Vorzeigeprojekt in Bayern

  • Search20.12.2024

Windpark dank Rotmilan

In ganz Bayern liegt die Windkraft brach. In ganz Bayern? Nein, die Gemeinde Fuchstal hat ihren Windpark zuletzt sogar erweitert. Und das nicht trotz der dortigen Rotmilan-Population – sondern gerade deswegen.

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    Erwin Karg ist Bürgermeister von Fuchstal. Die Gemeinde in Bayern ist ein Vorreiter in der Energiewende.

    Bürgermeister Erwin Karg vor einem Windrad im Fuchstaler Forst: „Eigentlich war das Projekt schon tot.“

     

    Von Kathinka Burkhardt

    Nähert sich ein Rotmilan einem der drei Windräder im Denklinger Rotwald, wird es für Cynthia Tobisch spannend. Die Wissenschaftlerin der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf betreut ein Hightech-System zum Schutz der Vögel. Sobald ein Rotmilan im Umkreis von 750 Metern um eines der Windräder kreist, nimmt eine Kamera im Sekundentakt Bilder von ihm auf. Eine künstliche Intelligenz wertet sie aus und bremst die Turbinen ab einer Distanz von 335 Metern zum Windrad innerhalb von 30 Sekunden ab, um eine Kollision zu vermeiden.

    „Die Rotorblätter werden langsamer, und der Rotmilan hat eine sehr gute Chance, ihnen auszuweichen oder gezielt hindurchzufliegen“, erklärt Tobisch. Das kommt immer wieder vor, wie sie aus der immensen Menge ausgewerteter Daten weiß. „Wir haben in dem Projekt festgestellt, dass die Tiere den Anlagen eher ausweichen und nur selten in den Bereich der drehenden Rotoren fliegen“, sagt die Ökologin. Das System in der bayerischen Gemeinde Fuchstal läuft seit 2022. Es ist das erste Mal, dass diese Form des Vogelmonitorings in einem Wald zum Einsatz kommt.

    Vogelmonitoring im Windpark: Kameras auf einem 40 Meter hohen Turm erfassen die Vögel, werten die Bilder mithilfe von KI aus und bremsen die Windräder gegebenenfalls ab. Foto: IdentiFlight

    Vogelmonitoring in Fuchstal: Kameras auf einem 40-Meter-Turm erfassen den Vogelflug über dem Wald.

    Das Monitoringsystem schützt aber nicht nur Rotmilane. Es war auch die Rettung für den neuen Bürgerwindpark. „Eigentlich war das Projekt schon tot“, erinnert sich Erwin Karg, seit 23 Jahren Bürgermeister von Fuchstal. Die 4300-Einwohner-Gemeinde im Kreis Landsberg am Lech südwestlich von München ist ein Vorreiter in der Energiewende. Schon 2009 plante der Gemeinderat ein neues Wärmenetz und setzte dazu auf regenerative Energien. 2010 entstanden die ersten PV-Anlagen auf Dächern, 2011 folgte eine Freiflächenanlage, 2016 ein erster Bürgerwindpark mit vier Turbinen.

    Rotmilane oder andere Vögel spielten in den artenschutzrechtlichen Verfahren damals noch keine Rolle. Doch das änderte sich, als Karg und sein Kämmerer 2018 drei weitere Windräder planten. Denn die Rotmilan-Population hatte sich in der Zwischenzeit versechsfacht. „Und das trotz Windkraft, um das einmal zu betonen“, sagt Karg. Der Antrag für den neuen Bürgerwindpark scheiterte.

    Fuchstal will zeigen: Windkraft und Vogelschutz sind vereinbar

    Doch in Fuchstal gaben sie nicht auf. Von Beginn an ließ sich die Gemeinde von der Ingenieursfirma Sing beraten. Von ihr kam die rettende Idee. Warum nicht die Not zur Tugend und den Rotmilan zum Forschungsobjekt im Bereich Vogelmonitoring machen? Denn während der Einsatz von kamerabasierten Vogelerkennungssystemen rund um Windräder auf Feldern bereits gut erforscht ist, fehlten entsprechende Erkenntnisse für Waldgebiete noch.

    Rotorblätter des Bürgerwindparks Fuchstal: In dem Projekt läuft ein KI-gestütztes Vogelschutzprogramm.

