Grünes Gas aus Offshore-Wind

  • Search26.08.2024

Operation Salzwasserstoff

Deutschland will ein Drittel seines Wasserstoffbedarfs künftig selbst erzeugen. Für besonders effizient halten Experten die Produktion in Offshore-Windparks. EnergieWinde erklärt, wie aus Salzwasser brennbares Gas gewonnen wird.

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    Geplanter Windpark zur Produktion von grünem Wasserstoff auf See: Die Visualisierung zeigt, wie die Elektrolyseure auf Plattformen an den Windrädern angebracht werden.

    Offshore-Windrad mit Elektrolyseur (Visualisierung): Der auf See erzeugte Wasserstoff könnte per Pipeline ans Festland kommen.

     

    Von Daniel Hautmann

    Wasserstoff soll im Energiemix der Zukunft eine Schlüsselrolle spielen. Das Gas ist ein vielseitig einsetzbarer Energieträger: Es soll Wind- und Solarstrom speichern und so Dunkelflauten den Schrecken nehmen. Es soll industrielle Prozesse umweltfreundlicher machen. Genauso das Heizen und den Verkehr.

    Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie hat die Bundesregierung die Weichen gestellt. Bis 2030 rechnet sie mit einem jährlichen Bedarf von bis zu 130 Terawattstunden. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lag der Bedarf bei 55 Terawattstunden. Und auch wenn manche Studien die Zahlen für zu hoch angesetzt halten, da sich viele Prozesse auch ohne den Umweg über Wasserstoff direkt per Grünstrom elektrifizieren ließen, steht doch fest: Ohne Wasserstoff, chemische Formel H2, wird es nicht gehen. Das Gas besitzt viel Energie, verbrennt sauber, kann gut transportiert werden und lässt sich über lange Zeit zuverlässig lagern.

    Um den Bedarf zu decken, will die Bundesregierung einen Großteil importieren. Immerhin ein Drittel soll aber auch in Deutschland produziert werden. Meist wird dazu überschüssiger Windstrom ins Spiel gebracht. Die Idee klingt einleuchtend: Statt die Turbinen abzuregeln, wenn sie mehr Strom erzeugen, als das Netz verkraftet, soll er in Elektrolyseuren zur Herstellung von Wasserstoff genutzt werden.

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    Inzwischen sind wir mehr oder weniger einig, dass aus Stromüberschuss produzierter Wasserstoff unwirtschaftlich ist. Sinnvoller sind spezifische Offshore-Windparks

    Po Wen Cheng, Uni Stuttgart

    Manche Experten halten das allerdings für einen zu teuren Weg. Sie setzen stattdessen auf die gezielte Wasserstofferzeugung auf See: „Inzwischen sind wir mehr oder weniger einig, dass aus Stromüberschuss produzierter Wasserstoff unwirtschaftlich ist. Sinnvoller sind spezifische Offshore-Windparks“, sagt der Windkraftspezialist Po Wen Cheng von der Universität Stuttgart im Gespräch mit EnergieWinde.

    Dem pflichtet Claudia Kemfert bei. Die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nannte Wasserstoff einmal „Champagner der Energiewende“. Denn die Herstellung des Brennstoffs ist im Vergleich zur Direktnutzung von Ökostrom deutlich weniger effizient; folglich sollte er sparsam eingesetzt werden. Offshore-Wasserstoff kann sie dennoch einiges abgewinnen: „Wasserstoff in Offshore-Windparks herzustellen, ist grundsätzlich sinnvoll, insbesondere weil dort viel Windstrom anfällt und per Elektrolyseur grüner Wasserstoff hergestellt werden kann“, erklärte Kemfert auf Nachfrage von EnergieWinde.

    Kabel oder Pipeline? Experten halten Letzteres für den besseren Weg

    Doch warum eigentlich auf See und nicht trockenen Fußes an Land? Ganz einfach, weil Windräder auf See erstens rund doppelt so viele Volllaststunden erreichen wie Turbinen an Land. Und zweitens, weil es deutlich effizienter ist, die Energie in Form von Wasserstoff per Pipeline oder auch per Schiff zu transportieren, als per Kabel. Molekül statt Elektron, heißt die Devise. Eine Pipeline kann ein Vielfaches der Energiemenge eines Kabels übertragen – zu geringeren Kosten.

