Jobs in der Windkraft

  • Search22.08.2025

Vom Sherpa zum Offshore-Elektriker

Früher kletterte er als Sherpa auf Himalaya-Gipfel, heute als Elektriker auf Offshore-Windräder: Hawil Magarati hat sich einer Ausbildungsinitiative in Emden angeschlossen, die Menschen für die Energiebranche begeistern soll.

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    Hawil Margarati von IntoGreenFuture auf einem Offshore-Windrad: Der gebürtige Nepalese lässt sich bei IntoGreenFuture in Emden zum Elektriker Betriebstechnik im Bereich erneuerbare Energien aubilden.

    Hawil Magarati auf einem Offshore-Windrad in der Nordsee: Der gebürtige Nepalese geht in sein letztes Ausbildungsjahr.

     

    Von Kathinka Burkhardt

    Das Windrad, auf dessen Plattform Hawil Magarati in Klettermontur steht, ragt hoch aus dem Meer. Tief unten rauschen die Wellen, der Wind pfeift ihm um die Ohren. Höhenangst kennt der 31-jährige Azubi nicht: Magarati stammt aus Nepal, schon in jungen Jahren begleitete er Bergsteiger als Sherpa auf Himalaya-Gipfel. „Das Meer ist natürlich ganz anders, riecht und fühlt sich anders an als die Berge. Aber mir gefallen die Arbeit draußen und das Hoch- und Runterklettern“, sagt er.

    Magarati ist einer von 13 Auszubildenden, die 2023 die Ausbildung zum Elektriker Betriebstechnik im Bereich erneuerbare Energien in Emden begonnen haben. Sie bilden den ersten Jahrgang der Initiative IntoGreenFuture. Ins Leben gerufen wurde sie von den Unternehmen Statkraft, Northland Power, Omexom und Ørsted. (Transparenzhinweis: Ørsted finanziert auch das journalistische Angebot von EnergieWinde.) Die Unternehmen ermöglichen den Auszubildenden Einblicke in ihre jeweiligen Felder in der On- und Offshore-Windenergie sowie der Biomasse. Mehr Vielfalt bei einer Ausbildung im Energiesektor geht kaum.

    Die Offshore-Wind-Branche sucht Nachwuchs. Viele Azubi-Plätze bleiben frei

    Damit hat sich IntoGreenFuture zum Vorzeigeprojekt im Kampf gegen den Fachkräftemangel entwickelt. Denn der belastet die Energiebranche schwer. Bis 2030 werden zusätzlich zu den aktuell 200.000 Beschäftigten bis zu 300.000 Fachkräfte in der Wind- und Solarindustrie benötigt, prognostiziert eine Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). In der Offshore-Windenergie soll 2024 die Hälfte aller Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben sein, heißt es in der IG Metall.

    Das dürfte nicht zuletzt dem Auf und Ab der Branche in der Vergangenheit geschuldet sein, mit wirtschaftlichen Einbrüchen und Entlassungen. Zudem zählen Städte wie Emden, Wilhelmshaven oder Leer nicht zu den beliebtesten Standorten bei jungen Menschen, die einen Job suchen. Umso wichtiger ist es, den Nachwuchs für die Branche zu begeistern. Denn wenn die grüne Transformation der Stromerzeugung stockt, bleibt sie auch in anderen Branchen aus, die auf den sauberen Strom angewiesen sind.

    Seehafen Emden: Die 50.000-Einwohner-Stadt in Ostfriesland ist ein wichtiger Standort der deutschen Offshore-Windenergie.

    Seehafen Emden: Die 50.000-Einwohner-Stadt in Ostfriesland ist ein wichtiger Standort der Offshore-Windenergie.

    Einer, den der Fachkräftemangel seit Jahren umtreibt, ist Jens Thomas, früher Standortleiter bei Statkraft. Irgendwann habe man beschlossen, die Kräfte in der Branche zu bündeln. Zusammen mit Kollegen der anderen beteiligten Unternehmen formte er die Allianz IntoGreenFuture. Heute ist er einer ihrer beiden Geschäftsführer.

    Der Zuspruch und die Unterstützung in der Branche seien von Beginn an groß gewesen. Auch das Land Niedersachsen fördert das Projekt. Bis zu 30 Leute arbeiteten in den Hochphasen daran. Nicht zuletzt mussten bürokratische Hürden genommen werden, die auftreten, wenn vier große Unternehmen gemeinsam eine GmbH gründen wollen.

