Markus Hummel ist dem Offshore-Fieber erlegen: „Ich mag es einfach mit Meer und Wind, mit Sturm und Wellen zu tun zu haben und für saubere Energie zu sorgen.“
Start-up in der Offshore-Windkraft
- 12.10.2017
Schweißnaht statt Zierleiste
Der 33-jährige Ingenieur Markus Hummel hat gemeinsam mit Kollegen 2015 die Mh² Offshore GmbH gegründet, nachdem sein Arbeitgeber in Bremerhaven mangels Folgeaufträgen in die Insolvenz gerutscht war. Bei derzeit sieben Windparks sowie Trafostationen in Nord- und Ostsee übernimmt die Firma Montagen, Wartung und Inspektion. Ein Gespräch über Mut, unternehmerisches Gespür und den Umgang mit den sich laufend ändernden politischen Rahmenbedingungen der Offshore-Windkraft.
Herr Hummel, Ihr früherer Arbeitgeber, der Stahlbauer Weserwind, landete in der Insolvenz. Hatten Sie nicht die Nase voll vom risikoreichen Offshore-Geschäft?
Markus Hummel: Die Gründung war eine einmalige Chance, unseren Job weiter zu machen – aber in eigener Regie und auf eigene Rechnung. Und statt roten tragen wir jetzt eben grüne Trikots. Wir hatten Glück, dass es den ersten Auftrag praktisch schon vor unserer Gründung gab: Ein Kunde, der mit Weserwind gerade drei Umspannwerke installiert hatte, brauchte dafür dringend einen Partner mit Offshore-Erfahrung im Stahlbau. Im After Sales bei Weserwind hatten wir diese Leute: Stahlbauer und Schweißer, Industriekletterer und Ingenieure – ich war damals Abteilungsleiter. Wir hatten sechs Wochen Zeit, um die Firma zu gründen und den Auftrag zu übernehmen. Meine beiden Partner und ich haben dann die Satzung geschrieben, die GmbH gegründet, den Deal verhandelt, drei weitere ehemalige Kollegen eingestellt und konnten starten. Inzwischen sind wir auf 17 Beschäftigte gewachsen.
Was leistet Ihre Firma heute?
Hummel: Vereinfacht gesagt: Wir kümmern uns um alles, was in einem Windpark und oder bei Umspannstationen gelb gestrichen ist. Bei den stählernen Gründungsstrukturen über der Wasserlinie sorgen wir für Wartung, Inspektionen und Montagen. Gerade in den ersten ein bis zwei Jahren nach der Installation gibt es in Windparks oft Umrüstungen. Das kann zum Beispiel ein neuer Zugang von See sein, den wir bauen. Der Großteil unserer Aufträge besteht aktuell in der Wartung. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) empfiehlt für einen Offshore-Windpark, in einem Turnus von vier Jahren die Tragstrukturen zu überprüfen. Bei besonders sensiblen Anlagen wie einem Umspannwerk soll die Inspektion jährlich erfolgen. Unsere Mitarbeiter begutachten dann vom Seil aus, ob Schweißnähte und Beschichtungen intakt sind und ob das Drehmoment der Schrauben stimmt. Eine kleine Macke im Lack wird zum Teil gleich ausgebessert, größere Schäden werden für die Reparatur dokumentiert.
Wir kümmern uns um alles, was in einem Windpark gelb ist
Markus Hummel bringt sein Geschäftsmodell auf den Punkt
Sie sind einer äußerst turbulenten Branche treu geblieben – was reizt Sie daran?
Hummel: Ich mag es einfach mit Meer und Wind, mit Sturm und Wellen zu tun zu haben und für saubere Energie zu sorgen. Ich fungiere zwar als CEO, aber als unser Experte für die Inspektion von Beschichtungen bin ich auch alle zwei Wochen für drei oder vier Tage draußen im Einsatz. Und als Ingenieur ist es reizvoll, komplett neue Technologien zu entwickeln. Man beschäftigt sich mit elementaren Fragestellungen. In der Autoindustrie ein halbes Jahr am Design einer Zierleiste zu arbeiten – das ist für mich ein Horrorszenario.
Wie sind Sie in die Offshore-Welt gekommen?
Hummel: In einem Job während des Bachelor-Studiums hatte ich mit der Fertigung von maritimen Fundamenten zu tun. Seitdem war für mich klar, dass ich in den Offshore-Bereich möchte. Ein passendes Folgestudium gab es damals anders als heute allerdings nur in England, Holland und Norwegen. So bin ich in Stavanger gelandet, wo ich meinen Master in Offshore-Technologies gemacht habe. Dort lag der Fokus allerdings auf der Förderung von Öl und Gas.
Bei den fossilen Energieträgern ist das Ende absehbar – kann Offshore-Wind an deren Stelle treten?