    Das Frischwasser für den Elektrolyseur wird durch Entsalzung von Meerwasser bereitgestellt, das ist schließlich in Hülle und Fülle vorhanden. „Um ein Kilogramm Wasserstoff zu gewinnen, sind rund neun Liter Reinstwasser nötig“, sagt Anna Wunsch vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg im EnergieWinde-Gespräch. Wunsch hat im Projekt „OffsH2ore“ gemeinsam mit Partnern die Grundlagen der Offshore-Erzeugung von Wasserstoff erforscht.

    Das Verfahren: Wie aus Salzwasser grüner Wasserstoff wird

    Generell eignen sich zwei Prozesse für die Meerwasserentsalzung: die Umkehrosmose und die Multi-Effekt-Destillation (MED). „Beide Technologien werden seit Langem an Land und an Bord von großen Kreuzfahrtschiffen eingesetzt“, sagt Wunsch. Der Energiebedarf der Wasseraufbereitung sei gering. Er betrage lediglich 0,2 Prozent der Windkraftleistung. Dabei könne die Abwärme der Elektrolyse von 55 bis 70 Grad für die Entsalzung genutzt werden, was den Wirkungsgrad hebe.

    In einem Versuchslabor des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme (IWES) in Kassel wird eine Anlage zur Meerwasserentsalzung getestet. Im kommenden Jahr soll sie ins „HydrogenLab“ nach Bremerhaven umziehen – und dann näher am Salzwasser der Nordsee sein.

    Die Erzeugung des Wasserstoffs folgt dem Prinzip der Elektrolyse – so nennt man die Zerlegung einer chemischen Verbindung mit elektrischem Strom. Hier sind es die Bestandteile von Wasser, also Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2). Um die Verbindung zu trennen, gibt es zwar verschiedene Varianten; als Favorit hat sich die sogenannte Proton-Exchange-Membran-Elektrolyse-Methode (PEM) herausgestellt. PEM-Brennstoffzellen werden bereits an Bord von Schiffen und U-Booten eingesetzt.

    „Die PEM-Elektrolyse ist die bevorzugte Technologie für die Offshore-Umgebung. Wir können mit diesem Elektrolyseur auf das begrenzte Platzangebot auf der Plattform angemessen reagieren und nutzen das dynamische Betriebsverhalten dieser Elektrolysevariante“, sagt Wunsch. Mit PEM-Elektrolyseuren lasse sich zudem zügig auf Schwankungen der zugeführten Energie reagieren und der Elektrolyseur problemlos auch in Teillast betreiben.

    Unterm Strich sei die Technologie keine Raketenwissenschaft. „Es gibt keine Show-Stopper, alle Komponenten sind kommerziell erhältlich“, sagt Wunsch.

    Geschätzter Bedarf an Wasserstoff in Deutschland in Terawattstunden: Von 2023 bis 245 steigt der Bedarf von 55 auf mehr als 350 Terawattstunden. Infografik: Andreas Mohrmann

    Wo die Anlagen untergebracht werden, ist noch offen. Es gibt zwei Optionen: an oder in der Windkraftanlage oder auf einer eigenen Plattform. Die Forscher und Forscherinnen um Anna Wunsch haben gemeinsam mit weiteren Partnern im Projekt „OffsH2ore“ eine für den Einsatz auf dem Meer optimierte Wasserstofferzeugungsanlage designt. Größenordnung der Elektrolyseplattform: 530 Megawatt samt Nebenaggregaten. Damit ließen sich bis zu 50.000 Tonnen grüner Wasserstoff pro Jahr erzeugen.

    2030 soll die Wasserstoffproduktion starten. Los geht es vor Helgoland

    Zehn Gigawatt Offshore-Erzeugungskapazität sollen in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) nordwestlich von Helgoland entstehen. Zum Start ist bis 2030 ein Gigawatt geplant. In der Behördensprache ist von einem „sonstige Energiegewinnungsbereich“ die Rede, kurz „SEN-1“.

    Für die Projekte in der Nordsee ist sogar bereits eine Pipeline in Vorbereitung: AquaDuctus. Die insgesamt 500 Kilometer lange Röhre soll den in der AWZ erzeugten Wasserstoff nicht nur in Wilhelmshaven anlanden, sondern „das Herzstück einer vernetzten Offshore-Infrastruktur zwischen Deutschland und den Nordseeanrainern“ werden, wie es auf der Projektwebsite heißt. Dadurch würden die europäischen Zentren für die Produktion und den Bedarf an grünem Wasserstoff miteinander verknüpft. Erste Kapazitäten der Pipeline sollen ab 2030 bereitstehen.

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