Microsoft will bis 2050 so viel CO2 aus der Atmosphäre entfernen, wie der Konzern seit seiner Gründung 1975 verursacht hat, verspricht CEO Satya Nadella.
CO2-Ziele im Vergleich
- 01.07.2020
Konzerne auf dem Klimapfad
Von Kathinka Burkhardt
Bäume pflanzen, auf Ökostrom umstellen, Elektroautos nutzen: Immer mehr Unternehmen präsentieren sich als Vorreiter beim Klimaschutz. Doch wie ambitioniert und ehrlich sind solche Klimaschutzziele wirklich? EnergieWinde hat Konzerne aus verschiedenen Branchen unter die Lupe genommen.
Microsoft verspricht negative CO2-Bilanz ab 2030
Das Unternehmen mit dem wohl ambitioniertesten Klimaplan weltweit ist Microsoft. Im Januar verkündete Vorstandschef Satya Nadella, dass der IT-Riese ab 2030 „CO2-negativ“ arbeiten werde. Von diesem Jahr an will der Konzern der Atmosphäre mehr CO2 entziehen, als er verursacht. Bis 2050 plant Microsoft sogar, das gesamte CO2 zurückzuholen, das der Konzern seit seiner Gründung 1975 emittiert hat.
Allein im laufenden Jahr hat Microsoft nach eigenen Berechnungen 16 Millionen Tonnen CO2 zu verantworten. Eingerechnet sind dabei neben den direkten Emissionen in der Produktion, durch Firmenimmobilien oder Fuhrparks, auch die indirekten. Diese sogenannten Scope-3-Emissionen fallen etwa durch den Stromverbrauch von Rechenzentren oder bei Kunden an, die mit Microsofts Konsole X-Box spielen.
Um sein Klimaziel zu erreichen, will der Konzern unter anderem konsequent auf Erneuerbare setzen und CO2-Kompensationszertifikate kaufen. Weil das allein nicht ausreichen wird, hat er zusätzlich einen mit einer Milliarde Dollar ausgestatteten Fonds aufgelegt, der in sogenannte Geo-Engineering-Technologien zur Eliminierung von CO2 investieren soll. Bislang gibt es auf dem Gebiet allerdings keine Ansätze im Großmaßstab. Das Schweizer Unternehmen Climeworks etwa, das als Vorreiter gilt, saugt mit seinem Modulen pro Jahr gerade einmal 900 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre. Microsoft muss hoffen, dass der Fonds einer solchen Technologie zum Durchbruch verhilft, denn sonst bliebe der Klimaplan des Konzerns ein leeres Versprechen.
Google: Keine Rechenleistung mehr für Ölkonzerne
Kurz nach Microsoft hat auch Google versprochen, künftig CO2-negativ werden zu wollen. Gern wirbt der Konzern damit, dass er bereits seit zwölf Jahren emissionsfrei arbeite und die eigenen Standorte und Rechenzentren ausschließlich mit Ökostrom versorge. Nach eigenen Angaben ist Google mit drei Gigawatt im Jahr sogar der größte Ökostromabnehmer weltweit.
Allerdings stemmt Google seine Klimaschutzanstrengungen ausschließlich aus finanziellen Mitteln, indem es grünen Strom und CO2-Zertifikate kauft. Über eigene Stromerzeugungsanlagen wie sie etwa Apple betreibt, verfügt Google nicht. Der Konzern sucht auch nicht aktiv nach Innovationen in dem Bereich. Zudem bezieht sich Google in seinen öffentlichkeitswirksamen Aussagen bislang nur auf die direkten Emissionen, nicht auf die sehr viel umfangreicheren indirekten, die Dienstleister und Zulieferer verursachen.
Immerhin: Im Mai kündigte Google an, Ölunternehmen keine Rechenleistung oder künstliche Intelligenz bei der Suche nach Öl- und Gasvorkommen zur Verfügung zu stellen. Zumindest keinen Neukunden – Bestandsverträge sollen vorerst unangetastet bleiben. Grund für den Schritt war ein kritischer Greenpeace-Bericht über die klimaschädlichen Kunden von Amazon, Microsoft und Google.
Vattenfall: Eine Welt ohne fossile Brennstoffe – auch dank Atomstrom
Der schwedische Energiekonzern Vattenfall wirbt nicht etwa mit dem Schlagwort „Klimaneutralität“, sondern hat ein eigenes Ziel ausgegeben: „Wir möchten innerhalb einer Generation ein Leben ohne fossile Brennstoffe ermöglichen.“ Welche Zeitspanne „eine Generation“ umfasst, lässt der Konzern dabei genauso offen wie die Frage, wie vielen Menschen ein solches Leben ermöglicht werden soll. Kritik an diesen eher vagen Aussagen konterte Vorstandschef Magnus Hall in einem „Handelsblatt“-Interview: „Was bringt uns eine konkrete Jahreszahl wie zum Beispiel 2042? Für uns ist es wichtiger, dass wir das Ziel ernsthaft verfolgen und dass wir uns eindeutig dazu verpflichten.“
In Deutschland hat Vattenfall 2016 einen großen Schritt auf dem Weg zur Emissionssenkung gemacht, indem der Konzern sein Braunkohlegeschäft verkaufte. Der Anteil von Gas und Kohle an der Stromerzeugung lag allerdings auch 2019 noch bei knapp 63 Prozent. Um den Anteil an Erneuerbaren aufzustocken, baut der schwedische Mutterkonzern seit einigen Jahren sein Windenergiegeschäft aus, etwa mit dem gewaltigen Offshore-Windpark-Komplex Hollandse Kust Zuid in den Niederlanden.
