Strommarkt

  • Search17.05.2024

Was Batteriespeicher für die Energiewende leisten

Sie gleichen Schwankungen der Wind- und Solarenergie aus, entlasten den Netzausbau und senken den Strompreis: Batteriespeicher sind für die Energiewende unabdingbar. Ein Allheilmittel sind sie aber nicht.

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    Batteriespeicher Alfeld: Mit einer Kapazität von 275 Megawattstunden ist das Projekt in Südniedersachsen das mit Abstand größte in Europa.

    Europas größter Batteriespeicher soll 2025 im niedersächsischen Alfeld ans Netz gehen. Mit seiner Kapazität von 275 Megawattstunden könnte er rechnerisch eine Million Haushalte eine Stunde lang versorgen.

     

    Von Daniel Hautmann

    Batterien, groß wie Fabriken und mit der Leistung von Pumpspeicherkraftwerken: Dutzende solcher Mammutakkus werden gerade gebaut. Eine davon entsteht im niedersächsischen Alfeld, südlich von Hildesheim. Kapazität: 275 Megawattstunden – genug, um eine Million Haushalte eine Stunde lang mit Strom zu versorgen. Nächstes Jahr soll der Superspeicher ans Netz gehen.

    Die Anlage zeigt eindrucksvoll, wie rasch sich der Markt verändert. Wurde 2014 noch die Zwei-Megawattstunden-Batterie im schleswig-holsteinischen Braderup gefeiert, geht es heute um ganz andere Dimensionen.

    Speicher federn Schwankungen ab – und senken so zugleich den Strompreis

    Die Akkus sind von zentraler Bedeutung für die Energiewende: Sie tragen dazu bei, Netzschwankungen auszugleichen und Überlastungen zu vermeiden. Vor allem aber helfen sie, volatile Energiequellen wie Wind- oder Sonnenstrom effizienter zu nutzen. Unterm Strich senken sie auf diese Weise auch den Strompreis.

    Vor allem Besitzer von Eigenheimen mit Fotovoltaikanlage haben in den vergangenen Jahren in großem Stil Speicherbatterien installiert. Heimspeicher haben meist zehn bis 30 Kilowattstunden Kapazität. Davon gibt es bundesweit mehr als eine Million Stück, wie das Infoportal Battery-Charts meldet. Zusammen kommen die Heimanlagen auf 10,9 Gigawattstunden. In der Regel werden sie als reines Inselnetz betrieben, sind also nicht direkt mit dem öffentlichen Netz verbunden. Trotzdem helfen sie, die Stromleitungen zu entlasten.

    In die Kategorie Gewerbespeicher (30 bis 1000 Kilowattstunden) fallen knapp 7800 Anlagen mit 500 Megawattstunden Kapazität. Großspeicher ab 1000 Kilowattstunden schaffen derzeit zusammen 1,6 Gigawattstunden.

    Die Kapazität der in Deutschland installierten Batteriespeicher wächst rasant, wie Daten von Battery Charts zeigen. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Um die Energiewende zu stemmen, müssen in den kommenden Jahren Tausende neue Großspeicher gebaut werden. Nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) sind bis 2030 bundesweit rund 100 Gigawattstunden und bis 2045 rund 180 Gigawattstunden elektrische Speicherkapazität nötig.

    Die Technik entwickelt sich rasant – und die Akkus werden immer günstiger

    Fallende Preise für Lithium-Ionen-Akkus befeuern den Boom. Zwischen 1991, als Lithium-Ionen-Akkus in den Markt eingeführt wurden, und 2018 fielen die Zellpreise um 97 Prozent. Laut dem Consulting-Unternehmen Horvath & Partners kostete eine Kilowattstunde 2010 noch 600 Euro, 2022 waren es 93 Euro. Bis 2025 prognostizieren die Berater 83 Euro je Kilowattstunde.

    Wenn Fachleute von Lithium-Ionen-Batterien sprechen, meinen sie verschiedene Ausführungen. Es ist ein Sammelbegriff für Akkus, die sich in Größe, Bauform und chemischer Zusammensetzung unterscheiden. „Schwankende Marktpreise sorgen immer wieder dafür, das die Hersteller zwischen unterschiedlichen Materialmixen switchen. Das ist gut für die Vielfalt“, sagt Dirk Uwe Sauer vom Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik an der RWTH Aachen.

