CO2-Emissionen der Schifffahrt

  • Search10.03.2023

Grüner ins Blaue

Frachtschiffe gehören zu den größten Klimasündern überhaupt. Noch fahren fast alle mit dreckigem Schweröl. Im finnischen Vaasa arbeiten Ingenieure an einer sauberen Zukunft mit Wasserstoff, Ammoniak und Bio-LNG. Ein Ortsbesuch.

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    Grüner ins Blaue: Bio-LNG, Wasserstoff und Ammoniak sollen die Schifffahrt von ihrem Schweröl-Problem befreien und klimafreundlich machen.

    Schornsteine eines Containerschiffs: 90 Prozent aller Waren und Güter weltweit werden per Schiff transportiert.

     

    Von Angelika Nikionok-Ehrlich

    Wie man die Emissionen auf der Straße mindert, wird derzeit heiß diskutiert. Ein anderer Verkehrssektor dagegen wird oft übersehen: die Schifffahrt. Dabei hat auch sie ein gravierendes Abgasproblem. Laut der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO sind Schiffe nicht nur für hohe Schwefel- und Stickoxid-Emissionen verantwortlich, sondern auch für zwei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes. Die Gesamtemissionen im Transportsektor machen etwa zehn Prozent aus.

    Zudem werden durch chemikalienhaltige Abwässer die Ökosysteme im Meer geschädigt. Das Wasser versauert und reichert sich mit einem Überangebot an Nährstoffen an, wodurch es zu verheerenden Algenblüten kommen kann. Besonders schädlich ist das Schweröl, das den meisten Schiffen als Antrieb dient. Es wird aus Rückständen der Raffinerien gewonnen und ist noch weitaus schmutziger als Lkw-Diesel.

    Einige Zahlen verdeutlichen das Ausmaß des Problems:

    • Täglich verkehren auf den Weltmeeren an die 100.000 Schiffe. Das Gros macht dabei der Gütertransport aus, sei es auf Containerschiffen oder Frachtern, die Rohstoffe wie Öl oder Kohle transportieren.
    • 90 Prozent des Welthandels erfolgten 2021 auf dem Seeweg.
    • Jedes dritte Schiff weltweit steuert einen Hafen in der EU an oder legt von hier ab. Die Nord- und Ostsee gehören damit laut dem Umweltbundesamt zu den am dichtesten befahrenen Meeren überhaupt. Entsprechend groß ist Europas Verantwortung.
    • Allein 2018 bliesen Schiffe laut der IMO mehr als eine Milliarde Tonnen Treibhausgase in die Luft.
    • Ohne politische Gegenmaßnahmen könnten sich die Emissionen bis 2050 gegenüber 2008 mehr als verdoppeln.

    Doch die Emissionen dürfen sich nicht verdoppeln, sie müssen drastisch sinken, um die zur Jahrhundertmitte angestrebte Klimaneutralität zu erreichen. Die Internationale Energie-Agentur (IEA) geht in ihrem Report „International Shipping“ allerdings davon aus, dass sie zwischen 2025 bis 2030 nur um etwa drei Prozent pro Jahr fallen werden. Dabei müssten sie sich eigentlich fast halbieren.

    Die IEA beschreibt auch, was dazu nötig wäre: „Der Schlüssel zur Dekarbonisierung des Schiffsverkehrs ist das Scaling-up [die massenhafte Ausweitung und Anwendung] von kohlenstoffarmen Treibstoffen.“

    Die Hoffnungsträger der Schifffahrt: Ammoniak und Wasserstoff und Bio-LNG

    An solchen Treibstoffen wird allerdings noch geforscht. Zwar gibt es bereits Schiffe mit Elektroantrieb (vor allem Fähren und Ausflugsboote), für Schwertransporte ist er allerdings ungeeignet. Auf der Liste stehen vor allem LNG (Flüssiggas), Ammoniak (NH3) und Wasserstoff (H2) – wobei fossiles LNG bestenfalls eine Übergangstechnologie sein kann. Um wirklich Klimaneutralität zu erreichen, muss das LNG aus biologischen Rohstoffen gewonnen werden; Wasserstoff und Ammoniak müssen aus erneuerbaren Energien erzeugt werden.

