Batterierohstoff

  • Search25.11.2023

Wie sich Deutschland selbst mit Lithium versorgen könnte

Bislang muss Deutschland Lithium importieren. Künftig könnte ein großer Anteil aus heimischer Förderung kommen. Vor allem Erdwärmebohrungen bieten Potenzial, sagt der Geowissenschaftler Fabian Nitschke.

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    Lithium könnte künftig auch in Deutschland am Rande von Geothermie-Bohrungen gefördert werden.

    Geothermiebohrung in Deutschland: Neben Wärme soll künftig auch Lithium aus dem Untergrund kommen.

     

    Das silbergraue Leichtmetall Lithium ist entscheidend für die Energie- und Verkehrswende. Bislang muss Deutschland den Rohstoff importieren, Hauptlieferant ist Australien. Doch auch hierzulande gibt es Ressourcen. Unter dem Oberrheingraben liegen sogar Europas größte Vorkommen; der begehrte Akkurohstoff könnte dort jahrzehntelang gefördert werden. Fabian Nitschke vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erklärt das Potenzial des Lithium-Abbaus in Deutschland.

    Herr Nitschke, wofür brauchen wir Lithium?
    Fabian Nitschke: Lithium gilt als entscheidendes Element für die Energiewende. Insbesondere in Batterien für die Elektromobilität ist es aufgrund der Energiedichte in den nächsten Jahren kaum zu ersetzen. Wenn in Deutschland künftig E-Autos statt Verbrenner gebaut werden, sind erhebliche Mengen der globalen Produktion nötig. Aktuell stammt rund die Hälfte des Lithiums aus dem Bergbau in Australien und ein Viertel aus Salzseen in Chile. Die Fördermengen sind über Jahre vergeben, vor allem an chinesische Unternehmen. Wer seinen Bedarf teilweise aus heimischen Quellen decken kann, wird aus geostrategischer Sicht unabhängiger.

    Fabian NitschkeFabian Nitschke forscht am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zur Exploration von Thermalwasser. Der Geowissenschaftler leitet die Gruppe Geothermal Hydrochemistry.

    Lithium ließe sich in Deutschland durch Bergbau im Erzgebirge oder aus Thermalwasser gewinnen – wie funktioniert die Extraktion aus Sole?
    Nitschke: Pilotanlagen, zum Beispiel in Bruchsal und Insheim, sind an geothermische Kraftwerke gekoppelt. Mit heißem Wasser aus bis zu fünf Kilometern Tiefe werden dort Strom und Wärme gewonnen. Aus der Sole lassen sich Lithiumverbindungen unter anderem elektrochemisch, per Adsorption oder mit Membranen extrahieren. In den meisten Projekten wird derzeit die Absorption an einem zugesetzten Metalloxid favorisiert. Anschließend erfolgt die Raffination. An vier der gut 40 geothermischen Kraftwerke in Deutschland ist Lithium ausreichend hoch konzentriert. Drei davon befinden sich im Oberrheingraben und eines bei Berlin.

    Lässt sich die Methode in weiteren Regionen anwenden?
    Nitschke: Das Bayerische Molassebecken im Raum München ist das dritte Gebiet, das in Deutschland für die tiefe Geothermie relevant ist. Dort ist aber praktisch kein Lithium im Thermalwasser enthalten. Neben der Konzentration ist vor allem relevant, wie viele Liter sich pro Sekunde fördern lassen. Diese Fließrate ist im Oberrheingraben aufgrund der geologischen Gegebenheiten vergleichsweise hoch, im Norddeutschen Becken dagegen meist geringer.

    Lithium – Schlüsselelement der Energiewende

    Bedeutung

    Es steckt in E-Autos genauso wie in Handys und elektrischen Zahnbürsten: In praktisch allen wiederaufladbaren Akkus kommt heute Lithium zum Einsatz. Es ist ein Schlüsselelement der mobilen Welt und ein zentraler Rohstoff der Energiewende.

    Bedarf

    Der Akku eines typischen Laptops enthält rund sechs Gramm Lithium, ein Smartphone kommt mit der Hälfte aus. Bei einem großen E-Auto können es 50 Kilogramm sein. Zum Vergleich: Die globalen Lithium-Ressourcen werden auf gut 98 Millionen Tonnen geschätzt.

    Bezugsquellen

    Bei den geplanten Förderprojekten in Deutschland sind vor allem ausländische Investoren aktiv. Am Oberrhein will das deutsch-australische Unternehmen Vulcan das Leichtmetall aus Thermalwasser gewinnen. Im Erzgebirge investiert die britische Zinnwald Lithium in Probebohrungen. In das Bergbauvorhaben, initiiert von der inzwischen insolventen Fotovoltaik-Firma Solarworld, ist mit der Advanced Metallurgical Group ein niederländisch-amerikanischer Investor eingestiegen.

    2030 sollen auf deutschen Straßen 15 Millionen E-Autos fahren, ein mittelgroßes braucht rund zehn Kilo Lithium. Lässt sich der Bedarf aus Tiefenwässern decken?
    Nitschke: Bei den Prognosen bestehen Unsicherheiten. Zum einen gibt es noch keine Extraktion im industriellen Maßstab. Zum anderen war bislang unklar, wie lange eine Förderung möglich ist. Weil das abgekühlte und abgereicherte Wasser zurückgepumpt wird, sinkt der Lithiumgehalt des Tiefenwassers mit der Zeit ab. Mit einer Simulation konnten wir zeigen, dass der Lithiumvorrat bei einem Betrieb über 30 Jahre nur um 40 Prozent sinkt. Das Ergebnis hat uns überrascht – wir hatten nicht erwartet, dass die Klüfte im Untergrund kontinuierlich so viel frisches Tiefenwasser nachliefern. Eine Förderung scheint demnach über Jahrzehnte möglich zu sein. So könnte ein einziges Kraftwerk bis zu drei Prozent des jährlichen deutschen Bedarfs liefern.

