Treibstoff des Klimawandels

  • Search07.11.2023

Fluch des Öls

Erdöl befeuert die Klimakrise, verursacht Umweltkatastrophen und ist der Auslöser von Kriegen und Konflikten: Wie die Gier nach dem Rohstoff den Planeten zerstört.

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    1982 kursierte im Vorstand des US-Ölkonzerns Exxon ein Memo, in dem die hauseigene Forschungsabteilung vor dem Klimawandel warnte. Ursache sei der CO2-Anstieg in der Atmosphäre, nicht zuletzt infolge des Verfeuerns von Erdöl. Die Öffentlichkeit erfuhr damals nichts von dem heiklen Memo.

    Wenn sich Ölkonzerne öffentlich zur Erderwärmung äußerten, dann eher in Form gezielter Desinformation: Die Ursachen des Klimawandels seien wissenschaftlich umstritten. Kein Grund also, von Öl als billigem Treibstoff der Weltwirtschaft abzurücken. Drastische Folgen für die Umwelt wie hier beim Abbau von Ölsanden in Kanada blendete man aus.

     

    Doch spätestens in den Neunzigern wurden die Belege für den menschengemachten Klimawandel immer erdrückender und die Kritik an Big Oil wuchs. In dieser Zeit zeichnete sich ein Strategiewechsel ab: Statt die Erderwärmung zu leugnen, stellten sich einige Ölkonzerne jetzt als Teil der Lösung dar. Am augenfälligsten war der Schritt bei BP. Dort sollte der Name fortan nicht mehr für „British Petroleum“ stehen, sondern für „Beyond Petroleum“. Den Übergang in eine saubere Zukunft „jenseits des Öls“ führte BP nun sogar im Logo.

    Ungeachtet dessen investierten Ölkonzerne Milliarden in die Erschließung neuer Vorkommen. Auch diese Förderpumpen im kalifornischen Bakersfield liefen weiter.

     

    BP änderte nicht nur den Namen, der Konzern machte auch das Konzept des CO2-Fußabdrucks bekannt. 2004 entwickelte BP einen Rechner, mit dem Menschen ihre persönlichen Emissionen ermitteln konnten. Der Blick richtete sich damit nicht mehr auf die gewaltigen Klimaschäden der Ölindustrie, sondern auf die individuelle Verantwortung – obwohl Einzelpersonen wenig Einfluss auf den weltweiten Ausstoß haben.

    Doch selbst die beste Imagekampagne ist vergebens, wenn das eintritt, was die Branche seit ihren Anfangstagen begleitet: Pipelinelecks, Tankerunglücke oder Explosionen auf Förderplattformen wie die der Deepwater Horizon 2010.

     

    Elf Menschen kamen dabei ums Leben. Fast ein Vierteljahr lang strömten insgesamt 800 Millionen Liter Öl ins Meer. Die ökologischen Auswirkungen der Ölpest im Golf von Mexiko waren katastrophal und sind bis heute nicht vollständig beseitigt. Unzählige Seevögel, Delfine, Meeresschildkröten und Fische verendeten, Giftstoffe reicherten sich im Meer und damit in der gesamten Nahrungskette an. Auch die wirtschaftlichen Folgen etwa für die Fischerei und den Tourismus waren enorm.

     

    Nur selten erregen Ölkatastrophen derart viel Aufmerksamkeit wie die Explosion der Deepwater Horizon. Doch sie ereignen sich immer wieder, mal in Form von leckenden Bohrlöchern oder Pipelines, aus denen sich oft lange Zeit unbemerkt Öl in die Umwelt ergießt, mal in Form von Tankerunglücken. Die „Wakashio“ etwa zerbrach 2020 vor Mauritius in zwei Teile, nachdem sie auf ein Wrack gelaufen war. 1000 Tonnen Schweröl gelangten in das Naturparadies, in dem zu dieser Zeit viele Wale ihre Kälber großzogen.

     

    Nur selten erregen Ölkatastrophen derart viel Aufmerksamkeit wie die Explosion der Deepwater Horizon. Doch sie ereignen sich immer wieder, mal in Form von leckenden Bohrlöchern oder Pipelines, aus denen sich oft lange Zeit unbemerkt Öl in die Umwelt ergießt, mal in Form von Tankerunglücken. Die „Wakashio“ etwa zerbrach 2020 vor Mauritius in zwei Teile, nachdem sie auf ein Wrack gelaufen war. 1000 Tonnen Schweröl gelangten in das Naturparadies, in dem zu dieser Zeit viele Wale ihre Kälber großzogen.

    Die „Liste bedeutender Ölunfälle“ auf Wikipedia ist lang. Sie beginnt 1907 mit dem Untergang eines Öltransporters nahe den Scilly-Inseln vor der Südwestküste Englands und endet nach langem Scrollen vorläufig mit dem Untergang des Tankers „Princess Empress“ vor den Philippinen im Februar 2023. Die Havarie der „Exxon Valdez“ 1989 in Alaska, die sich mit schwer zu ertragenden Bildern verölter Vögel ins kollektive Gedächtnis gebrannt hat, ist dabei längst nicht das folgenschwerste Unglück.

