Thinktanks präsentieren 50 Klimaschutz-Instrumente

  • Search08.07.2021

Agenda 2045

In einem Wahlkampf, der sich im Ungefähren und auf Nebenschauplätzen verliert, sind konkrete Vorschläge für den Klimaschutz rar. Eine Ausnahme ist das Paket aus 50 Einzelmaßnahmen, das jüngst drei Thinktanks präsentiert haben. Der Leitgedanke: Grün muss günstig sein.

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    Wärmebild-Aufnahme des Brandenburger Tors: Die Stiftung Klimaneutralität sowie Agora Energiewende und Agora Verkehrswende haben 50 Politikinstrumente zum Klimaschutz vorgestellt.

    Wärmebild des Brandenburger Tors: Die Klimakrise spielt im Bundestagswahlkampf bislang keine große Rolle.

     

    Von Volker Kühn

    Anfang Mai kam plötzlich Leben in die Sache. Nachdem das Bundesverfassungsgericht das Klimagesetz gewogen und für zu leicht befunden hatte, verfiel die Bundesregierung in Betriebsamkeit. Im Eilverfahren beschloss sie ein neues Klimaziel: Statt ab 2050 soll Deutschland nun schon ab 2045 nicht mehr CO2 in die Luft blasen, als gleichzeitig entnommen wird. Doch wer gehofft hatte, der Wahlkampf würde sich nun um die Frage drehen, welche Partei den besten Weg zu diesem Ziel kennt, wurde enttäuscht. Die Debatte bleibt vage oder verlagert sich auf Nebenschauplätze. Selbst die Grünen meiden nach dem verheerenden Echo in der Benzinpreisdebatte derzeit klare Kante in der Klimapolitik.

    Dass es anders geht, haben jüngst drei Thinktanks bewiesen. Mitte Juni legten die Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende und Agora Verkehrswende 50 aufeinander abgestimmte Gesetzesvorschläge vor. Der Rahmen dafür war standesgemäß gewählt, die Direktoren Rainer Baake, Patrick Graichen und Christian Hochfeld präsentierten ihr Klimapaket in der Bundespressekonferenz. Der Titel: „Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland – 50 Empfehlungen für die 20. Legislaturperiode“ (das Papier der Thinktanks gibt es hier als PDF). Das Paket soll der künftigen Bundesregierung, in welcher Konstellation auch immer, als Werkzeugkoffer in der Klimapolitik dienen.

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    Das Elektroauto muss günstiger als der Verbrenner sein, die Wärmepumpe günstiger als der Heizkessel

    Patrick Graichen, Agora Energiewende

    Den Leitgedanken des Papiers formulierte Graichen so: Wann immer eine Investitionsentscheidung zwischen einer fossilen und einer grünen Technologie anstehe, müsse die grüne Alternative die wirtschaftlich bessere sein. „Die Zukunft ist grün und günstig. Das heißt, das Elektroauto muss günstiger als der Verbrenner sein, die Wärmepumpe günstiger als der Heizkessel“, sagte der Agora-Energiewende-Chef. Voraussetzung dafür seien steigende Preise für fossile Energie und sinkende Ökostrompreise.

    Investitionen sollen in Bereiche umgeleitet werden, die dem Klimaschutz dienen

    Um dahinzukommen, haben die drei Denkfabriken einen umfassenden Instrumentenmix erarbeitet. Er beruht auf einer Vielzahl von Studien, erstreckt sich über sämtliche Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft und wurde in Teilen bereits in den vergangenen Wochen vorgestellt. Die zentralen Elemente sind eine CO2-Bepreisung, die fossile Technologien schrittweise verteuert, Ordnungsrecht, staatliche Förderungen und steuerliche Anreize.

    Ein derart umfassender Ansatz ist aus Sicht von Baake nötig, um die in den kommenden Jahren anstehenden Investitionen gezielt zu steuern. Nur so ließen sich milliardenschwere Fehlinvestitionen vermeiden. „Wir haben gesehen, was passiert, wenn der Staat nicht vorausschauend handelt. Gerade einmal zehn Jahre ist es her, dass neue, gefeierte Kohlekraftwerke in Betrieb gingen – jetzt greift der Staat tief in die Tasche der Steuerzahler, um das rückgängig zu machen“, sagte der frühere Staatssekretär im Umwelt- und Wirtschaftsministerium, der seit einem Jahr an der Spitze der neu gegründeten Stiftung Klimaneutralität steht. „Lasche Klimapolitik erweist der Industrie einen Bärendienst. Ständiges Nachsteuern, wie wir es in den letzten Jahren und Jahrzehnten erlebt haben, ist Gift für Investitionen und Planungen über eine Legislaturperiode hinaus“, ergänzte Agora-Verkehrswende-Direktor Hochfeld.

    Der CO2-Preis soll gedeckelt werden: Nur so ließen sich soziale Härten vermeiden

    Ein steigender CO2-Preis allein ist aus Sicht der drei dabei nicht geeignet, um Deutschland auf Klimaneutralität zu trimmen. Der Grund: Er müsste zu hoch steigen, um die gewünschte Wirkung zu entfalten. Das hätte aber zugleich soziale Verwerfungen zur Folge. Deshalb sei eine Kombination aus CO2-Preisen, ordnungsrechtlichen Maßnahmen und steuerlichen Entlastungen nötig. Konkret soll der Preis je Tonne 2023 auf 60 Euro je Tonne angehoben werden, 2024 in einem Korridor von 60 bis 80 Euro gehandelt werden und 2025 zwischen 80 und 100 Euro. In den Folgejahren soll der Mindestpreis im CO2-Handel dann um je zehn Euro steigen.

    Mit Blick auf die Benzinspreisdebatte mahnten Baake, Graichen und Hochfeld mehr Ehrlichkeit in der öffentlichen Auseinandersetzung an. Die Politik dürfe nicht mit verkürzten Phrasen und in der Hoffnung auf kurzfristige Umfrageerfolge die Instrumente zerreden, die sie nach der Wahl brauche, um Deutschland in die Klimaneutralität zu steuern. Es sei klar, dass der Weg dorthin über eine Verteuerung fossiler Energien führe. Gleichzeitig werde das Geld den Bürgern aber an anderer Stelle zurückgegeben – die Vorschläge sehen dazu eine Abschaffung der EEG-Umlage vor. Durch diese Kombination bringe man die Marktkräfte dazu, in die richtige Richtung zu wirken. Andernfalls müsse man mit Steuermitteln gegen den Markt „ansubventionieren“, so Baake, was angesichts der leeren Kassen nach der Coronapandemie schwer möglich sei. „Das ist ein Stück weit eine Umverteilung hin zu den unteren Einkommensgruppen, die davon am stärksten profitieren“, sagte Baake.

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