    Der Vorteil von Lithium-Ionen-Batterien: Sie arbeiten besonders effizient

    Ihren Siegeszug haben die Lithium-Ionen-Batterien auch ihrem enormen Wirkungsgrad von 92 bis 97 Prozent zu verdanken. Zudem zeichnen sie sich durch eine hohe spezifische Energie aus. So nennt man die speicherbare Energie pro Eigenmasse. Auch bei intensiver Nutzung verlieren sie überdies kaum Leistung.

    90%

    aller Batterien werden in Elektroautos verbaut

    „Der Automobilmarkt ist mit einem Volumen von 90 Prozent der Treiber. Nur etwa zehn Prozent der Batterien werden in stationären Speichern verbaut”, sagt Sauer. Batterien in Elektroautos sieht er in Zukunft als tragende Säule des Energiesystems. „Schon heute haben alle E-Autos in Deutschland zusammen zweieinhalbmal mehr Speicherkapazität als alle deutschen Pumpspeicherkraftwerke zusammen.“

    Batterien sind ein Massengeschäft. Der Großteil kommt aus Korea und China, europäische Hersteller haben es schwer. „Das Wachstum ist exponentiell und der Preisdruck maximal“, sagt Sauer. Seit etwa Mitte letzten Jahres sei die globale Produktionskapazität sogar höher als die Nachfrage.

    Batteriespeicher sind dringend nötig – aber nicht für jeden Zweck geeignet

    Speichern Batterien bald womöglich so große Energiemengen, dass sie die fluktuierende Einspeisung von Wind- und Sonnenkraftwerken komplett ausgleichen können? Können sie letztlich Gaskavernen und -kraftwerke ersetzen? Brauchen wir gar viel weniger Wasserstoffkraftwerke als gedacht?

    Wohl kaum. Denn: Um den deutschen Strombedarf an einem durchschnittlichen Wintertag nur einen halben Tag zu decken, müssten laut der Bundesnetzagentur Speicherkapazitäten von 720 Gigawattstunden aufgebaut werden. In Alfelder Riesenbatterien umgerechnet wären das 2618 Anlagen.

    Große Stromspeicher wie hier im schleswig-holsteinischen Braderup spielen eine zunehmende Rolle bei der Integration schankender Energiemengen aus der Windenergie ins Stromnetz.

    In Braderup (Schleswig-Holstein) ging schon 2014 ein Stromspeicher in Betrieb. Seine Kapazität von zwei Megawattstunden galt damals als bahnbrechend. Heute erreichen solche Anlagen ein Vielfaches.

    Professor Sauer sieht grundlegende Unterschiede zwischen den verschiedenen Speichertypen:

    • Batteriespeicher sind für ein bis zwei Tage ausgelegt. Ihre Preisstruktur ist so angesetzt, dass sie jeden Tag ge- und entladen werden sollten.
    • Kavernenspeicher für Erdgas und künftig auch Wasserstoff sind für längere Perioden wie die berüchtigten Dunkelflauten vorgesehen, wenn es gilt, mehrere Tage oder Wochen ohne Wind- und Sonnenstrom zu überbrücken. Unterm Strich haben Gasspeicher aber immer deutlich höhere Betriebskosten, weil der Wirkungsgrad mit günstigstenfalls 40 Prozent sehr viel niedriger ist.

    Dennoch können Batterien inzwischen weit mehr als die Netze nur kurzfristig zu entlasten. Sie lagern den mit Regenerativ-Kraftwerken erzeugten Strom zwischen und gleichen Stromspitzen aus.

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    Energiespeicher sind wie ein Schweizer Taschenmesser für das Energiesystem mit vielen nützlichen Funktionen

    Beatrice Schulz, Bundesverband Energiespeicher Systeme

    Kurz gesagt: Batterien können für wenige Sekunden einspringen oder auch über mehrere Stunden. „Energiespeicher sind wie ein Schweizer Taschenmesser für das Energiesystem mit vielen nützlichen Funktionen“, sagt Beatrice Schulz, Leiterin Technologien und Märkte beim Bundesverband Energiespeicher Systeme e.V. (BVES).