    Decken also drei Dutzend Anlagen 100 Prozent des Bedarfs?
    Nitschke: Theoretisch dürften die Reservoirs groß genug sein. Bei Bohrungen im Oberrheingraben ist es sehr wahrscheinlich, dass Lithiumgehalt und Fließrate hoch genug sind. Praktisch stellt sich aber die Frage nach dem Zeitraum. Zwischen Planung und Betrieb eines neuen Kraftwerks lagen bislang etwa fünf Jahre. Es wird sich zeigen, wie schnell ein großangelegter Zubau in Zukunft möglich sein wird. Für die in Deutschland geplanten Batteriefabriken sollte Lithium aus Geothermie mittelfristig nur als Ergänzung angesehen werden. Bis zu einem Drittel des Bedarfs im Jahr 2030 ließe sich nach einer Studie der Deutschen Rohstoffagentur durch alle aktuell geplanten europäischen Lithiumprojekte decken.

    Lithium-Vorkommen weltweit: Bolivien verfügt über die größten bekannten Reserven, aber auch Deutschland besitzt reichlich Lithium.

    In Serbien haben Massenproteste ein Lithiumprojekt von Rio Tinto gekippt, auch in Südamerika gibt es Widerstand. Wie hoch sind der ökologische und soziale Preis?
    Nitschke: Der konventionelle Abbau ist mit erheblichen Umweltkosten verbunden. Am meisten Energie und Wasser verbraucht die Gewinnung aus Gestein. Es wird auf mehr als tausend Grad Celsius erhitzt und mit Säuren behandelt. Auch der Transport der Vorprodukte etwa von Australien nach China ist sehr energieaufwendig. In südamerikanischen Salaren, wo man Lithium in riesigen Becken durch Verdunstung gewinnt, besteht das Problem sinkender Grundwasserspiegel. Das verschärft die Lebensbedingungen in einigen ohnehin schon extrem trockenen Gebieten noch zusätzlich. Insbesondere die indigene Bevölkerung sieht die Projekte deshalb kritisch. Mit der Methode der direkten Extraktion ließe sich der Wasserbedarf dort zwar senken. Doch das Verfahren wird nur von wenigen Unternehmen ernsthaft verfolgt.

    Ist die geothermische Gewinnung umweltfreundlicher?
    Nitschke: Es gibt viele Argumente für die Technologie. Statt großer Flächen für Abraum, Becken und Salzhalden sind lediglich zwei Bohrlöcher nötig. Die bestehende Infrastruktur der Kraftwerke kann genutzt werden. Und die nötige Energie lässt sich aus dem Thermalwasser gewinnen. Das Verfahren ist damit theoretisch nahezu klimaneutral. Bei einer Weiterverarbeitung bis zur Batterie gäbe es in Deutschland zudem kurze Transportwege und eine komplette Wertschöpfungskette.

    Lithium-Projekt im sächsischen Zinnwald: Hinter dem geplanten Abbaus steht die Deutsche Lithium GmbH aus Freiberg.

    Lithium-Projekt im sächsischen Zinnwald: Hinter dem geplanten Abbaus steht die Deutsche Lithium GmbH aus Freiberg.

    Das klingt fast zu perfekt – wie steht es um die Akzeptanz?
    Nitschke: Die Erdbebengefahr ist in der Öffentlichkeit am Oberrhein ein großes Thema. Es gibt jedoch viele Möglichkeiten, das seismische Risiko zu verringern. Zum Beispiel durch verbesserte Explorationsmethoden oder durch eine schrittweise Entwicklung des Reservoirs. Bei Geothermieprojekten nahe Basel und Straßburg sind in der Vergangenheit Fehler gemacht worden. Die Folge waren Schäden an Häuserfassaden durch kleinere Erdbeben. Obwohl es nur um vergleichsweise geringe Beträge geht, mussten Eigentümer um Entschädigung kämpfen. Inzwischen dürfte der Branche klar sein, dass umgehend zu entschädigen ist, um die Akzeptanz für die tiefe Geothermie zu sichern.

    Wird Geothermie wirtschaftlicher, wenn man zugleich Lithium und Energie gewinnt?
    Nitschke: In einer Studie haben wir eine vorsichtige Schätzung vorgenommen. Demnach könnte der Marktwert des Lithiums höher sein als der der Wärme. Allerdings schwankt der Lithiumpreis sehr stark. Und mangels Erfahrung ist unklar, wie hoch die Betriebskosten sein werden.

    Das große Potenzial der Geothermie wird bislang kaum genutzt, kann Lithium einen Schub geben?
    Nitschke: Aktuell erleben wir, wohl infolge der zukünftigen Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung, überall einen starken Anstieg der Anträge für Geothermie. Mit der Zahl der Projekte wird auch die Lernkurve steigen. Wenn der Sprung auf die industrielle Ebene gelingt, könnte die Lithiumförderung den Ausbau der Geothermie durchaus beschleunigen.

    Die Fragen stellte Peter Ringel.

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