Co-Autor des Energiewende-Index von McKinsey

  • Search18.04.2019

„Deutschland tritt auf der Stelle“

Mit dem Energiewende-Index misst McKinsey alle sechs Monate, wie weit der Umbau der Energieversorgung vorangekommen ist. Die jüngste Studie stellt Deutschland ein schlechtes Zeugnis aus. Die Gründe erklärt einer der Autoren im Interview mit EnergieWinde.

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    Ingar Ritzenhofen: Der McKinsey-Experte ist Co-Autor des Energiewende-Indexes.

    Ingmar Ritzenhofen ist Associate Partner bei McKinsey & Company und Co-Autor des Energiewende-Index.

    Herr Ritzenhofen, Deutschland war mal ein Vorreiter beim Klimaschutz. Warum ist das Land zurückgefallen?
    Ingmar Ritzenhofen: Weil der Gesetzgeber es verpasst hat, rechtzeitig die nötigen Weichenstellungen einzuleiten. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz hatte sich Deutschland zu Beginn der Energiewende einen Vorsprung gegenüber anderen Ländern erarbeitet. Das Gesetz war ein Instrument, das Investoren Sicherheit gab und so für ein rasches Wachstum beim Ausbau regenerativer Energiequellen gesorgt hat. Doch inzwischen tritt Deutschland auf der Stelle.

    Was ist schiefgelaufen?
    Ritzenhofen: Im Wesentlichen zwei Dinge: Zum einen hätte der Gesetzgeber die Förderung schon viel früher marktorientiert gestalten müssen, wie es mit den Ausschreibungen zuletzt ja auch passiert ist. Zum anderen – und das ist vielleicht sogar der wichtigere Punkt – fehlt der ganzheitliche Blick auf die Energiewende. Es gab zwar zunächst große Erfolge bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes in der Energiewirtschaft und eine Fülle einzelner, für sich genommen durchaus sinnvoller Ansätze. Aber man hätte regelmäßiger einen Schritt zurücktreten müssen, um das Große und Ganze im Blick zu behalten und gegebenenfalls nachzusteuern.

    Haben Sie ein konkretes Beispiel?
    Ritzenhofen: Nehmen Sie etwa den dringend nötigen Ausbau der Stromnetze. Dafür hat der Gesetzgeber bestimmte Vorranggebiete festgelegt, die in der Gesamtschau allerdings nicht immer optimal gewählt zu sein scheinen.

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    Im Verkehrssektor ist der Veränderungsbedarf besonders groß – und das Potenzial der Elektrifizierung entsprechend hoch

    Ingmar Ritzenhofen

    Was muss passieren, damit die Energiewende in Deutschland wieder in Schwung kommt?
    Ritzenhofen: In der Stromerzeugung gab es in der Vergangenheit ja bereits große Erfolge bei der CO2-Reduktion. Jetzt muss es gelingen, diese Erfolge auf Sektoren wie Verkehr und Gebäude zu übertragen. Studien zeigen, dass sich dazu vor allem die Elektrifizierung anbietet. Gerade der Verkehrssektor hat in Summe seine Emissionen bislang kaum  senken können. Dabei ist der Verkehrssektor relativ schon viel effizienter geworden ist. Allerdings hat gleichzeitig die Zahl der Fahrzeuge auf den Straßen so enorm zugenommen, dass die Emissionen absolut nicht wirklich gesunken sind. Hier ist der Veränderungsbedarf besonders groß – und das Potenzial der Elektrifizierung entsprechend hoch.

    Manche Experten warnen allerdings davor, zu stark auf Elektroautos zu setzen: Es sei längst nicht ausgemacht, ob Akkus oder Wasserstoff das Rennen machen.
    Ritzenhofen: Welche Technologie sich am Ende durchsetzt oder ob mehrere parallel existieren werden, lässt sich aus heutiger Sicht nicht seriös beantworten. Statt sich auf einen Weg festzulegen, empfehlen wir deshalb eine technologieoffene Herangehensweise. Das gilt übrigens auch für den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung.

    Das heißt, Windräder sollten in Auktionen gegen Solaranlagen und Biomasse antreten?
    Ritzenhofen: Richtig. Technologieoffenheit und Wettbewerb sind in der Regel der beste Weg, um die Kosten zu senken. Das hilft dann auch, eine Balance zwischen den Dimensionen Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltschutz zu erreichen.

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    Grundsätzlich sind die Erneuerbaren definitiv wettbewerbsfähig. Die Technologie wird immer effizienter und die Produktionskosten sinken

    Ingmar Ritzenhofen

    Ist Ökostrom aus Ihrer Sicht heute konkurrenzfähig gegenüber Strom aus konventionellen Quellen?
    Ritzenhofen: Absolut! Natürlich unterscheiden sich die konkreten Bedingungen von Standort zu Standort, aber grundsätzlich sind die Erneuerbaren definitiv wettbewerbsfähig. Die Technologie wird immer effizienter und die Produktionskosten sinken. Das zeigen ja auch die sogenannten Zero-Subsidy-Gebote, in denen Offshore-Windparks einen Zuschlag erhielten, deren Betreiber komplett auf eine staatliche Förderung verzichten.

    Warum ist Strom in Deutschland dann so teuer?
    Ritzenhofen: Weil die Strompreiszusätze wie Umlagen und Netzentgelte hoch sind – dies gilt auch im internationalen Vergleich. Die Erzeugungskosten machen ja nur einen kleinen Teil dessen aus, was der Verbraucher bezahlt.

    Etwas besser ist die Lage für Großkunden: Die Industriestrompreise sinken laut dem Energiewende-Index. Sie liegen aber noch immer über dem EU-Schnitt. Sehen Sie die Gefahr, dass stromintensive Unternehmen Standorte verlagern?
    Ritzenhofen: Das ist eine Befürchtung, die es seit Jahren gibt, die sich aber kaum bewahrheitet hat. Dafür sorgen unter anderem Ausnahmeregelungen für energieintensive Betriebe. Stromkosten sind ein wichtiger Standortfaktor und relevant insbesondere für energieintensive Unternehmen. Aber sie sind isoliert betrachtet nicht das eine stichhaltige Argument gegen den Standort Deutschland.

    Die Fragen stellte Volker Kühn

    Der Energiewende-Index von McKinsey misst seit 2012 im Halbjahrestakt, wie weit Deutschland auf dem Weg zu seinen energiepolitischen Zielen für das Jahr 2020 vorangekommen ist. Die Studie untersucht dazu 14 Indikatoren in den Bereichen Klima- und Umweltschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit. Den aktuellen Index vom März 2019 gibt es hier zum Download.

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