Grüne Bundesanleihe

  • Search22.01.2021

Das Problem mit dem Zwilling

Als der Bund kürzlich seine erste grüne Staatsanleihe herausgab, rissen sich Investoren darum. Für den Finanzminister ist das ein Erfolg, für den Kampf gegen die Klimakrise aber bestenfalls ein kleiner Sieg. Wie das Papier funktioniert und was Kritiker bemängeln.

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    Von Volker Kühn

    Der 2. September 2020 war ein Tag der guten Laune im Bundesfinanzministerium. An jenem Mittwoch brachte Deutschland seine erste grüne Staatsanleihe auf den Markt. Die Käufer rissen sich darum: Vier Milliarden Euro wollte der Bund einnehmen, 6,5 Milliarden flossen am Ende tatsächlich auf sein Konto, die Nachfrage lag sogar bei 33 Milliarden. Mit dem Geld will Deutschland nachhaltige Projekte finanzieren, etwa den Aufbau einer Ladeinfrastruktur für E-Autos und die Produktion von grünem Wasserstoff. Der Einstieg in den klimafreundlichen Umbau der Staatsfinanzen ist damit geglückt.

    Mehr allerdings nicht. Damit Deutschland wie geplant zum Vorreiter in der grünen Finanzwirtschaft wird, müssen weitere Schritte folgen. Bislang ist der Bund sogar eher ein Nachzügler. Polen hat schon 2016 grüne Staatsanleihen herausgegeben, Frankreich, 2017, Belgien 2018 und die Niederlande 2019.

    Grüne Anleihen helfen dem Staat, klimaschonende Investments zu tätigen

    Die Anleihen funktionieren dabei überall ähnlich: Der Staat benennt konkrete Klimaprojekte, zu deren Finanzierung er sich bei Anlegern Geld leiht, indem er Anleihen ausgibt. Sie haben eine bestimmte Laufzeit – im Fall der deutschen Anleihe zehn Jahre –, werden verzinst und können an der Börse gehandelt werden. Am Tag der Fälligkeit zahlt der Staat das Geld zurück.

    Bundesfinanzminister Olaf Scholz (links) und seinem Staatssekretär Jörg Kukies ist mit der ersten grünen Bundesanleihe ein Coup geglückt. Die Nachfrage überstieg das Angebot um das Fünffache.

    Bundesfinanzminister Olaf Scholz (links) und seinem Staatssekretär Jörg Kukies ist mit der ersten grünen Bundesanleihe ein Coup geglückt. Die Nachfrage überstieg das Angebot um das Fünffache.

    Finanzexperten prophezeien, dass der Markt für grüne Anleihen stark wachsen wird. Immer mehr Unternehmen und Großanleger arbeiten daran, ihr Finanzportfolio klimafreundlich umzuschichten. Zugleich entwirft die EU derzeit eine sogenannte Taxonomie, ein Instrument, mit dem nachhaltige Anlagen identifiziert und klassifiziert werden können. Es soll helfen, die Milliardenströme der Finanzindustrie für den Klimaschutz und den Green New Deal der EU zu mobilisieren. Auch Privatanleger suchen verstärkt Möglichkeiten, ihr Geld so anzulegen, dass es dem Klima, der Umwelt oder sozialen Zwecken dient und obendrein Gewinn abwirft.

    Die Rendite ist negativ: Anleger bezahlen dafür, Deutschland Geld zu leihen

    Die grüne Bundesanleihe ist für Kleinanleger allerdings wenig attraktiv. Denn der sogenannte Kupon, also der Zins, den der Staat darauf zahlt, liegt bei null Prozent. Wer die Anleihe mit dem Ziel kauft, sie bis zur Fälligkeit zu halten, macht schon wegen der Inflation ein schlechtes Geschäft. Selbst die niedrig verzinsten Tagesgeldkonten bringen mehr. Das gilt nicht nur im Fall der grünen Anleihe vom September, sondern auch für anderen Anleihen des Bundes.

    Dass institutionelle Investoren wie Pensionsfonds oder Versicherungen dennoch Schlange stehen, wenn der Bund Anleihen ausgibt, hat mehrere Gründe. Zum einen gilt der deutsche Staat als höchst solide, eine Staatspleite erscheint undenkbar. Wer Deutschland Geld leiht, muss also kaum fürchten, dass sein Kreditnehmer ausfällt. Für diese Sicherheit sind manche Anleger seit einigen Jahren bereit, eine negative Rendite in Kauf zu nehmen.

    Zum anderen haben viele Großinvestoren strenge Richtlinien. Sie sind gezwungen, ihr Geld zu einem gewissen Teil in Anlagen mit höchster Kreditwürdigkeit zu stecken. An einem Kauf von deutschen Staatsanleihen kommen sie damit kaum vorbei. Einigen Investoren dürfte auch der grüne Anstrich gefallen, den die Ökoanleihen ihrem Portfolio verleihen.

    Ob die Anleihe in dieser Form dem Klima dient, ist fraglich. Schuld ist ihr Zwilling

    Großinvestoren ist neben der Sicherheit noch ein anderer Punkt wichtig: Die Anleihen sind extrem liquide. Das bedeutet, dass sie zu jeder Zeit an der Börse ge- und verkauft werden können, auch in Stressphasen, in denen der Markt nur eingeschränkt funktioniert. Bundesanleihen sind dann ein sicherer Hafen – wegen Deutschlands hoher Kreditwürdigkeit, aber auch, weil sie in einem so großen Volumen ausgegeben werden.

    Die Liquidität der ersten grünen Anleihe hat die zuständige Finanzagentur des Bundes mit einem cleveren Schachzug zusätzlich erhöht: Sie stellte ihr einen konventionellen „Zwilling“ zur Seite – eine gewöhnliche Anleihe mit gleicher Laufzeit und gleichem Zins, die nicht an die Finanzierung nachhaltiger Projekte gebunden ist. Anleger können ihr grünes Papier jederzeit in das braune tauschen. So sollten Befürchtungen zerstreut werden, dass die neuartige grüne Anleihe weniger liquide ist, also schlechter handelbar sein könnte.

    Doch genau darin sehen Kritiker ein Problem. Aus ihrer Sicht könnte die braune Anleihe die Wirkung der grünen aufheben oder zumindest schmälern. Schließlich können mit den Erlösen aus dem Zwillingspapierpapier auch klimaschädliche Projekte finanziert werden. Wer als Käufer der grünen Anleihe den Effekt seines Investments auf das Klima beurteilen will, müsse deshalb stets den Effekt des daran gebundenen konventionellen Zwillings mitberücksichtigen.

    Das Geld fließt nicht in neue Ökoprojekte. Sondern in ohnehin vorgesehene

    Das ist aber nicht der einzige Makel an der ersten grünen Bundesanleihe. Kritisiert wird zudem, dass die Einnahmen daraus in Projekte fließen, die ohnehin im Staatshaushalt eingeplant waren. Sie bringen also keinen zusätzlichen Schwung für den Klimaschutz. Die Opposition sprach deshalb von einer Mogelpackung. Zudem sei der Anteil grüner Anleihen an der Neufinanzierung bislang viel zu gering.

    Zumindest das dürfte sich allerdings ändern. Der Bund plant, künftig regelmäßig weitere Ökoanleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten herauszugeben. Wenn der Staatshaushalt langfristig mehr als nur grüne Sprenkel enthalten soll, reichen grüne Anleihen allerdings nicht. Der Haushalt selbst muss viel stärker an ökologischen Projekten ausgerichtet werden. Die Anleihen können dann helfen, diese Projekte zu finanzieren.

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