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  • Search30.07.2023

Aus Wind wird Wärme

Statt Wind erst in Strom und dann in Wärme umzuwandeln, kann auch direkt Wärme erzeugt werden. Windthermie nennt sich diese Technologie, deren Potenzial Forscher derzeit in Niedersachsen untersuchen.

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    In Celle (Niedersachsen) erforscht das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit einer Testanlage die Erzeugung von Wärme durch ein Windrad.

    Testanlage im niedersächsischen Celle: Die mechanische Drehung der Rotorblätter treibt eine Wärmepumpe an.

     

    Von Daniel Hautmann

    Als in den Siebzigern in Folge der Ölkrise die Preise fürs Heizen durch die Decke gingen, kamen dänische Tüftler auf die Idee, eine Energiequelle zur Wärmeversorgung anzuzapfen, an die bis dahin kaum jemand gedacht hatte: den Wind. Bald entstand eine lebendige Szene von Windkraftenthusiasten. Mit selbst gebauten Anlagen erzeugten sie Strom, den sie nutzten, um über große Tauchsieder Wasser zu erhitzten und damit die Heizkörper in Häusern, Firmen und Klassenräumen auf Temperatur zu bringen. Aus Wind wurde Wärme.

    Heute gibt es in Deutschland ähnliche Bestrebungen. Fast 40 Prozent aller CO2-Emissionen entstehen beim Heizen. Sie stammen vor allem aus Erdgas und aus zur Wärmeversorgung von Haushalten und Industrie eingesetzten Kohlekraftwerken. Will Deutschland wie geplant 2045 klimaneutral sein, müssen diese fossilen Energieträger durch erneuerbare ersetzt werden. Es ist eine Herkulesaufgabe, die zuletzt hitzige Debatten ausgelöst hat. Im Fokus stand dabei die strombetriebene Wärmepumpe, die alte Öl- und Gaskessel im Heizungskeller ablösen soll.

    Doch statt zunächst in Windparks Strom zu erzeugen, der dann ins Netz eingespeist wird und schließlich in Wärmepumpen landet, könnte die alte Idee aus Dänemark ein Revival erleben: Die Wärme käme dann ohne Umweg direkt aus speziellen Windrädern.

    Der Clou der Windthermie: Die Umwandlung von Wind in Strom entfällt

    Fachleute nennen die Technologie Windthermie. Ihr Vorteil liegt darin, dass sie einen Umwandlungsschritt einspart, nämlich den von Wind zu Strom. Da bei jeder Umwandlung ein Teil der Energie verlorengeht, ist die direkte Umwandlung von Wind in Wärme effizienter.

    Testanlage zur direkten Erzeugung von Wärme durch ein Windrad.

    Blick ins Innere der Testanlage: Die Forscher untersuchen das wirtschaftliche Potenzial und die Einsatzmöglichkeiten der Technologie.

    Entstanden ist die Idee diesmal in einer japanisch-deutschen Kooperation unter Federführung des DLR-Instituts für Flugsystemtechnik in Braunschweig. Ziel war es, eine intelligente Lösung für Zeiten zu schaffen, in denen mehr Windstrom zur Verfügung steht, als zugleich von den Verbrauchern im Stromnetz nachgefragt wird. Um die Leitungen stabil zu halten, werden Windparks in solchen Phasen meist abgeregelt, wofür ihre Betreiber teuer entschädigt werden müssen. „Wieso erzeugen wir stattdessen nicht Wärme“, habe man sich gefragt, sagt Malte Neumeier, der beim DLR das Projekt Aerothermie leitet.

    Der Prototyp steht in Celle. Er verbindet ein Windrad mit einer Wärmepumpe

    Eine knappe Autostunde nördlich von Braunschweig, in Celle, betreibt das DLR auf dem Gelände des Kleinwindkraftanlagen-Herstellers PSW einen Prototypen, der zeigen soll, dass diese Technologie grundsätzlich funktioniert. Die Anlage besteht aus einem 22 Meter hohen Kleinwindrad und einem 20-Fuß-Container, ähnlich wie man ihn auf Lkw und Schiffen sieht. Vom Windrad führt eine Welle in die graue Blechkiste, in der die Wärmetechnik untergebracht wird. Die mechanische Drehung der Rotorblätter soll dabei eine Wärmepumpe antreiben – also das tun, wozu gewöhnlich Strom eingesetzt wird.

    Im Unterschied zum gleichmäßig fließenden Strom schwankt die Drehgeschwindigkeit der Rotorblätter allerdings mit dem Wind. Die Herausforderung besteht darin, dafür eine Lösung zu finden. Ein Wasserbecken dient als Speicher für die erzeugte Wärme.

    „Windthermie kann eine sinnvolle Ergänzung für die nachhaltige Wärme werden“

    In der Forschergemeinde stößt das Projekt in Celle auf Interesse. „Die Windthermie kann eine sinnvolle Ergänzung für die nachhaltige Wärme werden“, sagt etwa der Windkraftexperte Po Wen Cheng von der Universität Stuttgart. Beim Wärmebedarf für Privathaushalte gebe es zwar sicherlich wirtschaftlich und technisch bessere Alternativen. Für Hochtemperaturwärme in der Industrie oder als Hochtemperatur-Wärmespeicher um Dampf für die Wiederverstromung zu erzeugen, könne die Technologie aber eine weitere sinnvolle Option sein, sagt Po Wen Cheng.

    Volker Quaschning, Spezialist für Regenerativ-Energien an der Hochschule für Technik in Berlin, äußert sich dagegen zurückhaltend: Die Windthermie werde eher eine Nischentechnologie für spezielle Anwendungen bleiben.

    Es sind allerdings nicht allein die technischen Fragen, die die DLR-Forscher umtreiben. Derzeit ist die weitere Finanzierung des Projekts offen. Ob die Idee dänischer Windkraftenthusiasten aus den Siebzigern in Deutschland technisch weiterentwickelt wird, ist nicht zuletzt eine Frage des Geldes.

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