Windenergie an Land

  • Search02.12.2022

Herzdruckmassage für die Windkraft

Zähe Genehmigungen, fehlende Flächen, steigende Kosten: Der Ausbau der Windkraft stockt. EnergieWinde hat Experten befragt, wie sich das ändern lässt. Sie fordern bessere Rahmenbedingungen – haben aber auch Lob für die Ampel übrig.

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    Baustelle eines Windrads in Brandenburg: Zwar wurden in den ersten drei Quartalen 2022 wieder mehr Windräder als im Vorjahreszeitraum gebaut. Aber vom Ziel ist Deutschland noch weit entfernt.

    Windrad-Baustelle in Brandenburg: An den jüngsten Ausschreibungen der Bundesnetzagentur haben weniger Betreiber teilgenommen als von der Bundesregierung geplant.

     

    Von Daniel Hautmann

    Als die Ampelregierung vor einem Jahr die Große Koalition ablöste, erhoffte sich die Windindustrie endlich neuen Schwung für ihre Projekte. Immerhin soll der Ökostromanteil laut dem Koalitionsvertrag bis 2030 von heute 50 auf 80 Prozent steigen, und Windräder spielen eine Hauptrolle in diesem Plan. Wirtschaftsminister Robert Habeck kündigte dazu den Bau von Anlagen mit einer Kapazität von zunächst 5000 Megawatt pro Jahr an. Das wären jeden Tag drei bis vier neue Turbinen, wenn man von einer durchschnittlichen Leistung von vier Megawatt ausgeht.

    Tatsächlich hat der Ausbau zuletzt wieder etwas Fahrt aufgenommen. Doch von seinen Zielen ist Deutschland nach wie vor weit entfernt. In diesem Jahr dürfte der Neubau gerade einmal die 2000-Megawatt-Marke knacken. Und auch in naher Zukunft zeichnet sich keine echte Trendwende ab.

    Woran liegt das? Und was muss sich ändern, damit die Windkraft ihre Zielvorgaben erfüllen kann? Auf der Suche nach Antworten hat sich EnergieWinde in der Windbranche umgehört.

    Die Baukosten steigen – aber die Erlöse der Windparks sind gedeckelt

    Kritik äußern Experten vor allem am sogenannten Ausschreibungsdesign, also dem Verfahren, nach dem der Bau neuer Windparks organisiert ist. Die Bundesnetzagentur, eine dem Wirtschaftsministerium untergeordnete Behörde, gibt dazu in Auktionen bestimmte Gesamtkapazitäten vor. Wer einen Windpark plant, muss sich mit seinem Projekt in diesen Auktionen bewerben. Er gibt dazu einen Mindestpreis an, den ihm der Staat für den Strom seiner Windräder garantieren muss. Wer den geringsten Preis je Kilowattstunde aufruft, erhält den Zuschlag. So soll sichergestellt werden, dass Verbraucher und Unternehmen möglichst wenig für ihren Strom zahlen.

    In ihren jüngsten beiden Auktionen hatte die Bundesnetzagentur Windparks im Umfang von je 1320 Megawatt ausgeschrieben. Doch beide Male gingen weniger Gebote ein: Im September waren es 772 Megawatt, im Mai 947 Megawatt. Das liegt aus Sicht von Branchenkennern vor allem daran, dass der Höchstpreis, den Bieter für ihren Strom aufrufen dürfen, gedeckelt ist; er liegt bei 5,88 Cent je Kilowattstunde.

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    Die Hauptgründe für den schleppenden Ausbau sind nach wie vor fehlende Flächen und lange Genehmigungsverfahren durch unklare Regelungen

    Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des BDEW

    Angesichts der zuletzt stark gestiegenen Material- und Baukosten ist der Höchstpreis aus Sicht der Branche zu niedrig: „Zu diesem Preis lassen sich viele Projekte kaum mehr wirtschaftlich realisieren“, sagt Frank Grüneisen vom Bundesverband Windenergie (BWE) auf Anfrage von EnergieWinde. Der BWE plädiert dafür, den Höchstwert zum einen an den deutschen Industriepreisindex zu koppeln und zum anderen rückwirkend anpassbar zu gestalten. Der Preis wäre dann rund 40 Prozent höher, läge also bei rund 7,5 Cent je Kilowattstunde.

    Auch Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), beklagt den Kostendruck. „Viele Hundert Megawatt an bereits genehmigten Windenergieprojekten haben nicht an den vergangenen Ausschreibungen teilgenommen. Die Gründe hierfür sind signifikante Kostensteigerungen für Windenergieanlagen und Netzanschlusstechnik“, sagt Andreae gegenüber EnergieWinde.

    Doch es hapert nicht nur am Geld: „Die Hauptgründe für den schleppenden Windkraft-Ausbau sind nach wie vor fehlende Flächen und lange Genehmigungsverfahren durch unklare Regelungen“, sagt Andreae.

    Windräder vor Alpenpanorama: Der Ausbau der Erneuerbaren nimmt auch ein Jahr nach Antritt der Ampelregierung noch nicht wirklich Fahrt auf.

    Windräder am Alpenrand: Um auf 5000 Megawatt zu kommen, müssten in Deutschland jeden Tag im Schnitt 3,4 neue Vier-Megawatt-Anlagen aufgestellt werden.

