Drohnen in der Windenergie

  • Search09.11.2018

Mensch schlägt Maschine

Die Wartung von Windrädern ist aufwendig und teuer. Drohnen könnten den Prozess vereinfachen. Trotzdem schicken die meisten Firmen lieber Industriekletterer auf die Anlagen. Das hat bürokratische Gründe – aber nicht nur.

InhaltsverzeichnisToggle-Icons

    Mit Seilen gesichert untersucht ein Kletterer das Rotorblatt einer Windenergieanlage. Jedes Jahr werden in Deutschland rund 17.000 soldcher Inspektionen fällig.

    Von York Schaefer

    Mindestens alle vier Jahre müssen Windräder umfassend gewartet werden – schon weil ihnen Sturm, Hagel und Blitzeinschläge zusetzen. Dann seilen sich professionelle Industriekletterer von der Nabe ab oder arbeiten auf Hebebühnen in teils mehr als 100 Metern Höhe.

    Mit geschultem Auge suchen sie Wasserschäden, Brüche, Risse, Materialablösungen oder sonstige Auffälligkeiten an den Rotorblättern. Ein aufwändiger und vor allem gefährlicher Job.

    Laut dem TÜV Süd fallen pro Jahr etwa 17.000 solcher Inspektionen an. Für die Betreiber ist das ein teures Unterfangen. Denn die Anlagen produzieren währenddessen keinen Strom – und Industriekletterer benötigen für die drei Rotorblätter einer Anlage einen Arbeitstag.

    Die Vorteile von Drohnen: Sie sind günstig, schnell und sicher

    Deutlich schneller geht es mit einer Drohne. Sie schafft dasselbe Pensum in gut zwei Stunden. Bestückt mit hochauflösenden Wärmebildkameras fliegt sie die Rotorblätter ab und liefert gestochen scharfe Bilder – inzwischen sogar aus Materialschichten unterhalb der Oberfläche.

    Noch größer ist die mögliche Zeitersparnis bei Offshore-Windrädern. Hier ist von einem Dreißigstel der nötigen Inspektionszeit die Rede.

    Die Minihubschrauber haben aber noch weitere Vorteile neben dem hohen Arbeitstempo. Sie sind für die Betreiber der Windparks günstiger als der Einsatz von Kletterern. Hinzu kommt der Sicherheitsaspekt.

    Ein zukunftsträchtiger Markt, sollte man also meinen. Und trotzdem ist er nach einem ersten Entwicklungsschub vor zwei, drei Jahren ins Stocken geraten.

    Verantwortlich dafür ist ein ganzes Bündel von Ursachen. Der Hauptgrund aber ist bürokratischer Natur. Marcel Bruins, Projektmanager im Bereich Rotorblätter beim Servicedienstleiter Availon, beklagt die in jedem Bundesland abweichende Gesetzeslage bei Start- und Landegenehmigungen für Drohnen. „In der Schweiz und in Österreich wird es noch schwieriger“, betont Bruins.

    Grundsätzlich muss laut aktueller Drohnenverordnung die jeweilige Landesluftfahrtbehörde jeden Aufstieg einer Drohne mit mehr als fünf Kilogramm Gewicht genehmigen. „Damit sind die Behörden personell überfordert“, sagte der Leipziger Energiejurist Martin Maslaton gegenüber dem „Windkraft-Journal“. Das Potenzial, das der Einsatz von Drohnen für die Windbranche biete, könne so nicht ausgeschöpft werden, erklärte der Drohnenexperte.

    „Von dem Hype, der um Drohnen gemacht wurde, sind wir weit entfernt“

    Nicht ganz so dramatisch sieht man die Lage beim Bundesverband Windenergie (BWE). „Wie bei jeder neuen Technik, kann es natürlich sein, dass die Serviceunternehmen zunächst von der Regulatorik herausgefordert sind“, sagt Verbandssprecher Christoph Zipf. „Die Regeln der Drohnenverordnung scheinen aber klar formuliert.“ Der BWE sieht den Einsatz von Drohnen „generell als ökonomisch sinnvolles unterstützendes Werkzeug bei der Prüfung der Anlagen“.

    Reservierter gibt man sich beim Oldenburger Energieversorger EWE. „Von dem Hype, der anfangs um Drohnen im Bereich Windkraft gemacht wurde, sind wir weit entfernt“, meint Irina Lucke, technische Geschäftsführerin für den Offshore-Bereich von EWE. Das Unternehmen nutzt Drohnen von Servicedienstleistern für die Inspektion eines Umspannwerks in der Nordsee.

