Johannes Pohl ist Umweltpsychologe an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und beschäftigt sich seit mehr als einem Jahrzehnt intensiv mit den Auswirkungen von Windparks auf Anwohner. Im Gespräch mit EnergieWinde erklärt der Experte, welche Faktoren dazu führen, dass Windräder als störend empfunden werden, warum Psychologie dabei die größte Rolle spielt und wie man Vorbehalte abbaut.
Umweltpsychologe über Windparks
- 22.01.2019
„Planer müssen auf Anwohner zugehen“
„Die Bedenken müssen ernst genommen werden“, sagt Johannes Pohl, Umweltpsychologe an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er erforscht die Auswirkungen von Windenergieprojekten auf Anwohner, um Wege aufzuzeigen, wie sich Konflikte möglichst schon im Vorfeld entschärfen lassen. Insgesamt stehe eine Mehrheit der Bevölkerung hinter der Energiewende, meint der Wissenschaftler.
Herr Pohl, man hört und liest immer wieder über Windkraftprojekte, bei denen sich Anwohner mit den Planern oder Betreibern über negative Auswirkungen der Anlagen streiten. Hat die Windkraft ein Akzeptanzproblem?
Johannes Pohl: Nein, das kann man so nicht sagen. Im Mittel und auf ganz Deutschland bezogen steht die Bevölkerung der Windkraft und übrigens auch allen anderen Formen der erneuerbaren Energien sehr positiv gegenüber. Entscheidend ist aber die lokale Akzeptanz vor Ort. Und da gibt es natürlich Untergruppen, die aus verschiedensten Gründen gegen die Projekte sind. Das sind zwar insgesamt gesehen vergleichsweise wenige Personen, aber deren Bedenken müssen selbstverständlich ernst genommen werden. Hier gilt es die Akzeptanz weiter zu fördern.
Von welchen Faktoren hängt es denn ab, ob jemand eine Windenergieanlage als störend und belästigend empfindet oder nicht?
Pohl: Vom sogenannten erlebten Grad der Belästigung. Der hängt bei einem Windrad vor allen Dingen von den wahrgenommenen Geräuschen ab, aber auch inwiefern die Anlage das Landschaftsbild verändert. In einigen wenigen Fällen geht es auch um den Schattenwurf oder die Lichter, die Windkraftanlagen für den Flugverkehr kennzeichnen.
Aber gibt es dafür nicht Auflagen, die verbindlich regeln, was erlaubt ist und was nicht?
Pohl: Natürlich. Die Situation hat sich über die Jahre auch deutlich verbessert: Schattenwurf war etwa bis Ende der 90er-Jahre ein Problem, weil es keine Regelung dazu gab. Unsere Studie von 1999 hat dazu beigetragen, dass eine Anlage heute abgeschaltet werden muss, wenn eine bestimmte Zeitdauer am Tag beziehungsweise pro Jahr überschritten wird. Seit Einführung dieser Bestimmungen gibt es keine größeren Probleme mehr. Genauso gab es Verbesserungen bei der Kennzeichnung der Anlagen für den Flugverkehr durch Lichter. Inzwischen brauchen die in der Nacht nicht mehr permanent zu blinken. Erst wenn ein Radar erkennt, dass sich ein Flugzeug nähert, werden die Lichter aktiviert.
Und welche Auflagen gelten für den Lärm von Windrädern?
Pohl: Wie hoch die Werte sein dürfen, hängt davon ab, wo eine Person wohnt: in einem Industriegebiet, einem Wohngebiet, einer Schutzzone, in der Krankenhäuser liegen, oder einem Mischgebiet. In letzterem, was einer typischen Gemeinde auf dem Land entspricht, dürfen beispielsweise in der Nacht nicht mehr als 45 Dezibel und tagsüber 60 Dezibel erreicht werden.
Wie laut ist das?
Pohl: Es gibt Vergleichstabellen, die für bestimmte Dezibel-Werte Beispiele nennen. Ich bin aber kein großer Freund davon, da die Empfindung der Lautstärke individuell sehr unterschiedlich sein kann. Unsere Untersuchungen und die von Kollegen haben zudem klar gezeigt, dass weder der Abstand zu einer Windenergieanlage noch der absolute Dezibel-Pegel entscheidend dafür sind, wie belästigend eine Windenergieanlage empfunden wird. Der Pegel muss ja sowieso den Auflagen entsprechen.
