„Ausgeräumte Landschaften“: Kohlekraftwerk und Windräder vor einem Sonnenblumenfeld in Niedersachsen.
Von Volker Kühn
Vor acht Tagen haben drei Thinktanks ein Konzept für ein klimaneutrales Deutschland im Jahr 2045 vorgelegt. Was mancher da noch für ein Projekt ohne Aussicht auf Mehrheiten hielt, scheint heute schon Konsens zu sein. Denn inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Klimaschutzurteil ein Beben ausgelöst. Und plötzlich überbieten sich die Parteien mit ehrgeizigen Zieldaten für die Klimaneutralität. Selbst 2040 ist im Gespräch.
Damit allerdings rückt ein anderes Problem in den Fokus: der stockende Ausbau der Windkraft. Denn wenn Deutschland früher raus will aus den fossilen Energien, braucht es viel mehr Windräder, und es braucht sie deutlich schneller. Doch die Genehmigungsverfahren dauern oft Jahre. Eine wesentliche Ursache sind Proteste und Klagen von Umweltverbänden, die Windräder als Gefahr für Vögel sehen. Es ist ein Konflikt, der die Energiepolitik zunehmend bestimmt: Naturschützer gegen Klimaschützer – dieser Streit gewinnt mit jeder neuen Stromtrasse, mit jedem Solarpark und jedem Windrad an Schärfe. Er entzweit Parteien, die eigentlich Verbündete sein sollten, schließlich kämpfen beide für eine lebenswerte Umwelt.
Mindestabstände und neue Schutzräume: So könnte der Ausgleich funktionieren
Um diesen Konflikt in der Windenergie aufzulösen, hat die Stiftung Klimaneutralität heute einen Vorschlag unterbreitet. Er sieht bundesweit einheitlich geregelte Mindestabstände zu den Nistplätzen gefährdeter Arten vor und ein 100 Millionen Euro schweres Programm zum Artenschutz. „Eine Lösung kann nicht darin bestehen, dass wir den Klimaschutz über den Artenschutz stellen“, sagte Stiftungsdirektor Rainer Baake. „Was wir wollen, ist ein fairer Interessenausgleich, der beiden Anliegen gerecht wird.“
Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, begrüßte den Reformvorschlag. „Wir müssen aus dem Schneckentempo herauskommen, sowohl in der Energiewende als auch beim Artenschutz“, sagte er. Wenn Deutschland mit neuen Klimazielen 2030 aus der Kohle aussteigen wolle, wie es sich jetzt andeute, seien zwingend zusätzliche Windräder nötig. Dazu brauche es Rahmenbedingungen, die für den Artenschutz und die Windenergie verbindlich sind. Der Naturschutzring ist die Dachorganisation der Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände in Deutschland. Der Konflikt zwischen Klima- und Artenschutz läuft mitten durch viele seiner Mitgliedsorganisationen hindurch.