    In Deutschland forscht insbesondere das Fraunhofer-Institut mit staatlicher Förderung und Kooperationen an der Herstellung und Nutzung von Ammoniak aus grünem Wasserstoff, der aus Solar- oder Windenergie gewonnen wird. Ein anderes Projekt beschäftigt sich mit der weltweit ersten Brennstoffzelle für Schiffe auf Basis von Ammoniak.

    Die meisten Schiffe der Welt fahren mit fossilen Treibstoffen. Künftig sollen Wasserstoff, Ammoniak und Biotreibstoff eine größere Rolle spielen. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Bis 2030 soll der Anteil CO2-armer Treibstoffe in der Schifffahrt stark wachsen, um 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Noch spielen die alternativen Treibstoffe praktisch keine Rolle.

    Doch auch viele Schifffahrtsunternehmen selbst wollen klimafreundlicher werden. 2022 beschlossen mehr als 100 CEOs und Regierungsvertreter eine Partnerschaft, um Klimaprojekte voranzutreiben. Eine wichtige Rolle dabei spielt Wärtsilä. Das finnische Unternehmen mit 200 Standorten weltweit ist führend beim Bau von Dieselmotoren. Nach eigenen Angaben hat jedes zweite Schiff Wärtsilä-Technik an Bord, mit den Antrieben der Finnen fahren allein 85 Prozent der Kreuzfahrtschiffe.

    Wärtsilä hat im finnischen Vaasa eigens einen Sustainable Technology Hub (STH) eingerichtet, um klimafreundliche Antriebe zu entwickeln. Im Mitarbeiterteam sind 50 Nationalitäten vertreten „Unsere Mission ist die Dekarbonisierung von Marine und Energie“, erklärte STH-Direktor Mikael Wideskog bei einem Ortsbesuch gegenüber EnergieWinde.

    Im finnischen Vaasa arbeitet Wärtsilä an der grünen Zukunft der Schifffahrt: Wasserstoff, Ammoniak und Bio-LNG sollen Schweröl als Treibstoff verdrängen.

    Produktion von Wärtsilä in Finnland: Das Unternehmen hat eine Schlüsselrolle bei der Umstellung von Schiffsantrieben auf saubere Treibstoffe.

    Die Wärtsilä-Gasmotoren, die heute schon mit einem Anteil von 25 Prozent Wasserstoff laufen, sollen künftig 100 Prozent erreichen. Bis 2025 soll der Plan dafür stehen. Schon in diesem Jahr soll ein technisches Konzept vorliegen, das die Ammoniak-Quote in den Maschinen von 70 Prozent auf 100 Prozent bringt.

    Für die weitere Entwicklung nutzt Wärtsilä Partnerschaften, etwa mit dem finnischen Start-up Hycamite. Ziel ist die Entwicklung einer Technologie, um Wasserstoff an Bord aus Bio-LNG zu produzieren. Der Fokus bei Hycamite liegt auf der Produktion von „sauberem“ H2 und festem Kohlenstoff aus Methan, das aus Biomasse gewonnen wird. „Wir wollen die weltweit erste skalierte Demonstrationsanlage für die Pyrolyse bauen“, sagt CEO und Mitbegründerin Laura Rahikka. Sie lobt die Vorteile des Verfahrens: „Im Vergleich zur Elektrolyse wird nur dreizehn Prozent der Energie verbraucht.“ Bei der Pyrolyse von Methan fällt festes Carbon in Form von grobem Pulver an, das vielseitig als Grundstoff genutzt werden könne, erläutert Rahikka. „Unter anderem interessiert sich die Batterie-Industrie dafür.“

