Windräder für Schwachwindzonen

  • Search09.10.2022

Aufbau Süd

Hohe Türme, lange Flügel, kleine Generatoren: Eine neue Generation von Windrädern soll Regionen mit schwachem Wind erschließen. Vor allem Bayern und Baden-Württemberg könnten davon profitieren. Was die Anlagen leisten.

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    In Süddeutschland weht weniger Wind als im Norden. Doch auch dort lässt sich effizient Windstrom produzieren: mit neuen, speziell an die Standorte angepassten Windrädern.g

    Montage eines Windrads: Moderne Anlagen drehen sich schon bei geringen Windgeschwindigkeiten.

     

    Von Daniel Hautmann

    37 Kilowatt pro Quadratkilometer: Das ist die installierte Windkraftleistung im flächenmäßig größten deutschen Bundesland Bayern. Im benachbarten Baden-Württemberg sieht es mit 48 Kilowatt je km² nicht viel besser aus. Im Flächen-Leistungs-Vergleich ist ein eher kleines Bundesland Klassenbester: Schleswig-Holstein mit 456 Kilowatt je km². Verglichen mit Bayern ist das Faktor zwölf. Auch die anderen norddeutschen Länder hängen den Süden ab.

    Windenergie nach Bundesländern: Schleswig-Holstein hat mehr Windkraftleistung im Verhältnis zur Landesfläche installiert als alle anderen Flächenländer. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Nun kann man entgegnen, dass der Wind im Norden eben stärker und häufiger weht, was auch stimmt. Dennoch lässt sich auch in der Mitte und im Süden der Republik Wind effizient in Strom wandeln. Spezielle Anlagen für schwache bis mittlere Windstandorte machen es möglich. Sie zeichnen sich durch besonders hohe Türme, extra lange Rotorblätter und vergleichsweise leistungsschwache Generatoren aus.

    Solche Anlagen haben inzwischen nahezu alle Hersteller im Angebot. Auf der Windenergie-Messe in Hamburg präsentierten kürzlich sowohl Vestas als auch Enercon und Nordex entsprechende Maschinen. Man kann sich das vorstellen wie bei einem Windsurfer, dem auf der stürmischen Nordsee ein kleines Segel genügt, um durch die Wellen zu fetzen. Um auf dem windarmen Chiemsee im Süden dasselbe Tempo zu erreichen, muss er ein deutlich größeres Segel aufziehen.

    Auch bei wenig Wind erreichen die richtigen Turbinen eine hohe Auslastung

    „Letztlich ist das Verhältnis von Rotorfläche zu Generatorleistung ausschlaggebend“, sagt Volker Quaschning, Energieexperte an der Hochschule für Wirtschaft und Technik in Berlin. Spezialisten aus der Kraftwerkswelt nennen das den Kapazitätsfaktor. Er gibt die Anzahl der produzierten Volllaststunden pro Jahr an. „Mit den modernen Windkraftanlagen mit sehr niedriger spezifischer Leistung sind an sehr guten Standorten Kapazitätsfaktoren von bis zu 50 Prozent und im Binnenland bis zu 40 Prozent möglich“, sagt Po Wen Cheng, Windkraftexperte an der Universität Stuttgart.

    Windräder in Ettenheim, Baden-Württemberg, ragen hoch über eine Nebelbank hinaus: In Süddeutschland müssen die Anlagen höher sein, um dieselbe Energieausbeute wie im Norden zu erreichen.

    Windräder im baden-württembergischen Ettenheim: pro Höhenmeter ein Prozent mehr Ertrag.

    Um ein Verständnis für die Dimensionen zu bekommen: Enercons Schwachwindanlage E-138 EP3 hat einen Rotordurchmesser von 138,25 Metern und einen 4,2 Megawatt starken Generator. Das Maschinenhaus steht auf bis zu 160 Meter hohen Türmen. Die sogenannte Einschaltgeschwindigkeit des Windes, von der an die Rotorblätter den Generator in Betrieb setzen, liegt bei zwei Metern je Sekunde.

    Po Wen Cheng berichtet von Vier-Megawatt-Anlagen in China, mit 191 Meter Rotordurchmesser. Künftig hält er sogar Nabenhöhen von bis 250 Meter für möglich.

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    Die Standorte im Norden werden knapp – wir müssen im Süden also mehr installieren

    Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme

    Für Volker Quaschning liegt es auf der Hand, in der Mitte und im Süden Deutschlands mehr und höhere Windturbinen zu errichten. „Die Ökonomie ist auf jeden Fall sinnvoll. Zudem werden die Standorte im Norden knapp – wir müssen im Süden also mehr installieren.“

    Das Umweltbundesamt hat bereits 2013 in einer Studie das Leistungspotenzial geografisch aufgeschlüsselt. Demnach sind in Deutschland rund 1200 Gigawatt installierter Leistung und ein jährlicher Ertrag von 2900 Terawattstunden technisch möglich. Der Anteil würde dann im Norden 44,3 Prozent, in der Mitte 24,1 und im Süden 31,6 betragen.

    Klar ist, um die Ausbeute im Binnenland auf ein ähnlich gutes Niveau wie an den Küstenstandorten zu hieven, bleibt nur der Weg in die Höhe. Eine Faustformel besagt, dass jeder Meter gen Himmel ein Prozent mehr Ertrag liefert.

    Das Unternehmen Windwise aus Münster verfolgt derweil eine andere Philosophie und hat eine Schwachwindanlage präsentiert, die die das Thema nochmals auf ein anders Niveau hebt. Die Turbine Maxcap hat nur 2,3 Megawatt. Der Rotordurchmesser ist mit 141 Metern ähnlich groß wie bei den Maschinen der oben genannten Hersteller.

    Turbinenstrang eines Windrads von Windwise: Die Münsteraner Firma will mit ihren Anlagen speziell Regionen mit schwachem Wind erschließen.

    Turbinenstrang einer Anlage von Windwise: „Wir besetzen eine Nische.“

    Die von der EU geförderte Entwicklung soll auf Stahlrohrtürmen mit Nabenhöhen zwischen 107 und 126 Metern errichtet werden. „Das steigert den Kapazitätsfaktor“, sagt Windwise-Geschäftsführer Markus Becker. Die Idee: Wenn die Nennlast früher erreicht wird, werden die Anlage und das Netz besser genutzt. „Wir gehen auf maximale Volllaststunden und können so mit unseren Anlagen besser Grundlast liefern. Wir besetzen eine Nische im Windgeschwindigkeitsbereich unter 6,5 Meter je Sekunde.“

    Die Anlage läuft langsam und leise – und kann so näher an Wohngebieten stehen

    Die Münsteraner haben die Anlage sicherlich nicht ohne Hintergedanken an den zukünftigen Ausbau der Windenergie in Deutschland entwickelt. Die Flügel drehen sich laut Hersteller mit nur 270 Stundenkilometern Blattspitzengeschwindigkeit, verglichen mit den sonst üblichen rund 300 Stundenkilometern. Die minimierte Geschwindigkeit wirke sich positiv auf die Lärmentwicklung aus, daher könne die Anlage näher an Wohngebiete heranrücken.

    Parallel wurde der Triebstrang optimiert. Ein neu entwickeltes zweistufiges Planetengetriebe wird dafür mit einem mittelschnellen Synchron-Generator kombiniert. So sei der Wirkungsgrad optimiert worden. Im Sommer 2023 soll der Prototyp errichtet werden.

    Vielleicht bekommt das flächenmäßig größte Bundesland Bayern dank der modernen Anlagentechnik ja doch noch Aufwind und schließt im Ranking zum Norden auf.

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