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Wenn die Betreiber von Biogasanlagen und Bauern um Flächen konkurrieren, steigen die Preise – womöglich auch für Lebensmittel.
Ökobilanz von Biogasanlagen
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Wenn die Betreiber von Biogasanlagen und Bauern um Flächen konkurrieren, steigen die Preise – womöglich auch für Lebensmittel.
Von Volker Kühn
Im Nordwesten Deutschlands ist das Land flach wie ein Ostfriesenwitz, kein Hügel verstellt den Horizont. Und doch reicht die Sicht um diese Jahreszeit oft nicht weit. Denn im Hochsommer steht der Mais in vollem Saft. Wie ein Wall aus grünen Speeren zieht er sich drei Meter hoch durch immer neue Regionen des Landes. Und das ist nicht zuletzt eine Folge der Energiewende.
Denn ein zunehmender Teil des Maises landet nicht im Supermarkt oder in den Futtertrögen der Tiermast, sondern in Biogasanlagen. Nach der Jahrtausendwende schossen die Wachstumskurven der Anbaufläche von Mais und der Zahl von Biogasanlagen steil nach oben. Zuletzt haben sie sich auf hohem Niveau stabilisiert.
Standen im Jahr 2000 deutschlandweit gut 1000 Biogasanlagen, waren es 2016 rund 9000. Zeitgleich wuchs der Anbau von Silomais, ihrem wichtigsten Rohstoff, von etwa 1,2 Millionen auf gut 2,1 Millionen Hektar. Damit trägt Biogas erheblich zur Energiegewinnung in Deutschland bei. Unter den erneuerbaren Energien sind Biogasanlagen mit einem Anteil von 17,2 Prozent hinter der Windkraft an Land und auf See (41,1 Prozent) und der Fotovoltaik (20,3 Prozent) die aktuell wichtigste Quelle.
Mit „bio“ hat Biogas dabei allerdings wenig zu tun. Im Gegenteil, die Kritik an den Anlagen wächst – gerade im ökologisch interessierten Milieu. Denn Biogas hat nicht nur positive Auswirkungen. Die Kritik richtet sich vor allem auf drei Punkte:
Daneben gibt es weitere Punkte, die Kritiker monieren. So könne etwa durch undichte Biogasanlagen Methan in großen Mengen in die Atmosphäre entweichen, ein Gas, das 25-mal klimaschädlicher ist als CO2. Dem ebenfalls bei der Biogasproduktion entstehenden Lachgas wird sogar eine 300-mal schädlichere Wirkung nachgesagt. Und auch den Energieaufwand beim Anbau Tausender Tonnen von Gärpflanzen müsse man in der Bilanz berücksichtigen.
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Ernte von Energiemais: Die Pflanzen werden gehäckselt und in Biogasanlagen vergoren. Bundesweit haben Landwirte 2016 auf gut 2,5 Millionen Hektar Mais angebaut. Auf 2,1 Millionen davon wuchs Silomais für die Tiermast oder zur Energieerzeugung, auf den übrigen Flächen Körnermais.
Zu einer Gesamtbetrachtung von Biogas gehören allerdings auch die unbestritten positiven Wirkungen für die Energiewende:
Doch die Vor- und Nachteile einer Technologie spielen im politischen Gezerre um die Energiewende oft eine untergeordnete Rolle. Beim Biogas war das zuletzt auf dem Energiegipfel Ende Mai 2016 im Kanzleramt zu beobachten, als die Große Koalition im Bund mit den Ministerpräsidenten der Länder die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) verhandelte.
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Maisaussaat in Bayern: In dem Bundesland standen Anfang 2016 knapp 2400 der bundesweit rund 9000 Biogasanlagen. Zweitgrößter Erzeuger ist Niedersachsen mit zu diesem Zeitpunkt rund 1600 Anlagen.
Der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte geplant, den Ausbau der als teuer geltenden Biogasanlagen vergleichsweise stark zu drosseln, ähnlich wie es für die Windkraft in Norddeutschland dann auch beschlossen wurde. Beim Biogas hatte die Runde im Kanzleramt die Rechnung allerdings ohne den für seine Sonderwege in der Energiepolitik bekannten Horst Seehofer (CSU) gemacht. Bayerns Regierungschef setzte sich vehement für die Technologie ein, weil in seinem Land besonders viele Anlagen stehen, die den Landwirten ein stabiles Einkommen garantieren.
Gegen 22 Uhr soll es in der nächtlichen Sitzung zum Eklat gekommen sein: Seehofer habe seine Akten zusammengepackt und grußlos den Raum verlassen, heißt es. Ob es an seinem rüden Auftritt lag oder nicht – im EEG 2017 kommen Biogasanlagen im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien gut weg. Zwar müssen auch sie sich künftig Auktionen stellen, die einmal jährlich im September abgehalten werden. Doch das Ausschreibungsvolumen ist mit 150 Megawatt höher als ursprünglich vorgesehen. Für die Jahre 2020 bis 2022 wird es sogar auf 200 Megawatt erhöht.
Zudem können nicht nur Neubauten, sondern auch bestehende Anlagen unter bestimmten Bedingungen an den Ausschreibungen teilnehmen. Sie haben damit die Chance, eine Anschlussförderung nach dem Auslaufen des bisher garantierten Förderungszeitraums von 20 Jahren zu erhalten. Nach Berechnungen des Wirtschaftsministeriums bedeuten die Beschlüsse Mehrkosten von 2,4 Milliarden Euro über einen Zeitraum von sechs Jahren.
Die Wälle aus grünen Speeren in Niedersachsen und Bayern dürften künftig eher noch länger werden.