Ausgerechnet die erneuerbaren Energien könnten ausgedienten Kohlekraftwerken das Überleben sichern. Kohle würde darin allerdings nicht mehr verbrannt.
Forschungsprojekt von DLR und RWE
- 28.06.2019
Grüne Energie aus Kohlemeilern
Von Steffi Sammet
Für Wissenschaftler ist das Phänomen nicht neu: Salz lässt sich über seinen Schmelzpunkt hinaus erhitzen und dann in flüssiger Form für viele Prozesse nutzen. „Auch als Wärmespeicher hat sich Flüssigsalz schon bewährt“, sagt André Thess, Direktor des Technischen Thermodynamik-Instituts im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Und genau das macht Salz für die Energiewende interessant. Denn mit Ökostrom verflüssigtes Salz soll sich schon bald als Speichermedium in ehemaligen Kohlemeilern bewähren. Hält die Idee der DLR-Wissenschaftler, was sie verspricht, könnten solche Meiler als Wärmespeicherkraftwerke ein zentraler Baustein einer CO2-freien Energieversorgung sein.
Es wäre ein wichtiger Schritt, denn bislang trägt der Wärmesektor in Deutschland bei Weitem nicht so viel zur CO2-Minderung bei, wie es für eine nachhaltige Klimapolitik notwendig wäre. Zugleich ließe sich der durch den Kohleausstieg bevorstehende Strukturwandel abfedern. Noch sind hierzulande weit mehr als 100 Kohlekraftwerke am Netz. Womöglich hätte zumindest ein Teil von ihnen dank der Technologie eine Zukunft.
Interessant ist die Idee aber auch für andere Länder. Weltweit blasen Tausende Kohlekraftwerke CO2 in die Luft. Dass sie allesamt rechtzeitig stillgelegt werden, um das 1,5-Grad-Klimaziel nicht zu gefährden, ist wenig wahrscheinlich. Realistischer erscheint da die Möglichkeit, sie mit Ökostrom statt mit Kohle zu betreiben – und so die vorhandene Infrastruktur weiter zu nutzen.
Salz ist weltweit verfügbar. Das macht es als Speichermedium interessant
Das Speichermedium Salz hat einen entscheidenden Vorteil: Es ist günstig und kommt praktisch überall auf der Welt vor. „Im Hinblick auf die Kosten ist es wichtig, unter welchen Randbedingungen so ein Projekt durchgeführt werden kann“, erklärt Thess. Die größte Rolle spielen dabei die CO2-Vermeidungskosten – also die Frage, wie viel Geld je Tonne CO2 investiert werden muss, deren Ausstoß vermieden werden soll.
„Wir gehen bei der Technologie der Wärmespeicherkraftwerke derzeit von etwa 100 Euro je Tonne aus“, sagt der Wissenschaftler. Damit wäre sie effizienter als beispielsweise Fotovoltaik, deren Vermeidungskosten je nach Quelle bei mehr als 300 Euro liegen.
Die Machbarkeit der Technologie belegt ein Projekt im spanischen Almería
Für das DLR und den Energiekonzern RWE, die aktuell in einer Studie klären, ob sich der Umbau von Kohle- zu Wärmespeicherkraftwerken realisieren lässt, sind die 100 Euro ein positives Signal. „Wir verfolgen mit dem Projekt verschiedene Ziele. Unter anderem wollen wir nachweisen, dass Umbauten dieser Art machbar sind und das Zusammenspiel mit einem Bestandskraftwerk funktioniert“, erklärt Guido Steffen, Sprecher bei RWE Power. Zugleich soll die Studie belegen, dass eine Umrüstung unter kommerziellen Einsatzbedingungen tatsächlich Sinn ergibt.
Laut DRL-Forscher Thess „ist das Team in allen Punkten auf einem guten Weg“. An der technischen Machbarkeit gibt es grundsätzlich keine Zweifel. Bei einem Pilotprojekt im spanischen Almería haben Solarforscher gezeigt, dass die Technologie funktioniert. Dort erhitzt eine große Solaranlage mit Hilfe von Parabolspiegeln ein Öl, das in Rohren zirkuliert und eine Turbine antreibt. Nicht benötigte Energie wird in flüssigem Salz zwischengespeichert und treibt die Turbinen bei Nacht an, wenn die Sonne nicht scheint.
Beim Umbau von Kohlekraftwerken zu Wärmespeicherkraftwerken funktioniert das Prinzip ähnlich: Überschüssiger Strom aus Wind- und Solarparks wird dazu verwendet, flüssiges Salz auf 400 Grad Celsius zu erhitzen. Bei Bedarf lässt sich dann das heiße Flüssigsalz nutzen, um Dampf zu erzeugen, der die Kraftwerksturbinen antreibt. Die wiederum erzeugen dann Strom.
Von China bis Chile haben bereits Interessenten beim DLR angeklopft
Bei einer Umrüstung lassen sich Teile der bestehenden Infrastruktur von Kohlekraftwerken nutzen. „Das bringt geringere Investitionskosten mit sich als andere Speicheralternativen“, sagt RWE-Sprecher Steffen. In einer Übergangsphase ließen sich die Kohlemeiler auch als Hybrid-Kraftwerke nutzen, die mit erneuerbaren Energien und Kohle parallel betrieben werden könnten, so Steffen.
An der Idee des DLR schätzt RWE neben der Versorgungssicherheit, die Chance, den Strukturwandel sozialverträglich zu gestalten, da im Falle von Umbauten Jobs in den Kraftwerken erhalten blieben. Zudem könnte die Technologie zu einem Exportschlager werden. Erste Interessenten sollen beim DLR bereits angeklopft haben. „Wir sind ganz angetan, von der großen Nachfrage die bei uns eingeht“, sagt DLR-Forscher Thess. Es gäbe viele Anfragen aus dem Ausland, unter anderem aus Chile und China.
Ein wenig werden sich alle aber noch gedulden müssen: Denn erst wenn die Projektpartner über alle wesentlichen Daten und Fakten verfügen, wollen sie einen Förderantrag beim Bund einreichen. „Innerhalb der darauffolgenden drei Jahren könnte dann ein erster Umbau erfolgen“, sagt Thess. Zuvor allerdings müssen die Kooperationspartner auf Basis der Erkenntnisse und Erfahrungen ihres Pilotprojekts entscheiden, ob sich eine kommerzielle Umsetzung der Idee lohnt.
Die Zeichen für einen Umbau von Kohle- zu Wärmespeicherkraftwerken scheinen indes auf Grün zu stehen: „Die Idee und das Projekt basieren auf streng geprüften, seriösen Daten“, sagt Thess. Und die seien derzeit in technischer wie ökonomischer Hinsicht äußerst vielversprechend.