Ob der Ökostromanteil im deutschen Energiemix von Vattenfall deutlich ansteigt, bleibt aber abzuwarten. Zwar will der Konzern hierzulande parallel zu den Kohleausstiegsplänen ab 2030 keine Kohle mehr verfeuern. Allerdings hält Vattenfall Erdgas für den wichtigsten Pfeiler beim Übergang zu einem CO2-freien Strom- und Wärmeverbrauch. In seinem Heimatland Schweden dürfte dagegen „ein Leben ohne fossile Brennstoffe“ für die nächste Generation tatsächlich möglich sein: Dort kann der Stromlieferant über seine zehn Atomkraftwerke große Mengen fossile Energieträger ersetzen.
BP will bis 2050 die kompletten Emissionen ausgleichen
Unter den Öl- und Gaskonzernen hat BP Anfang des Jahres gewagt, was aufgrund des eigenen Produkts völlig unmöglich erscheint: Als erster Branchenvertreter will das britische Unternehmen bis 2050 nicht nur alle erderwärmenden Emissionen seiner Geschäftstätigkeiten eliminieren oder ausgleichen, sondern sogar die Emissionen, die durch das Verbrennen seines Öls und Gases entsteht.
Betrachtet man die nackten Zahlen, ist das eine unglaubliche Aufgabe: Allein durch Förderarbeiten und über seine Raffinerien stößt BP jährlich rund 55 Millionen Tonnen CO2 aus. Aber rechnet man das Öl und Gas hinzu, dass Verbraucher in ihren Autos verbrennen oder zu Hause für Wärme verfeuern, kommen noch einmal 360 Millionen Tonnen CO2 im Jahr dazu. Das ist fast so viel wie ganz Großbritannien pro Jahr verursacht.
Experten gehen davon aus, dass der britische Ölkonzern unter anderem versuchen wird, weniger Öl und Gas zu fördern, Treibstoffe mit geringerem CO2-Gehalt zu entwickeln und die Emissionen durch Renaturierungsprojekte oder Investitionen in neue Technologien auszugleichen. Aber ob das reicht? Dass BP erst im Herbst eine detaillierte Strategie für dieses Mammutprojekt vorstellen will, sorgt einmal mehr für Skepsis. Zumal Unternehmenschef Bernard Looney nicht die Emissionen einbezog, die BP durch die Verarbeitung zugekaufter und dann weiterverkaufter Rohstoffe freisetzt – was noch einmal 77 Millionen Tonnen CO2 mehr bedeuten würde.
Was durch die medienwirksame Zielsetzung allerdings deutlich wird, ist der Druck, unter dem Unternehmen stehen, deren Produkte maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich sind. Die Branche dürfte BP feiern, wenn der Konzern tatsächlich einen Weg finden sollte, wie er, ohne sein Kerngeschäft abzuschaffen, tatsächlich klimaneutral agieren kann.
Ørsted wandelt sich vom schwarzen zum grünen Riesen
Der dänische Energiekonzern Ørsted will 2025 eine nahezu CO2-freie Produktion erreichen und bis 2040 auch die Scope-3-Aktivitäten dekarbonisieren – zehn Jahre früher als vom Pariser Klimaabkommen gefordert. Der Konzern, der auch das Portal EnergieWinde finanziert, muss sich hierfür vor allem im Energiehandel vom Erdgas verabschieden sowie darauf hinarbeiten, dass seine Lieferanten bei der Produktion und Installation von Windkraftanlagen ihre Emissionen deutlich senken.
Das erste Ziel dürfte Ørsted ohne größere Probleme erreichen, beim zweiten könnten hohe Kosten für CO2-arme Technologien Schwierigkeiten bereiten. Analysten trauen dem zu 50,1 Prozent dem dänischen Staat gehörenden Konzern nach seiner Transformation vom schwarzen zum grünen Energiekonzern allerdings viel zu: Von Dänemark 1972 gegründet, um die Öl- und Gasvorkommen im dänischen Teil der Nordsee auszubeuten, stieg der Konzern Anfang des Jahrtausends in den Strommarkt ein und hat sich inzwischen zum weltgrößten Betreiber von Offshore-Windparks entwickelt. Parallel trennten sich die Dänen sukzessive vom Geschäft mit fossilen Rohstoffen. 2017 wurden die letzten Öl- und Gasanteile verkauft. Das kanadische Datenanalyseunternehmen Corporate Knights kürte Ørsted angesichts dieser Wandlung und der ambitionierten Klimaziele in diesem Jahr zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt.
