Norwegen erzeugt fast seinen gesamten Strom aus Wasserkraft – dank einer Kombination aus Stauseen und Pumpspeichern.
Wie ein Pumpspeicher funktioniert
- 09.11.2015
Ökostrom auf Abruf
Von Volker Kühn
Manchmal ist das, was neu oder gar revolutionär daherkommt, in Wirklichkeit ein alter Hut. Zum Beispiel die Idee, durch die Kopplung von Wind- und Wasserkraft eine stabile Energieversorgung zu erhalten.
Lange vor Beginn der Industrialisierung schon haben clevere Müller Windmühlen eingesetzt, um Wasser aus Flüssen und Bächen in höhergelegene Speicherbecken zu pumpen. Von dort leiteten sie es später je nach Bedarf in ihre Wassermühlen.
Warum so kompliziert? Warum haben sie ihr Korn nicht direkt in der Wind- oder Wassermühle gemahlen? Weil der Wind nicht immer weht und Flüsse in längeren Trockenperioden zu wenig Wasser führen, um ein Mahlwerk anzutreiben. Erst die Verbindung beider Elemente machte die Müller weitgehend unabhängig von den Launen der Natur.
Die Müller von heute sind Europas Energiekonzerne und Netzbetreiber. Sie arbeiten mit einem ganz ähnlichen System, wenn auch in viel größerem Maßstab: Sie nutzen überschüssigen Ökostrom aus Solar- und Windparks, um damit Wasser in Stauseen zu pumpen.
Auf diese Weise können Wasserkraftwerke einspringen, wenn die Sonne mal nicht scheint oder Flaute herrscht. Gerade entsteht zu diesem Zweck ein Unterseekabel, das Deutschlands Stromnetz mit Norwegens Stauseen verbindet.
Das Prinzip eines sogenannten Pumpspeicherkraftwerks ist denkbar einfach: Wasser wird mit Hilfe einer elektrischen Pumpe aus einem niedrigen in ein höhergelegenes Reservoir geleitet. Zu einem späteren Zeitpunkt rauscht es wieder nach unten. Mit der Energie, die es dabei aufnimmt, treibt es eine Turbine an, die wiederum über einen Generator Strom erzeugt.
Für ein Pumpspeicherkraftwerk gibt es folglich zwei Voraussetzungen: eine ausreichende Menge Wasser und ein Gefälle zwischen zwei Becken. Je höher und größer das Oberbecken ist, desto mehr Energie lässt sich darin speichern.
Passende Bedingungen findet man daher in gebirgigen Ländern wie der Schweiz und Österreich. Nirgendwo allerdings sind sie besser als im regenreichen Norwegen mit seinen steilen Fjordhängen und den zahllosen Seen auf fast unbewohnten Hochebenen.
Kein Wunder, dass das Land über gut die Hälfte der Speicherkapazität ganz Europas verfügt. Allein der Blåsjø-See nordöstlich von Stavanger kann 200 Mal mehr Energie aufnehmen als alle rund 30 Pumpspeicherkraftwerke Deutschlands zusammen.
Natürlich ist die Energie, die zum Hochpumpen des Wassers in einen Stausee benötigt wird, größer als die, die es beim Zurückfließen erzeugen kann. Pumpspeicherkraftwerke sind damit zunächst einmal Stromverbraucher, keine Lieferanten.
Allerdings ist ihr Wirkungsgrad mit 75 bis 80 Prozent im Vergleich zu anderen Speichertechnologien recht hoch. Konkret heißt das: Von den 100 Prozent der Energie, die zum Pumpen eingesetzt werden, stehen anschließend noch 75 bis 80 Prozent zur Verfügung.
Das bedeutet zwar einen Verlust von bis zu einem Viertel. Doch der ist durchaus zu verkraften, wenn man die Alternative bedenkt: Kann Strom aus Offshore-Windparks und Solaranlagen weder direkt verbraucht, noch gespeichert werden, ist er komplett verloren. Das ist gerade in Nachtzeiten häufig der Fall, wenn draußen auf dem Meer viel Wind weht, aber der Verbrauch niedrig ist.
Norwegens Pumpspeicherkraftwerke sind also eine gute Ergänzung zu deutschem Ökostrom. Optimal funktioniert diese Kombination paradoxerweise allerdings erst dann, wenn die Pumpen gar nicht zum Einsatz kommen – sondern der Strom direkt in Norwegen verbraucht wird.
Auch in Deutschland gibt es Pumpspeicher, etwa das Kraftwerk Hohenwarte II in Thüringen. Ihre Kapazität beträgt aber nur einen Bruchteil der norwegischen Anlagen.
Das ist dann der Fall, wenn in Deutschland ein Stromüberschuss besteht und der Preis gemäß dem Gesetz von Angebot und Nachfrage niedrig ist. Dann kann Norwegen seinen Bedarf mit deutschem Strom decken und die Wasservorräte in seinen Reservoirs schonen. Zudem wird keine Energie für den Pumpbetrieb gebraucht. Die Stauseen fungieren damit quasi als virtueller Speicher.
Und das ist dann doch mal eine echte Neuerung im Vergleich zur jahrhundertealten Technik der Müller.