    Im Sommer 2023 waren die Rotorblätter noch nicht installiert. Das Monitoring lief da bereits.

    „Mit dieser Idee sind wir dann auf das bayerische Wirtschaftsministerium zugegangen und haben dafür geworben“, sagt Karg. Es folgten unzählige E-Mails, Gespräche, Anträge und Treffen. Die Hartnäckigkeit zahlte sich aus: Mit 1,5 Millionen Euro fördert der Freistaat das Projekt der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf in Kooperation mit der Wildstation Garmisch.

    „Das Besondere an dem Projekt aus wissenschaftlicher Sicht ist, dass wir das Verhalten der Vögel vor dem Bau des Windparks, während der Installation und nun im Betrieb sehr detailliert beobachten können“, sagt Ökologin Tobisch.

    Die Rotmilane fliegen den Windpark immer wieder an – ohne sich zu verletzen

    Eine Erkenntnis: Die Flugaktivität ist leicht gesunken. „Wir können aber noch nicht sagen, ob es am sehr feuchten Wetter lag, das die Brut eventuell negativ beeinflusst hat, oder wirklich an den Anlagen“, sagt Tobisch. Gleichzeitig habe sich gezeigt, dass sich die Tiere mit dem Windpark arrangieren, ihn regelmäßig anfliegen und sich dabei nicht verletzen. Kollisionen wurden nicht beobachtet.

    Letzteres ist eine gute Erkenntnis für die Windkraft in Bayern. Denn auf der Hälfte der infrage kommenden Flächen für Windräder leben Rotmilane.

    Bürgerwindpark im Wald: In Fuchstal werden Rotmilane mit Hightech vor Zusammenstößen mit Windradflügeln geschützt.

    Fuchstal liegt gut 75 Kilometer südwestlich von München. 2016 ging dort ein Windpark mit vier Anlagen in Betrieb. In diesem Jahr kam ein zweiter hinzu. Die drei 5,6-Megawatt-Turbinen stehen im Denklinger Rotwald. Möglich war ihr Bau nur ...

    Vogelschutzprogramm im Windpark Fuchstal (Bayern): Mithilfe von Kameras und KI sollen Rotmilane vor Kollisionen mit Rotorblättern bewahrt werden.

    ... weil zum Windpark ein Vogelschutzprojekt gehört: Kameras überwachen den Himmel über dem Wald. Sobald ein Rotmilan gefährlich nah an die Rotorblätter kommt, bremst ein KI-gestütztes System die Turbinen ab. Die Wissenschaftlerin Cynthia Tobisch ...

    Windrad im Windpark Fuchstal: Das Vorzeigeprojekt in Bayern erregt bundesweit Aufmerksamkeit.

    ... zieht eine positive Bilanz: „Der Rotmilan hat eine sehr gute Chance, [den Rotorblättern] auszuweichen oder gezielt hindurchzufliegen.“ Für den Ausbau der Windenergie in Bayern ist das eine gute Nachricht. Denn mithilfe der Technik könnten Windräder künftig womöglich auch in anderen Gebieten gebaut werden, in denen Rotmilane leben. Die Bürger der Gemeinde ...

    Bürgerwindpark Fuchstal (Bayern): Das Interesse von Anwohnern, sich an dem inzwischen in Betrieb befindlichen Windrädern zu beteiligen, war gewaltig.

    ... stehen überwiegend hinter dem Park. Dabei herrschte anfangs Skepsis. Nur weil die Gemeinde den Bürgerentscheid an die Europawahl knüpfte, erreichte sie das nötige Quorum für den Bau. Als Anteilscheine für die Erweiterung angeboten wurden, standen die Interessenten Schlange. 2024 erhielt die Gemeinde ...

    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck besucht den Bürgerwindpark Fuchstal, um sich über das Vorzeigeprojekt der bayerischen Windenergie zu informieren.

    ... den Bayerischen Klimaschutzpreis. Und aus ganz Deutschland kommen Besucher, um sich das Konzept von Bayerns Vorzeigewindpark erklären zu lassen. Im Februar 2024 etwa war Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor Ort. Derweil plant ...

    Erwin Karg-parteiloser Bürgermeister von Fuchstal in Bayern, hat seine Gemeinde zum bundesweit beachteten Vorreiter in der Energiewende gemacht.

