren Mitmenschen, öffentlichen Gütern oder der Natur finden sich überall:

    • Wir sind aufgerufen, Wertstoffe zum Recyclinghof zu bringen, damit die Umwelt sauber bleibt und uns die Rohstoffe nicht ausgehen.
    • Wir sollen Gas sparen, damit Deutschlands Speicher nicht leerlaufen.
    • Wir werden an Vorsorgeuntersuchungen erinnert, damit es uns gut geht – das auch –, aber nicht zuletzt, um die Kosten im Gesundheitswesen nicht vollends ausufern zu lassen.

    Der Klassiker ist das Schild an öffentlichen Toiletten: „Bitte hinterlassen Sie diesen Raum so, wie Sie ihn selbst vorzufinden wünschen.“

    Manchmal gibt es Belohnungen dafür, Rabatte bei der Krankenkasse etwa, oft bleibt es beim Appell an Nächstenliebe oder Bürgersinn. Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden.

    Ausgerechnet BP macht den CO2-Rechner populär. Wohl nicht zufällig

    Allerdings lassen sich solche Appelle auch missbrauchen. Sie können ein Instrument sein, um davon abzulenken, wer wirklich die Verantwortung für eine Aufgabe trägt. Ein Beispiel dafür ist das Konzept des ökologischen Fußabdrucks. Erfunden haben es der Schweizer Nachhaltigkeitsforscher Matthis Wackernagel und der kanadische Ökologe William Rees in den Neunzigern. Sie wollten verdeutlichen, dass der Mensch über seine Verhältnisse lebt. Jahr für Jahr verbraucht er mehr natürliche Ressourcen, als sich im selben Zeitraum regenerieren können. Das Wissen um ihren ökologischen Fußabdruck sollte die Menschen zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit dem Planeten anhalten.

    Bekannt gemacht hat das Konzept allerdings ausgerechnet ein Konzern, dem man mit ökologischem Bewusstsein eher nicht in Verbindung bringt: der Mineralölkonzern BP, bekannt für Ölkatastrophen wie die Explosion der Bohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko.

    BP verbinden viele eher mit Ölkatastrophen wie der Explosion der Deepwater Horizon als mit Ökobewusstsein. Warum hat ausgerechnet BP den CO2-Rechner populär gemacht.

    Der Untergang der BP-Plattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko 2010 war eine der größten Ölkatastrophen der Geschichte.

    BP stellte einen CO2-Rechner ins Internet, mit dem jeder seinen individuellen CO2-Ausstoß errechnen kann. „It´s time to go on a low-carbon diet“, erklärte der Konzern. („Es ist Zeit für eine kohlenstoffarme Diät“). Er gab sich damit nicht nur einen grünen Anstrich, sondern wälzte die Verantwortung für den CO2-Ausstoß und damit den Klimawandel aufs Individuum ab. Statt über die Hunderte Millionen Tonnen CO2 zu sprechen, die BP in die Luft blies, versuchten die Menschen, zumindest ein wenig von ihren eigenen zehn oder zwölf Tonnen herunterzukommen.

    Dabei ist der Anteil von Unternehmen um ein Vielfaches größer. 2023 waren Berechnungen des Thinktanks CarbonMajors zufolge 36 Konzerne weltweit für mehr als die Hälfte der globalen Treibhausgase verantwortlich. Andere Studien sprechen von 100 Unternehmen, die 70 Prozent der Emissionen verursachen. Die Liste wird angeführt von dem saudi-arabischen Ölkonzern Saudi Aramco. Wäre das in Staatsbesitz befindliche Unternehmen ein Land, würden nur China, die USA, und Indien seine Emissionen übertreffen.

    Aber auch Privatunternehmen kommen auf gewaltige Emissionen. 2023 waren die fünf Privatkonzerne mit dem weltweit höchsten Ausstoß in absteigender Reihenfolge: ExxonMobil, Chevron, Shell, TotalEnergies und BP.

    Wäre es folglich nicht effektiver, diese Konzerne strenger zu regulieren, als Milliarden von Menschen ein schlechtes Gewissen zu machen? Müsste nicht der Staat für Rahmenbedingungen sorgen, in denen es dem Einzelnen leichter wird, ein klimafreundliches Leben zu führen?

    Definitiv. Dieser Meinung ist zumindest das Bundesverfassungsgericht. In seinem wegweisenden Urteil von 2021 verpflichtete es die Politik, mehr für den Klimaschutz zu tun, „weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden“ sind. Es räumte dem Klimaschutz damit Verfassungsrang ein.

    Klimaschutz ist die Grundlage der Freiheit. Sagt das höchste deutsche Gericht

    Es war ein Urteil im Namen der Freiheit: Denn indem die heutige Generation einen zu großen Anteil jenes CO2-Budgets verbrauche, das im Rahmen der Pariser Klimaziele noch zur Verfügung steht, bürde sie kommenden Generationen eine unverhältnismäßig hohe Last im Kampf gegen die Klimakrise auf. Davon sei praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen.

    Was bedeutet diese Entscheidung nun für das Individuum, für jeden Einzelnen von uns? Sind wir raus aus der Verantwortung, weil wir ohnehin keinen Einfluss haben?

    Wir sind vernunftbegabte Wesen. Und tragen Verantwortung für unser Tun

    Nein. Denn so zu argumentieren, käme einer Selbstentmündigung gleich. Wir tragen Verantwortung für unser Handeln. Vor allem der individuelle Konsum ist für jene 10,8 Tonnen CO2 verantwortlich, mit denen jeder Deutsche das Klima im Schnitt belastet, aber auch die Frage, wie man sich ernährt, die Wohnung heizt oder reist. Deshalb lohnt es sich, an diesen Stellschrauben zu drehen. In der Masse hat auch das einen Effekt. Wenn jeder seinen CO2-Rucksack verkleinert, haben wir insgesamt weniger zu schultern.

    Noch aber sind wir allzu oft auf Technologien und Verhaltensweisen angewiesen, die CO2 freisetzen. Der Staat und Unternehmen besitzen zweifellos die größten Hebel, um das zu ändern – und dem Individuum auf diese Weise zu helfen, seinen Fußabdruck zu verkleinern.

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