Infraschall durch Windräder

  • Search09.07.2020

Die gefühlte Gefahr

Ja, Windkraftanlagen erzeugen Infraschall – nein, gesundheitliche Belastungen für Anwohner gehen von den lautlosen Schallwellen nicht aus. Eine neue Langzeitstudie aus Finnland bestätigt den Stand der Wissenschaft und zeigt: Infraschall ist ein gefühltes Problem.

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    Windräder am Rande einer Wohnsiedlung: Eine neue Langzeitstudie bestätigt, dass der Infraschall der Anlagen keine gesundheitlichen Probleme verursacht. Wenn sich jemand dennoch davor fürchtet, kann das allerdings echten Stress auslösen.

    Windräder in der Nähe einer Wohnsiedlung: Anwohner klagen häufig über Beschwerden, die sie dem Infraschall der Anlagen zuschreiben.

    Von Denis Dilba

    Was haben Waschmaschinen, Kühlschränke, Erdbeben, Windböen, das Meeresrauschen, Autos, Flugzeuge und Windkraftanlagen gemeinsam? Sie alle emittieren Infraschall. Das Besondere daran: Das menschliche Ohr kann diese Art Schall in der Regel nicht als Geräusch wahrnehmen, nur als Vibration oder Druckgefühl in den Ohren. Und auch das erst ab einem sehr hohen Schalldruckpegel.

    Viele haben daher keine echte Vorstellung davon, was Infraschall eigentlich ist. Sie halten ihn fälschlicherweise für eine womöglich gefährliche elektromagnetische Strahlung. Tatsächlich handelt es sich bei Infraschall aber um normale Schallwellen, die laut der internationalen Norm ISO 7196 bei Frequenzen unterhalb von 20 Hertz auftreten. Ähnlich wie sehr laute Musik das Trommelfell schädigt, hat auch Infraschall mit sehr hohem Schalldruckpegel negative gesundheitliche Folgen. Das ist wissenschaftlich unstrittig.

    Genauso unstrittig ist allerdings auch, dass Windkraftanlagen solche gesundheitsschädlichen Schalldruckpegel selbst im Nahbereich ab 150 Metern nicht erreichen.

    Keine Veränderungen in der menschlichen Physiologie messbar

    Eine vor wenigen Wochen veröffentlichte und international viel beachtete Langzeitstudie, die von der finnischen Regierung in Auftrag gegeben wurde, untermauert die bisherigen Erkenntnisse nun mit aktuellen Daten. Die Wissenschaftler haben dazu den Infraschall von Drei-Megawatt-Windrädern untersucht, die weltweit stark verbreitet sind. Das Ergebnis: Die Infraschallwellen haben keine messbaren Veränderungen in der menschlichen Physiologie verursacht. In Hörtests haben Probanden den Infraschall zudem nicht erkannt.

    Grundlage der Experimente war eine Langzeitmessung in zwei Wohnhäusern. Die leer stehenden Gebäude, ein Holzhaus und eines in Backsteinbauweise, lagen beide rund 1,5 Kilometer entfernt von Windparks mit jeweils 17 Anlagen. Das Team um Studienleiter Panu Maijala vom Technischen Forschungszentrum Finnland (VTT) sammelte für die Studie insgesamt 308 Tage Infraschalldatenmaterial zusammen.

    Windrad in Finnland: Eine Langzeitstudie finnischer Forscher bestätigt, dass Infraschall keine gesundheitlichen Probleme verursacht. Allerdings kann auch die Angst vor einer vermeintlichen Gefahr Stress bei Anwohnern auslösen.

    Windrad auf einer Insel in der Ostsee vor Finnland: In Hörtests konnten Probanden keinen Unterschied zwischen Sequenzen mit und ohne Infraschall feststellen.

    „Normalerweise laufen solche Messungen ein oder zwei Tage. Die von uns gesammelten Daten sind außergewöhnlich, weil wir die Frequenzen in den Wohnungen über einen längeren Zeitraum messen konnten“, sagte der Akustikexperte Maijala der finnischen Rundfunkanstalt YLE. So liegen nun erstmals auch authentische Infraschallaufnahmen für Wohngebäude zu verschiedenen Jahreszeiten vor.

    Den Forschern zufolge schwankte der Dauerschalldruckpegel innerhalb der beiden Häuser über die gesamte Zeit zwischen 67 und 75 Dezibel, der Spitzenwert betrug für zehn Minuten 102 Dezibel. Für Schallwellen im hörbaren Frequenzbereich entsprächen die Durchschnittswerte in etwa dem von urbaner Umgebung, schreiben die Forscher. Der entscheidende Unterschied: Für die in beiden Häusern dominierenden Infraschallfrequenzen von unter zwei Hertz liegt selbst der kurzzeitige Höchstwert unterhalb der Hörschwelle. Maijala hält es allenfalls theoretisch für denkbar, dass einzelne, sehr sensible Menschen diesen Spitzenwert wahrnehmen könnten.