    Brent Spar: Der Ölkonzern Shell wollte die Plattform 1995 in der Nordsee versenken. Greenpeace-Aktivisten verhinderten das.

    Während es die Zivilgesellschaft und Umweltaktivisten in autokratischen Ländern und Diktaturen schwer haben, gegen derartige Umweltkatastrophen vorzugehen, kam es vor allem in westlichen Ländern immer wieder zu aufsehenerregenden Protesten. In Erinnerung geblieben ist vor allem der Verbraucherboykott gegen den Ölkonzern Shell, als dieser 1995 die ausrangierte Ölplattform Brent Spar in der Nordsee versenken wollte. Daraufhin besetzten Aktivisten von Greenpeace die Plattform.

    Brent Spar: Greenpeace-Aktivisten auf ihrem Schlauchboot werden von einem anderen Boot an der Ölplattform gerammt.

    Es kam zu dramatischen Szenen auf der Brent Spar. Hier wird ein Schlauchboot der Aktivisten gerammt. Der Kampf gegen die Versenkung der Plattform fand ein großes Echo in den Medien. Die Umsätze an deutschen Shell-Tankstellen sollen um bis zu 50 Prozent eingebrochen sein.

    Brent Spar: Ein Schiff beschießt die Ölplattform, auf der sich Greenpeace-Aktivisten verschanzt haben, mit einer Wasserkanone.

    Hier beschießt ein Wasserwerfer die Plattform, nachdem ein Helikopter Ausrüstungsgegenstände für die Aktivisten auf der Brent Spar abgeworfen hat. Am Ende gab Shell allerdings nach und entschied, die Plattform an Land zu entsorgen. In einer Kampagne versprach der Konzern: „Wir werden uns ändern.“

    Später stellte sich heraus, dass die Menge von Giftstoffen auf der Brent Spar weitaus geringer war als von Greenpeace angegeben. Die Umweltorganisation entschuldigte sich dafür. Viele Beobachter hielten den Kampf um die Plattform dennoch für gerechtfertigt, immerhin habe er die Ölindustrie gezwungen, Rücksicht auf Belange von Umwelt und Zivilgesellschaft zu nehmen.

     

    Vor allem europäische Ölkonzerne schienen in den vergangenen Jahren bestrebt, ihre Umweltauswirkungen stärker in den Griff zu bekommen. Viele gaben sich mehr oder weniger ehrgeizige Klimaziele und investierten neben dem klassischen Öl- und Gasgeschäft auch in erneuerbare Energien. Doch nach Rekordgewinnen durch die Energiekrise, die der russische Überfall auf die Ukraine ausgelöst hatte, rückten sie zuletzt von ihren Klimazielen ab.

     

    Die Geschichte der Ölindustrie erzählt allerdings nicht nur von der Zerstörung der Umwelt und der Erderwärmung. Sie ist auch eine Geschichte von Kriegen und Konflikten. Bekanntestes Beispiel ist der Irak-Krieg 1991, in dem es maßgeblich darum ging, dem Westen Zugang zu billigem Öl zu sichern. Um den Vormarsch der Alliierten zu stoppen, setzten irakische Truppen Hunderte Ölquellen in Kuwait in Brand. Wochenlang stand schwarzer Qualm über der Wüste, neun Monate dauerte es, das Inferno zu löschen.

     

    Es waren Szenen, die sich im Dritten Irak-Krieg 2003 wiederholten. Hier patrouillieren britische Soldaten vor einer brennenden Ölquelle im Südirak.

     

    Auch in Libyen spielte die Kontrolle der Ölquellen des Landes eine wesentliche Rolle in den Auseinandersetzungen von Milizen nach dem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi. Diese bewaffneten Kämpfer kontrollieren die Zufahrt zu einer Raffinerie in Ras Lanuf am Mittelmeer.

     

    Gaddafi, der auf dieser Karikatur an einer Hauswand in Libyen aus einem Ölfass trinkt, stützte seine Macht nach innen und außen während seiner rund vier Jahrzehnte langen Herrschaft auf die reichen Ölvorkommen des Landes.

    Laut dem Global Peace Index, der die Friedfertigkeit von rund 160 Ländern weltweit bewertet, sind Exportländer fossiler Rohstoffe überproportional häufig in kriegerische Konflikte verwickelt. Die globale Energiewende ist vor diesem Hintergrund nicht nur ein Klima-, sondern auch ein Friedensprojekt: Sie reduziert die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen und verringert damit zugleich die Gefahr, dass Verteilungskonflikte zu Kriegen eskalieren. Es ist deshalb ein hoffnungsvoll stimmendes Zeichen, dass die globalen Investitionen in saubere Energie laut der Internationalen Energieagentur (IEA) in diesem Jahr erstmals die Investitionen in die Erdölwirtschaft übersteigen.

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