    Batterien sind dabei regelrechte Zwitter – Verbraucher und Erzeuger zugleich. Sie helfen während der Dunkelflaute und speisen Energie ins Netz, genauso während der sogenannten Hellbrise, wenn sie die Netze entlasten, indem sie Energie aufnehmen. Im Vergleich zu den meisten anderen Speichern ist ihr Aufbau unschlagbar simpel. „Sie sind Speicher und Umwandlungseinheit zugleich“, sagt Sauer.

    Und genau das macht es schwierig, die Speicher einzuordnen. Eine klare Definition fehle noch immer, heißt es bei der Bundesnetzagentur. Speicher seien weder „Letztverbraucher“ noch „Erzeuger“. Vielmehr etwas Eigenes, Drittes.

    Speicher ergänzen den Netzausbau. Ersetzen können sie ihn nicht

    Während die Politik noch berät, in welche Schublade die Batterien aus Energiesystemsicht am besten passen, entfalten die ihre Netzausbau-ausgleichende-Wirkung bereits. Damit ist gemeint, dass strategisch klug platzierte Batteriespeicher den Umfang des Netzausbaus begrenzen können oder eine Überbrückung darstellen, bis die Leitungen fertig sind. „Den können sie haben. Aber es ist nicht immer die günstigste Variante“, sagt Sauer.

    Deshalb werden die Riesenbatterien oft in direkter Nachbarschaft von Umspannwerken gebaut. Zunehmend interessant sind auch ehemalige Kraftwerksstandorte, weil hier die Infrastruktur bereits vorhanden ist.

    Speicherkaverne für Wasserstoff: Im brandenburgischen Rüdersdorf erforscht EWE die Bedingungen zur Wasserstoff-Einlagerung.

    Im brandenburgischen Rüdersdorf erprobt der Energieversorger EWE den Betrieb einer Wasserstoffkaverne. Erste Tests liefen erfolgreich, meldete der Konzern in dieser Woche.

    Dennoch bleibt der Netzanschluss eine Herausforderung. „Das ist aktuell der Flaschenhals für die Projektumsetzung. Speicher warten tendenziell noch länger auf einen Anschluss als erneuerbare Erzeugungsanlagen. Auch die ungeklärte Situation der Belastung mit Netzentgelten und Baukostenzuschüssen verunsichert die Branche nachhaltig“, sagt Beatrice Schulz.

    Doch das ist nicht das einzige Problem. Auch der regulatorische Rahmen steht noch nicht. Gleich drei aktuelle Strategien sind von zentraler Bedeutung für die Speicherbranche: die Systementwicklungs-, die Stromspeicher- und die Kraftwerksstrategie. Und weitere Strategien sind bereits angekündigt.

    Diese Einzelmaßnahmen jedoch könnten deutlich besser koordiniert werden, moniert Beatrice Schulz: „Die richtigen Überschriften sind jetzt gesetzt. Doch damit diese grundsätzlich sehr positiven Einzelinitiativen aus Ministerium und Bundestag noch größere Wirkkraft für ein stabiles und kosteneffizientes Energiesystem entfalten können, braucht es eine stärkere Harmonisierung der Vorhaben und dann viel mühsame Kleinarbeit. Sonst drohen die Initiativen zu verpuffen und die Synergien der Maßnahmen bleiben weitgehend ungenutzt.“

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    Die Kraftwerksstrategie fokussiert sich im Wesentlichen auf Gaskraftwerke. Mit Batteriespeichern lässt sich ein Teil des Speicherbedarfs erheblich schneller decken

    Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme

    Auch Volker Quaschning, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin, ist skeptisch: „Die Kraftwerksstrategie der Regierung fokussiert sich im Wesentlichen auf Gaskraftwerke. Diese haben eine lange Realisierungszeit und werden vorerst mangels Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff mit klimaschädlichem Erdgas betrieben. Mit Batteriespeichern lässt sich ein Teil des Speicherbedarfs erheblich schneller decken. Da Batteriespeicher derzeit sehr schnelle Kostensenkungen erleben, versprechen Batteriespeicher auch ökonomische Vorteile. Diese Entwicklungen sollte die Bundesregierung unbedingt in ihren Planungen adressieren.“

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