    Bergführer werden in Ostfriesland eher nicht gesucht – Elektriker schon

    So ist die Geschichte vom Sherpa, den es aus der höchsten Bergregion der Welt in den Windpark Riffgat vor Borkum verschlagen hat, in mehrfacher Hinsicht eine besondere. Nachdem Nepal 2015 von einem Erdbeben heimgesucht worden war, führte Magarati internationale Helfer in verwüstete Regionen, übersetzte für die Einheimischen, half bei ihrer Versorgung und beim Schutz vor Menschenhandel. „Die Erdbeben haben das Leben aller dort komplett verändert“, sagt der Nepalese.

    In dieser Zeit lernte er seine Frau kennen, die bei einer Hilfsorganisation arbeitete. Mehrere Jahre lebte die gebürtige Emderin mit Magarati in Nepal. Als die gemeinsamen Kinder ins Schulalter kamen, entschied sich die Familie zum Umzug nach Deutschland. Die Frage war nur, wo Magarati arbeiten sollte. Bergführer zählen eher nicht zu den gesuchten Berufen in Ostfriesland.

    Von Nepals Achttausendern in die norddeutsche Tiefebene: Hawil Magarati war früher Sherpa, heute wird er bei IntoGreenFuture in Emden zum Offshore-Wind-Technikausgebildet.

    Aus seinem früheren Leben in Nepal bringt Hawil Magarati Erfahrungen mit, die ihm auch heute zugutekommen.

    Über seine Schwiegereltern und eine Zeitungsanzeige stieß er schließlich auf IntoGreenFuture. „Auch wenn das Technische weit weg von dem ist, was ich in Nepal gemacht habe, fand ich das Thema erneuerbare Energien interessant“, erzählt er. Magarati bewarb sich und wurde genommen.

    Er sprach zwar bereits Deutsch, doch der Start sei nicht leicht gewesen. „Ich musste mir viel Fachsprache aneignen, bevor ich alles verstanden habe. Von Hauselektronik über Steuerungstechnik bis hin zu Beleuchtungs- und Automatisierungstechnik umfasst die Ausbildung komplexes Wissen.

    Unter den Auszubildenden fühlte sich Magarati schnell wohl, ein echtes Team seien sie geworden. Magarati bringt immer wieder seine Erfahrungen aus seinem früheren Leben in Nepal ein: „Meine Kollegen sind teilweise viel jünger als ich, da kann ich manchmal Ratschläge geben, wie man etwas im Leben angehen oder sich vielleicht verhalten kann“, sagt der 31-Jährige. Ein Sherpa in Lebensfragen, wenn man so will.

    Die Fachsprache war eine Herausforderung für Magarati. Inzwischen verständigt er sich problemlos.

    Wenn es Unternehmen schon schwerfällt, junge Menschen an Standorte jenseits der populären Metropolen zu lotsen, so ist es oft noch schwieriger, sie nach der Ausbildung dort zu halten. Deshalb setzt IntoGreenFuture auf viel Praxiserfahrung und Kontakt zur späteren Belegschaft. „Es gibt viele mehrwöchige Betriebsphasen, die immer eine tolle Gelegenheit sind, alle Anlagen und Berufe kennenzulernen. So kann ich herausfinden, was mir liegt“, sagt Magarati.

    Höhe, Weite, Wind: Gerade in den Berufsfeldern der erneuerbaren Energien müssen Arbeitnehmer wissen, worauf sie sich einlassen. „Wer die ersten vier Tage auf See verbracht und das Wetter auf dem Schiff erlebt hat, überlegt manchmal doch, ob das sein Arbeitsort werden soll oder ob er lieber ins Kraftwerk oder in die Leitwarte möchte“, sagt IntoGreenFuture-Geschäftsführer Thomas.

    In welchen Bereich es Magarati verschlagen wird, steht noch nicht fest. Für ihn beginnt gerade das letzte Ausbildungsjahr. Es ist ein starker Jahrgang, findet Jens Thomas. „Unsere Ausbilder werden von einigen dieser Jungs richtig vor sich hergetrieben“, sagt Thomas. „Und sie sind als Gruppe sehr gut zusammengewachsen, das habe ich am Anfang aufgrund der sehr unterschiedlichen Lebensläufe nicht für möglich gehalten.“

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