BASF: Wachstum ohne zusätzliche CO2-Emissionen
Auf den ersten Blick erscheinen die Ziele des Chemiekonzerns BASF verhalten: „Wir wollen bis 2030 CO2-neutral wachsen, das heißt bei steigender Produktion die Treibhausgasemissionen unserer Produktionsstandorte (ohne Emissionen aus dem Verkauf von Energie an Dritte) und unseres Energieeinkaufs auf dem Niveau von 2018 konstant halten“, so steht es in den Klimazielen des Ludwigshafener Unternehmens. 2018 hat BASF Treibhausgase im Umfang von 21,9 Millionen Tonnen CO2 emittiert; diese Summe soll in Zukunft nicht überschritten werden. 2019 lagen die Emissionen bei 20,1 Millionen Tonnen und somit schon mal 8,2 Prozent darunter.
Was für andere wenig ambitioniert klingt, ist für die Chemiebranche allerdings schon ein großes Comitment, da die Branche beim Klimaschutz vor besonderen Herausforderungen steht: Für ihre Produkte müssen verschiedene Elemente aufgespalten oder verschmolzen werden, wozu hohe Temperaturen und damit viel Energie vonnöten sind. „Unsere Produkte bestehen zu 50 Prozent aus Kohlenstoff, sodass eine kohlenstofffreie chemische Industrie einfach nicht möglich ist“, begründete Vorstandschef Martin Brudermüller kürzlich auch den begrenzten Handlungsspielraum. Hinzu kommt, dass die riesigen Anlagen der Branche nicht alle paar Jahre ausgewechselt und auf die neuesten Technologien umgestellt werden können. Um wirtschaftlich zu sein, müssen sie Lebenszyklen von 50 bis 70 Jahren haben. Entsprechend sind die Ziele von BASF zwar vergleichsweise verhalten, aber dafür realistisch.
Einen Pluspunkt in Sachen Klimarettung hat sich BASF zudem verdient: Der Konzern will innerhalb der nächsten fünf Jahre Möglichkeiten finden, um die Stromversorgung seiner gewaltigen Produktionsanlagen in Ludwigshafen von Kohle und Gas auf Erneuerbare umzustellen. Sie verbrauchen rund sechs Terrawattstunden Strom pro Jahr, was rund einem Prozent des Verbrauchs von ganz Deutschland entspricht. Sollte BASF das schaffen, dürfte der Konzern seine Klimaziele locker überbieten.
Bosch: Auf den Dieselskandal folgt ein ambitionierter Klimaplan
Als erstes Industrieunternehmen mit Standorten rund um den Globus will der Stuttgarter Autozulieferer Bosch bereits in diesem Jahr klimaneutral werden. Betrachtet man die Unternehmensstruktur mit Produktionsstätten in Indien, Mexiko und China, ist das ein durchaus komplexes Projekt. In Anbetracht des hohen Technologie-Know-hows in Feldern wie Energieeffizienz und Wärmekopplung erscheint der Anspruch aber realistisch.
Entsprechend kritisch darf man in diesem Fall hinsehen: Bei der Bilanzpressekonferenz Ende April erklärte Geschäftsführer Volkmar Denner, dass alle deutschen Standorte bereits jetzt CO2-neutral arbeiteten. Das schafft der Konzern allerdings nicht allein durch den Umstieg auf Erneuerbare und Effizienzmaßnahmen, sondern auch durch den Kauf von CO2-Zertifikaten. Weltweit fehlen dem Konzern noch 30 Prozent zur Klimaneutralität – eine Lücke, die ebenfalls mit Kompensationsmitteln gedeckt werden muss.
In Bezug auf Scope-3-Kritieren steht Bosch vor noch mehr Arbeit: Als weltgrößter Autozulieferer haben die Stuttgarter naturgemäß eine Menge indirekte CO2-Emissionen durch die Produkte ihrer Kunden zu verantworten. Über die anerkannte Initiative Science Based Targets, mit deren Hilfe Unternehmen wissenschaftsbasierte Klimaziele formulieren und sich zu ihrer Einhaltung verpflichten können, hat sich Bosch immerhin dazu bekannt, seine CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 50 Millionen Tonnen zu reduzieren. Hochgerechnet liegen Boschs Scope-3-Gesamtemissionen bei etwa 330 Millionen Tonnen, weshalb man das Reduktionsziel bis 2030 nicht überambitioniert nennen kann.
Zudem folgt Boschs medienwirksamer Klimarettungsplan auf den Dieselskandal, bei dem Motoren deutscher Autohersteller über eine von Bosch entwickelte Software manipuliert wurden. So löblich die Anstrengungen sind, wirken sie vor diesem Hintergrund wie der Versuch, beim Kunden verlorenes Ansehen wieder gut zu machen.