Wovon hängt es dann ab, ob Geräusche als störend empfunden werden?
Pohl: Von der Geräuschqualität, also dem speziellen Muster des Sounds. Zu Problemen können zum Beispiel an- und abschwellende Geräusche führen, die nur ab und zu auftreten. Wir sprechen hier von sogenannten amplitudenmodulierten Geräuschmustern. Die ziehen anders als kontinuierliche, wiederkehrende Geräusche, an die sich die meisten Anwohner mit der Zeit gewöhnen, besonders die Aufmerksamkeit auf sich. Da denkt man: Was ist denn jetzt hier los?
Noch entscheidender für den empfundenen Belästigungsgrad einer Windenergieanlage ist aber, welche Erlebnisse eine Person in der Planungs- und Bauphase eines Windparks hatte
Johannes Pohl
Wie entstehen solche besonders lästigen Geräusche?
Pohl: Bestimmte Wetterphänomene begünstigen die Schallausbreitung beispielsweise zeitweilig. Wenn der Boden gefroren ist, werden Geräusche anders reflektiert und sind damit häufig hörbarer. Das gleiche kann passieren, wenn das Wetter wechselt und sich dadurch Luftschichten verlagern. Das führt zu Veränderungen in der Schallausbreitung, manchmal zum Negativen, manchmal zum Positiven. Ebenso können die Geräusche der Windenergieanlagen durch neue Bauten stärker in bestimmte Richtungen reflektiert werden. Es gibt aber auch schützende Faktoren, wie Abschattungen des Schalls durch Baumgruppen. Noch entscheidender für den empfundenen Belästigungsgrad einer Windenergieanlage ist aber, welche Erlebnisse eine Person in der Planungs- und Bauphase eines Windparks hatte. Wer sich da nicht ernst genommen fühlt oder psychisch belastet war, der akzeptiert die Anlagen später weniger und nimmt auch eine größere Geräuschbelästigung wahr.
Warum ist das so?
Pohl: Wenn Sie bereits negativ eingestellt sind oder mit ihren Bedenken in der Planungsphase allein gelassen werden, fangen Sie an, alles kritisch zu beobachten. Oder Sie besorgen sich Informationen, was alles passieren und belästigend wirken kann. Mit dieser Grundeinstellung wartet so eine Person dann vor Ort ab, was passiert und sucht nach Bestätigung ihrer Sicht der Dinge. Und wer sucht, der findet in der Regel auch. Das kann dann eine bestimmte Kette von Stresseffekten in Gang setzen. Die Geräusche der Anlagen stören dann beim Schlaf oder lösen Nervosität und Konzentrationsstörungen aus.
Windräder nahe einer Wohnsiedlung bei Wittmund: Die Betreiber sollten schon früh in der Planungsphase den Kontakt zu Anwohnern suchen, rät Johannes Pohl. So ließen sich viele Bedenken im Vorfeld ausräumen.
Es liegt also in der Hand der Betreiber, wie störend Windkraftanlagen von den Anwohnern empfunden werden?
Pohl: Sie haben großen Einfluss. Indem die Betreiber aktiv auf die Anwohner zugehen und ihre Sorgen und Nöte von Anfang an ernst nehmen, können viele Bedenken bereits vorab geklärt werden. Dann herrscht eine positivere Grundeinstellung. Dafür muss man sich aber Zeit nehmen und wirklich mit den Anwohnern in Diskussion kommen. Und klar: Ein großer Akzeptanzfaktor ist natürlich auch die finanzielle Beteiligung der Anwohner.
Handeln die Betreiber von Windkraftanlagen denn alle schon so?
Pohl: Der Anteil nimmt meiner Beobachtung nach immer weiter zu. Es gibt heute auch Vermittlungsstellen, die Diskussionen moderieren und bei Problemen helfen oder Agenturen, die sich darauf spezialisiert haben, die Anwohner im Planungsprozess zu informieren. Die erfahrenen Betreiber wissen, dass es ihnen sehr hilft, wenn es vor Ort weniger Probleme gibt. Sonst müssen sie mit allen möglichen Einsprüchen und Verfahren von Anwohnern oder Gruppen rechnen, die sich von außen einmischen. Eine gute Planungsphase, in welche die Anwohner mit eingebunden werden, ist also eine Win-Win-Situation.
Die Fragen stellte Denis Dilba.