Hummel: Wir haben in der Branche erst eine Goldgräber-Stimmung und dann den Zusammenbruch von funktionierenden Zulieferketten erlebt. Mittlerweile entwickeln sich Routinen, aus technischer Sicht sind viele Risiken besser einschätzbar. Weil eine ganze Reihe von Windparks am Netz ist, weiß jeder, auf was er sich einlässt. Die Technik ist ausgereifter und die Wartung eingespielt, es lässt sich abschätzen, wie teuer etwa die Verkabelung innerhalb des Parks ist. Das gibt mehr Sicherheit bei der Planung und ist ein Grund, dass die angebotenen Vergütungen für Offshore-Strom in den letzten Ausschreibungen so niedrig lagen. Im Gegensatz zu den Herstellern ist unser Unternehmen allerdings nicht direkt von politischen Vorgaben abhängig.
Mh2-Techniker arbeiten per Seil gesichert in luftiger Höhe: Die Bedingungen draußen auf See können hart sein. Aber viele lockt das Abenteuer.
Es gibt also Firmen, die von der Achterbahnfahrt der Branche nicht direkt betroffen sind?
Hummel: Ein Windpark ist auf eine Betriebsphase von mindestens 20 Jahren ausgelegt. Und je älter die Anlagen werden, desto mehr ist bei der Wartung zu tun. Deshalb trifft uns das Auf und Ab der Branche weniger als andere – unsere Auftragszahlen gehen nicht nach unten. Zu schaffen machen uns eher die saisonalen Schwankungen. Auf See können wir nur von Mai bis Oktober wirklich effizient arbeiten. In dieser Zeit fallen viele Überstunden an. In den übrigen Monaten müssen wir uns im In- und Ausland nach Arbeiten an Land umsehen. Das kann bei einer Windenergieanlage sein oder ein Auftrag aus einer ganz anderen Branche.
Was sind die Herausforderungen für ein neu gegründetes Offshore-Unternehmen?
Hummel: Als junge Firma hatten wir keine langfristigen Verträge bekommen. Am Anfang eines Jahres wussten wir meist nicht, womit wir unser Geld während der nächsten Monate verdienen werden. Das ändert sich gerade. Wir haben Aufträge bis in den nächsten Sommer hinein und bekommen erste Rahmenverträge für Wartungsarbeiten. Was auch neu ist: Kunden lassen sich vertraglich zusichern, dass kein Fremdpersonal eingesetzt wird. Denn es gibt offenbar ein Dumping-Problem: Neue Anbieter arbeiten mit nicht ausreichend qualifizierten Leiharbeitern. Damit sind zwar Angebote möglich, die bis zur Hälfte unter dem üblichen Tagessatz liegen. Die geforderte Qualität lässt sich so aber nicht liefern, wie die Klauseln zum Fremdpersonal zeigen. Bei uns sind dagegen eingespielte Teams unterwegs. Da weiß jeder, wie der andere arbeitet – so stellen wir eine gleichbleibend hohe Arbeitsqualität sicher.
Einsatz auf See: Techniker von Mh2 kümmern sich um die Wartung, Inspektion und Montage von Offshore-Windkraftanlagen.
Sie sind erfolgreich mit einer jungen Firma – was raten Sie anderen, die in der Branche gründen wollen?
Hummel: Es ist schwierig, ohne ein Netzwerk bei null zu starten. Gründungen erfolgen wie bei uns oft aus anderen Unternehmen heraus. Was es für Neulinge ebenfalls schwer macht: In der Offshore-Branche ist alles extrem teuer. Wegen der aufwendigen Logistik, dem Transport mit Schiffen oder Helikoptern und den benötigten Ausbildungen und Qualifikationen liegt schon der Tagessatz für einen Schweißer schnell bei knapp tausend Euro. Ist ein Team dann einige Wochen unterwegs, geht das schnell ins Geld. Das Risiko ist somit für Auftragnehmer wie -geber hoch.
In Berlin beginnen in diesen Tagen die Jamaika-Sondierungen. Was sind Ihre persönlichen Wünsche an die neue Bundesregierung?
Hummel: Planungssicherheit für die Branche! Offshore-Windkraft ist aus meiner Sicht die einzig vernünftig skalierbare erneuerbare Energiequelle. Wir Deutschen sind heute schon Weltmarktführer in punkto Technologie. Aber wir brauchen auch ein klares Bekenntnis zur Offshore-Windkraft seitens der Bundesregierung. Denn dann können wir nicht nur Arbeitsplätze schaffen, die Technologie voranbringen und Exportchancen nutzen, sondern sogar in absehbarer Zeit die Energiewende bei uns im Land vollziehen. Mit der Deckelung der Ausbauziele und dem Auf und Ab der Vergangenheit erreichen wir genau das Gegenteil. Es geht aber nicht nur um den Ausbau auf See, sondern vor allem auch um den Netzausbau an Land, um die Energie zu verteilen. Und das kann nur politisch forciert werden.
Die Fragen stellte Peter Ringel.