    ... Fuchstals parteiloser Bürgermeister Erwin Karg bereits den nächsten Schritt: Seine Gemeinde soll komplett energieautark sein, wenn er 2026 sein Amt aufgibt.

    Bürgerwindpark im Wald: In Fuchstal werden Rotmilane mit Hightech vor Zusammenstößen mit Windradflügeln geschützt.
    Vogelschutzprogramm im Windpark Fuchstal (Bayern): Mithilfe von Kameras und KI sollen Rotmilane vor Kollisionen mit Rotorblättern bewahrt werden.
    Windrad im Windpark Fuchstal: Das Vorzeigeprojekt in Bayern erregt bundesweit Aufmerksamkeit.
    Bürgerwindpark Fuchstal (Bayern): Das Interesse von Anwohnern, sich an dem inzwischen in Betrieb befindlichen Windrädern zu beteiligen, war gewaltig.
    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck besucht den Bürgerwindpark Fuchstal, um sich über das Vorzeigeprojekt der bayerischen Windenergie zu informieren.
    Erwin Karg-parteiloser Bürgermeister von Fuchstal in Bayern, hat seine Gemeinde zum bundesweit beachteten Vorreiter in der Energiewende gemacht.

    Als die ersten Windräder 2016 ans Netz gingen, herrschte in Fuchstal Skepsis, ob sie den notwendigen Ertrag bringen würden. Entsprechend zurückhaltend waren die Einwohner beim Kauf der Anteile, die ihnen damals angeboten wurden, um die Finanzierung des Parks zu stemmen. „Aber der Ertrag war dann sehr gut“, sagt Karg, und witzelt, dass Fuchstal in Wirklichkeit Teil Mecklenburg-Vorpommerns sei, da es in Bayern ja angeblich keinen Wind gebe.

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    Von den 256 Menschen, die beteiligt sind, machen es 95 Prozent wegen des guten Ertrags

    Erwin Karg, Bürgermeister von Fuchstal

    Umso größer war das Interesse am zweiten Bürgerwindpark. „2023 haben sie uns die Bude eingerannt“, sagt Karg. Den meisten sei es eher ums Finanzielle als um die Energiewende gegangen. „Von den 256 Menschen, die beteiligt sind, machen es 95 Prozent wegen des guten Ertrags – aber das darf ja auch ein Grund sein, wenn damit gleichzeitig der Klimaschutz gefördert wird“, so Karg.

    Dennoch war die Finanzierung der insgesamt 21,2 Millionen Euro nicht einfach. Ein Drittel kam über Anteilsscheine in Höhe von 5.000 bis 50.000 Euro schnell zusammen. Der Rest musste über Fremdkapital gestemmt werden. Dazu holte sich die Gemeinde professionelle Hilfe.

    Bürgerwindparks müssen gut vorbereitet sein – um die Banken zu überzeugen

    Es gibt zwar Banken, die auf Bürgerwindenergie spezialisiert sind. Doch oft herrscht Unsicherheit, ob Umweltschutzklagen ein Projekt zu Fall bringen könnten. Besonderheiten wie das Fuchstaler Vogelmonitoring erhöhten den Erklärungsbedarf zusätzlich, sagt Günter Baumgartner, Geschäftsführer der Beratungsfirma Fair Finance Consult, die Fuchstal schon beim ersten Windpark beriet.

    „Der Hauptfokus liegt darauf, dass die Finanzierung solch eines kommunalen Projekts mit Einbindung der Bürger über die gesamte Laufzeit auf sicheren Füßen stehen muss“, sagt Baumgartner. Je besser die Vorbereitung, desto eher sind die Banken an Bord. „Wenn eine Kommune oder eine Bürgergemeinschaft unvorbereitet an eine Bank herantritt und Fragen nicht beantworten kann, kommen schnell Zweifel auf, ob sie überhaupt in der Lage ist, das Projekt umzusetzen“, sagt Baumgartner.

    Heute sind die Fuchstaler stolz auf ihr modernes Energiesystem aus Erneuerbaren, Batterie- und Wärmespeichern. Der Bürgermeister denkt aber schon weiter. Bevor Karg sein Amt 2026 abgeben wird, soll Fuchstal komplett autark sein. „Wenn Sie zufällig im Flieger sitzen, wenn das Stromnetz in Europa zusammenbricht, werden Sie Fuchstal von oben erkennen, denn das leuchtet trotzdem.“

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