    Drohneneinsatz in der Offshore-Windkraft: Ein Techniker von Eon bereitet den Start einer Drohne an einem Umspannwerk bei Helgoland vor.

    Lucke erkennt die Schwachstellen der Drohnennutzung vor allem bei der Software zur Sichtung der Kamerabilder. „Da fehlt es noch an den entsprechenden Algorithmen, um die Daten vernünftig auszuwerten.“

    Auch die besten Drohnenbilder müssen von Experten interpretiert werden

    Das sieht Marcel Bruins von Availon ähnlich. „Man braucht schon Expertise, um die Kamerabilder richtig zu bewerten. Das Befliegen der Anlagen mit Drohnen ist eine feine Sache, die Probleme kommen danach.“

    Auch der BWE verweist darauf, dass selbst sehr gute Luftaufnahmen die Prüfer nicht ersetzen. „Am Ende braucht es einen Experten, der die Bilder interpretiert. Ähnlich wie ein Arzt, der Röntgenbilder interpretiert“, so der Verband.

    EWE-Managerin Irina Lucke glaubt grundsätzlich zwar schon, dass die Nutzung von Drohnen bei der Wartung von Windkraftanlagen zunehmen wird – aber eben nicht mit dem Tempo, das vor ein einigen Jahren erwartet wurde.

    Zumal auch die Kostenersparnis nicht unbedingt garantiert ist. Denn Drohnen, die in der Entwicklung gut 100.000 Euro kosten können, sind nicht in der Lage, Reparaturen durchzuführen. Entdecken sie einen Schaden, muss dann doch ein Kletterer ran, der bezahlt werden will.

    Drohnen können Schäden an Rotorblättern zwar registrieren, aber nicht beheben. Im Zweifelsfall müssen dann doch Techniker ran. Das Foto zeigt Wartungsarbeiten an einem Windrad in Niedersachsen.

    Auch Firmen wie die Deutsche Windtechnik in Bremen oder die SpectAir-Gruppe aus Meerbusch bei Düsseldorf sind zurückhaltend bei der jungen Technik. Vor allem Zweifel an der Marktfähigkeit werden hier vorgebracht. „Die Branche fragt Drohnen nicht genug nach, man setzt immer noch lieber auf Industriekletterer, die die Rotorblätter per Hand befühlen und abklopfen“, sagt Sprecherin Andrea Müller von SpectAir.

    Verletzt die Drohneninspektion Patente? Darüber müssen Gerichte entscheiden

    Dabei könnten zusätzliche Prüfmethoden wie Drohnen sicher hilfreich sein. Gerade wenn man bedenkt, dass einige der rund 30.000 Windräder in Deutschland bereits mehr als 20 Jahre alt sind. Zudem könnten die Wartungsintervalle künftig kürzer werden: Der TÜV fordert eine gesetzlich geregelte, unabhängige Drittprüfung der gesamten Anlage – und nicht nur von Teilbereichen wie etwa bei der Blitzschutzprüfung alle zwei Jahre.

    Kai Gröninger ist denn auch zuversichtlich für die Technik. „Die Ergebnisse nach einer Prüfung per Drohne haben einfach viel mehr Aussagekraft“, sagt der Chef der Firma Hessendrohne in Friedberg. Man könne die Rotorblätter Zentimeter für Zentimeter inspizieren und dank GPS-Steuerung nach der Reparatur an exakt derselben Stelle einen Kontrollflug ansetzen.

    Reichlich Potenzial also für den Einsatz von Drohnen in den luftigen Höhen von Windkraftanlagen.

    Es gibt allerdings noch ein weiteres Hindernis neben bürokratischen Problemen und Vorbehalten von Windradbetreibern: Patentstreitigkeiten. Ein Ingenieur in Nordrhein-Westfalen, der mehrere Patente zur thermischen und berührungslosen Inspektion von Windkraftanlagen hält, liegt mit einigen kleineren Firmen über diese Art der Drohnennutzung im Clinch. Beteiligte, die namentlich nicht genannt werden wollen, sprechen gegenüber Energie-Winde von einem „Blockadepatent“ und einem „ausgebremsten Markt“.

    Über die Zukunft der Drohneninspektion in der Windenergie werden deshalb auch Gerichte mitentscheiden.

    Go Top