    Eine Wasserstoff-Infrastruktur fehlt noch. Bio-LNG könnte das Problem lösen

    Wasserstoff direkt an Bord von Schiffen zu produzieren, wäre aus Sicht von Mathias Jansson, Direktor für Gasversorgungssysteme bei Wärtsilä, kein großes Problem: „Unsere Gasmotoren können schon mit einer Mischung aus Wasserstoff und LNG betrieben werden“, berichtet er. „Zudem überwindet man mit dieser Lösung die fehlende H2-Infrastruktur und reduziert die Sicherheitsrisiken, die mit der Speicherung und dem Gebrauch von flüssigem Wasserstoff verbunden sind.“

    Weitere Vorteile: Die existierende LNG-Infrastruktur kann genutzt werden. „Die CO2- wie auch die Methan-Emissionen der Schiffe würden gesenkt“, so Jansson. Der Wasserstoff könne außerdem auf den Schiffen auch in Brennstoffzellen eingesetzt werden.

    LNG und Methanol werden in den Wärtsilä-Motoren bereits seit 2015 genutzt. Seitdem fährt die zwischen Deutschland und Schweden verkehrende Fähre „Stena Germanica“ als weltweit erstes Schiff komplett mit Methanol und damit nahezu ohne Schwefeloxid-Emissionen. Um CO2-frei zu sein, muss das Methanol jedoch aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden.

    Fast schwefelfrei unterwegs: Die „Stena Germanica“ befördert Autos und Passagiere zwischen Deutschland und Schweden.

    Fast schwefeloxidfrei unterwegs: Die „Stena Germanica“ befördert Autos und Passagiere zwischen Deutschland und Schweden.

    Die Unternehmensvertreter berichten, dass die Hybrid-Antriebe inzwischen vielfach nachgefragt werden: Im Dezember 2022 erhielt Wärtsilä den Auftrag, vier Kranschiffe damit auszustatten, die in China gebaut werden. Für diese und die nächste Dekade erwarten sie eine Beschleunigung des Treibstoff-Switches für die Schiffsantriebe.

    Anders Siggberg, Technik- und Innovationsmanager bei Wärtsilä in Vaasa, sieht eine Zukunft auch für Bio-LNG. „Das heutige, konventionelle LNG wird die Nutzung von Bio-LNG ohne technische Umstellungen ermöglichen“, betont er. Bio-LNG wird aus Biogas gewonnen, dieses wiederum im Idealfall aus organischen Abfällen. Man erwartet ein großes Einsatzpotenzial dafür, vor allem im Energie- und Transportsektor. Im Herbst 2022 testete Wärtsilä den Betrieb mit 100 Prozent Bio-LNG auf einem Kreuzfahrtschiff der Holland America Line. Allerdings ist die Verfügbarkeit von Biogas beschränkt, so dass auch synthetische Kraftstoffe entwickelt werden müssten, heißt es bei den Motorenbauern.

    Der „Fuel Switch“ wird noch dauern. Doch der Anfang ist gemacht

    Die Internationale Energie Agentur sieht in den Aufträgen für neue Schiffe einen „Trend zu alternativen Treibstoffen“. So seien im ersten Halbjahr 2022 66 Aufträge für Ammoniak-betriebene Schiffe erteilt worden, drei für Schiffe mit H2-Antrieben. Das Global Maritime Forum hat ermittelt, dass von 200 Pilot- und Demonstrationsprojekten etwa 45 auf Wasserstoff bezogen sind, 40 auf Ammoniak, 30 Batterie-Schiffe und rund 25 mit Methanolantrieb.

    Für alle alternativen Treibstoffe braucht es, sofern sie nicht direkt auf den Schiffen produziert werden, die notwendige Infrastruktur an Land. Im englischen Loughborough wurde Anfang November 2021 von der Firma Unitrove die weltweit erste Flüssig-Wasserstoff-Speicheranlage für Schiffe in Betrieb genommen. Nach Angaben des Global Maritime Forum gab es im ersten Quartal 2022 weltweit über 20 H2-Speicherprojekte und mehr als zehn für Ammoniak. Auch wenn es noch dauern wird: Der Anfang zur Dekarbonisierung der Schifffahrt ist also gemacht.

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