    Laut Dennis Rendschmidt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) weisen die politischen Rahmenbedingungen erhebliche Schwächen auf, etwa den hohen bürokratischen Aufwand und nationale Sonderregeln. Für ihn ist klar: „Falls sich diese Situation nicht schnellstmöglich zum Positiven ändert, besteht auch die Gefahr des Verlusts von Know-how, Wertschöpfung und Beschäftigung am Standort Deutschland und Europa.“

    Auf zwei Prozent des Landes sollen Windräder stehen. Noch sind es 0,8 Prozent

    Besonders drängend ist die Flächenfrage. Laut dem Umweltbundesamt wären grundsätzlich 13,8 Prozent von Deutschlands Boden für den Bau von Windparks geeignet. Derzeit sind 0,8 Prozent explizit dafür ausgewiesen. Die Bundesregierung hat zwar nun festgelegt, dass es künftig zwei Prozent je Bundesland sein müssen. Doch die zu bebauen, dürfte schwierig genug werden: Anwohner, die Flugsicherung, die Bundeswehr und auch die Wetterdienste verhindern viele Projekte. „Es muss auch sichergestellt werden, dass auf diesen Flächen tatsächlich Windräder entstehen. Viel zu häufig scheitern Projekte im Laufe des Zulassungsverfahrens“, sagt Andreae. Das erste Staffelziel von 1,4 Prozent bis Ende 2027 greife zudem viel zu spät, um den nötigen Ausbau bis 2030 hinreichend zu unterstützen.

    Auch der Artenschutz hemmt den Ausbau. Hinter der Hälfte aller Klagen gegen Windprojekte standen zuletzt Umwelt- und Naturschutzvereinigungen. Meist geht es um Vogel- und Fledermausarten. Laut Dennis Rendschmidt sollte die Artenschutzgesetzgebung standardisiert werden und auf sogenannten probabilistischen Methoden basieren. Dabei rückt die Wahrscheinlichkeit für Unfälle in den Vordergrund, nicht die schiere Anwesenheit einer Art im Umfeld eines Windrads.

    Daneben erweist sich zunehmend der Denkmalschutz als Ausbaubremse. Problematisch sei insbesondere der Umgebungsschutz bei Denkmälern, sagt Andreae: „Hierfür gibt es keine einheitlichen, klar definierten Maßstäbe. Das führt dazu, dass in Deutschland die Genehmigungen zahlreicher Windenergieprojekte zum Teil deutlich erschwert werden.“

    Bis zu sieben Jahre von der Planung bis zum Bau: Die Verfahren dauern viel zu lang

    Die Bürokratie ist ein weiterer Bremsklotz. Teils beträgt die Zeit von der Planung bis zum Baubeginn bis zu sieben Jahre. Allein die Antragstellung für Schwerlasttransporte kann zur Herkulesaufgabe werden. Zudem ist die Infrastruktur vielerorts schlecht, sodass teure Umwege in Kauf genommen werden müssen, weil etwa Brücken marode sind. Insgesamt gelte es Verfahren zu standardisieren, zu beschleunigen und zu digitalisieren, fordert der BDEW.

    Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des BDEW, erklärt, was passieren muss, damit der Ausbau der Windenergie wieder in Schwung kommt.

    „Es gibt wohl keine Bundesregierung in der Geschichte, die gleich zum Anfang ihrer Regierungszeit mit solchen extremen Herausforderungen konfrontiert war wie die jetzige“, sagt Kerstin Andreae.

    Der Fachkräftemangel ist ein weiterer Punkt, der der Branche zu schaffen macht. Bis 2035 fehlen bis zu 767.000 Fachkräfte, heißt es in einer Studie von Bündnis90/Die Grünen: Elektrikerinnen, Kran- und Lkw-Fahrer, Monteurinnen, die in schwindelnder Höhe arbeiten, Mitarbeiter in Büros. Mit Umschulungen allein wird sich das Problem nicht beheben lassen, sagt Kerstin Andreae: „Wir müssen in Deutschland in Ausbildung investieren.“ Aber nicht nur in den Unternehmen fehlen helfende Hände. Auch die Genehmigungsbehörden müssen personell und technisch so ausgestattet werden, dass sie die größeren Projektvolumina stemmen können.

    Ein dicker Brocken für den Maschinen- und Anlagenbau seien funktionierende Wertschöpfungsketten sowie die Verfügbarkeit von Rohstoffen, heißt es beim VDMA. Für Energiewendemetalle wie Kupfer, Nickel, Lithium, Kobalt und Seltene Erden gäbe es – Stand heute – zwar keine Ressourcen-Knappheit, sehr wohl aber werde mit einem stark steigenden Bedarf gerechnet. Ob der Nachschub also auf Dauer gesichert ist, ist fraglich. Um den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Hochlauf von Wasserstofftechnologien in der erforderlichen Geschwindigkeit zu gewährleisten, müssten zeitnah Lösungen für eine sichere Versorgung mit kritischen Mineralien umgesetzt werden.

    Trotz aller Probleme: Die Branche hat auch Lob für Robert Habeck übrig

    Mit der Arbeit von Wirtschafts- und Klimaminister Habeck sind die meisten von EnergieWinde befragten Experten ungeachtet aller Schwierigkeiten dennoch zufrieden. Kerstin Andreae vom BDEW sagt: „Es gibt wohl keine Bundesregierung in der Geschichte, die gleich zum Anfang ihrer Regierungszeit mit solchen extremen Herausforderungen konfrontiert war wie die jetzige. Ich finde, dass Robert Habeck in dieser Zeit sehr viel auf den Weg gebracht und wichtige Maßnahmen getroffen hat.“

    Dennis Rendschmidt vom VDMA äußert Lob und einen Wunsch: „Das BMWK hat in den letzten Monaten wichtige Arbeit geleistet und zahlreiche Weichen gestellt und notwendige Prozesse gestartet. Wichtig ist, dass diese nun mit konkreten Maßnahmen unterlegt werden, so dass die Umsetzung der ambitionierten Zubauziele schnellstmöglich erfolgen kann.“

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