Werksgelände von Trimet in Hamburg: Der Aluminiumhersteller verbraucht gut ein Prozent des gesamten deutschen Stroms.
Von Volker Kühn
Der Wirtschaftsminister nennt die Aufgabe „gigantisch“, der Kanzler spricht von der „größten Transformation seit mindestens 100 Jahren“, der Finanzminister von der „Mission, Deutschland zukunftsfest zu machen“: Wenn es um den Weg in die Klimaneutralität geht, wählt die Ampelregierung große Worte. Stets fallen sie in optimistischem Ton: Wir schaffen das, ist die Botschaft.
Auch die Industrie hat sich Klimaneutralität längst auf die Fahnen geschrieben, auch sie findet große Worte, doch an ihr „Wir schaffen das“ schließt sich meist noch ein Halbsatz an: Wir schaffen das, wenn du, lieber Gesetzgeber, den Rahmen richtig setzt, lautet die Botschaft der Industrie.
Tatsächlich ist die Dekarbonisierung, also der Abschied von fossilen Rohstoffen, für Branchen wie die Chemie-, Stahl- oder Zementherstellung eine existenzielle Frage. Einen Einblick in die Seelenlage eines hochrangigen Industriemanagers gab jetzt Heribert Hauck, Leiter des Bereichs Energiewirtschaft beim Aluminiumproduzenten Trimet. Der Konzern betreibt drei der vier Aluminiumhütten in Deutschland und ist europaweit einer der größten Hersteller. Trimet allein verbraucht schätzungsweise ein Prozent des deutschen Stroms. Die Verfügbarkeit ausreichender Mengen grüner Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen ist aus Sicht von Hauck deshalb entscheidend für die Zukunft. „Das ist der Enabler, wenn es funktioniert, und der Show Stopper, wenn es nicht funktioniert“, sagte Hauck auf einer Diskussionsveranstaltung, zu der der Bund der Industrie (BDI) Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Unternehmen eingeladen hatte.
Die Industrie setzt auf Ökostrom – und grünen Wasserstoff in Gaskraftwerken
„Wir sind im internationalen Wettbewerb mit unserem Produktpreis. Der erlaubt uns nur einen bestimmten Kostenanteil für Strom. Wenn wir den nicht einhalten und wenn wir den CO2-Footprint des Stroms nicht schnellstmöglich runterbekommen, haben wir ein existenzielles Wettbewerbsproblem“, erklärte Hauck. Deshalb müsse der Ökostromausbau mit Nachdruck vorangetrieben werden. Außerdem brauche die Industrie zusätzliche Gaskraftwerke, um Lücken in der Erzeugung erneuerbarer Energien auszugleichen. Diese Kraftwerke müssten „H2-ready“ sein, also mit grünem Wasserstoff betrieben werden, sobald davon genügend vorhanden sei.
Mehr Ökostrom, mehr Wasserstoff und mehr Tempo beim Ausbau – das ist es, was Industrievertreter in Deutschland in diesen Tagen bei jeder sich bietenden Gelegenheit fordern. Ein wesentliches Hindernis dabei sind die stockenden Genehmigungsverfahren, sei es für Windräder oder Stromtrassen. Zwar hat die Ampel im Koalitionsvertrag beschlossen, die Verfahrensdauer mindestens zu halbieren. Doch aus Sicht des BDI ist das noch zu wenig. Man müsse die Dauer um mindestens 75 Prozent reduzieren, um notwendige Investitionen sicherzustellen, heißt es in einem Sieben-Punkte-Plan, aus dem das ARD-Hauptstadtstudio zitiert.
Heidelbergcement verzichtet auf Zuschüsse: Es würde zu lang dauern
Es ist allerdings nicht nur der Ausbau der Erneuerbaren, der sich verzögert. Auch in anderen Bereichen bremsen aus Sicht der Industrie umständliche Verfahrenswege die Dekarbonisierung aus. Ein Beispiel dafür lieferte Christian Knell, Sprecher der Geschäftsführung von HeidelbergCement, in der Diskussionsveranstaltung des BDI. Wie Trimet arbeitet auch sein Konzern am Aufbau einer CO2-freien Produktion und testet dazu verschiedene Verfahrensweisen, für die zum Teil staatliche Zuschüsse beantragt werden könnten. Nach EU-Richtlinien könnten die Arbeiten an entsprechenden Projekten beginnen, sobald der Förderantrag eingereicht sei, sagte Knell. In Deutschland dagegen müsse man warten, bis der Förderbescheid durch alle nationalen und internationalen Gremien gegangen sei. „Das ist ein bisschen Taler, Taler, du musst wandern, von der einen Referatsabteilung zur anderen“, sagte Knell. Das müsse sich ändern. „Perfection is the enemy of the good“, das habe man in der Pandemie gelernt. In einem Projekt in Baden-Württemberg werde man vermutlich auf Fördersummen in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe verzichten, um rechtzeitig loslegen zu können.