    Der Glaube an Gesundheitsprobleme durch Infraschall erzeugt Symptome

    In den Hörtests der Forscher zeigten sich keinerlei Auffälligkeiten, obwohl die Probanden mit den Worst-Case-Szenarien der 308-Tage-Datenreihe beschallt worden seien, so Maijala. Sein Team teilte die Teilnehmer für die Experimente in zwei Gruppen ein: Die erste bestand aus 13 Personen, die unter Symptomen litten, die sie dem Infraschall von Windrädern zuschrieben, die zweite aus 13 Personen, die nie Symptome hatten. Beiden Gruppen spielten die Forscher verschiedene Aufnahmen des echten Windkraftschalls vor. In einigen davon hatten sie zuvor den Infraschallanteil herausgefiltert. Beide Gruppen waren nicht in der Lage, Infraschallfrequenzen in den Aufnahmen zu erkennen.

    Mehr noch: Die Probanden stellten zwischen Aufnahmen mit und ohne Infraschallanteil keinen Unterschied darin fest, als wie störend sie die Schallprobe empfanden. Ebenso zeigten die unter anderem parallel zu den Hörtests gemessenen Werte zur Atem- und Herzfrequenz, der Pupillenbewegung und der elektrischen Leitfähigkeit der Haut keine Reaktion. Veränderungen dieser Parameter zeigen empfundenen Stress an.

    Eine gesundheitliche Auswirkung des Infraschalls der Windkraftanlagen konnten die Forscher damit nicht feststellen. Der Anteil von Personen, die höchstens 2,5 Kilometer von einem Windpark entfernt wohnen und über Symptome berichteten, die sie intuitiv mit Infraschall in Verbindung brachten, ist trotzdem relativ hoch: In einer zusätzlichen Befragung gaben 15 Prozent dieser Gruppe an, unter anderem an Kopfschmerzen, Müdigkeit oder Schlafstörungen zu leiden.

    Maijalas Studienteam führt die Beobachtung auf den sogenannten Nocebo-Effekt zurück. Demnach reicht es bereits, wenn Betroffene nur glauben, dass Windkraftanlagen gesundheitliche Probleme bereiten, um Symptome wie Kopfschmerzen oder Schlaflosigkeit zu verursachen. Dass Infraschall selbst eigentlich keinen negativen Gesundheitseffekt hervorruft, spielt dabei keine Rolle. Parallel zum Nocebo-Effekt könnten auch Symptome mit anderen Ursachen fälschlicherweise mit dem Infraschall von Windenergieanlagen assoziiert werden, merken die Forscher an.

    „Die neue Studie stützt die bisherigen Erkenntnisse und ergänzt sie“

    „Soweit wir das schon jetzt beurteilen können – die finnische Studie ist ja noch sehr neu – wurde wissenschaftlich hochwertig gearbeitet“, sagt Jördis Wothge, Umweltpsychologin im Umweltbundesamt (UBA), im Gespräch mit EnergieWinde. Wie bei allen wissenschaftlichen Veröffentlichungen werde sich aber erst mit der Zeit und weiterer Prüfung zeigen, ob Details noch diskutiert werden müssen. Das Ergebnis zieht Wothge aber nicht in Zweifel. „Bisher gibt es keine wissenschaftlichen Anhaltspunkte dafür, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Infraschallemissionen von Windenergieanlagen verursacht werden.“ Daran habe die Studie nichts geändert. „Sie stützt die bisherigen Erkenntnisse und ergänzt sie, fügt aber auch neue Aspekte wie die Laborstudie mit simuliertem Infraschall hinzu.“

    Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie, begrüßt gegenüber EnergieWinde die Ergebnisse aus Finnland: „Es ist gut, dass ein in der Vergangenheit oft emotional diskutiertes Thema nun noch einmal wissenschaftlich fundiert bewertet wurde. Es ist zu hoffen, dass dies den weiterlaufenden Dialog versachlicht.“

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    Gerade weil die Symptome nicht durch den Infraschall hervorgerufen werden, ist es wichtig die Bevölkerung umfassend über Infraschall und dessen Wirkungen zu informieren

    Jördis Wothge, Umweltpsychologin im Umweltbundesamt

    Forschungsbedarf zum Thema Infraschall bestehe aber weiterhin, sagt Wothge. So plant das UBA gerade die Konzeption einer Langzeitstudie mit Messungen in bewohnten Häusern, die wahrscheinlich im kommenden Jahr beginnen werde. Und noch in diesem Jahr soll ein Forschungsvorhaben starten, dass sich mit einem Aufklärungskonzept zum Thema Infraschall beschäftigt. Denn der Nocebo-Effekt müsse ernst genommen werden, so Wothge: „Gerade weil die Symptome nicht durch den Infraschall hervorgerufen werden, ist es wichtig die Bevölkerung umfassend über Infraschall und dessen Wirkungen zu informieren.“

    Neben Deutschland arbeite auch Australien aktuell an weiteren Studien zum Thema Infraschall, sagt der finnische Forscher Panu Maijala. Er erwarte gespannt die Ergebnisse, die sich an seiner Arbeit messen müssten: Der Akustiker geht davon aus, dass seine Studie zu einem wichtigen Referenzwerk werden wird.

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