Klimaunion-Chef Heinrich Strößenreuther

  • Search21.09.2021

„Das ist unsere Mondlandung“

Die Klimaunion will CDU und CSU auf 1,5-Grad-Kurs bringen. Fünf Monate nach der Gründung erklärt ihr Vorsitzender Heinrich Strößenreuther: Wir haben die Union geknackt. Im Interview spricht er über Workshops mit Friedrich Merz und verrät seine Wunschkoalition nach der Wahl.

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    „Wir sind eine kostenlose Beratungs- und Trainingseinheit für Armin Laschet“: Heinrich Strößenreuther, Gründer der Klimaunion.

     

    Er ist Deutschlands wohl bekanntester Radaktivist, hat eine App zum Anschwärzen von Falschparkern auf den Markt gebracht, war Greenpeace-Campaigner, Grünen-Mitglied und Bahn-Manager. Seit März ist der Berliner Verkehrsberater Heinrich Strößenreuther nun in der CDU, zeitgleich hat er die Klimaunion gegründet. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, die Partei auf 1,5-Grad-Kurs zu bringen, und ein Programm entwickelt, das stellenweise ambitionierter ist als das der Grünen. Im Interview mit EnergieWinde spricht der 53-Jährige über die strategischen Überlegungen hinter seinem CDU-Eintritt und die Frage, wie man das bürgerliche Lager für den Klimaschutz gewinnt.

    Herr Strößenreuther, Ihr Eintritt in die CDU hat viele Klimaaktivisten überrascht. Warum haben Sie sich für eine Partei entschieden, die in der Vergangenheit eher als Bremser denn als Antreiber beim Klimaschutz aufgetreten ist?
    Heinrich Strößenreuther: Als ich eingetreten bin, standen alle Umfragen auf Schwarz-Grün. Ich habe darin die strategische Herausforderung gesehen, die CDU für einen klareren pariskonformen Klimakurs zu gewinnen, damit insgesamt eine Koalition entsteht, die für die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits sorgt. Schließlich hätte der größere Partner CDU definiert, wie viel Geschwindigkeit beim Klimaschutz zugelassen wird, und so wie die CDU damals aufgestellt war, hätte das wahrscheinlich nicht gereicht. Obendrein komme ich aus einem CDU-Elternhaus und hatte ein Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ich hatte nie Berührungsängste gegenüber dem bürgerlichen Lager wie so mancher Ökoaktivist.

    Das heißt, Sie wären jetzt in der SPD, wenn die Umfragen damals schon Scholz vorn gesehen hätten?
    Strößenreuther: Gute Frage. Nein, ich glaube ich hätte mich eher damit beschäftigt, wie man parteiübergreifend den nötigen Druck aufbaut, damit eine paristaugliche Politik beschlossen wird.

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    Das war ein Erfolg, den wir in unseren kühnsten Träumen nicht erwartet hätten. Wir haben die Union in nur fünf Monaten geknackt

    Heinrich Strößenreuther

    Ist die Klimaunion ein Trojanisches Pferd innerhalb der CDU?
    Strößenreuther: Nein. Wir sind ein Thinktank und eine kostenlose Beratungs- und Trainingseinheit für Armin Laschet und andere Spitzenpolitiker. Wir hatten inzwischen fünf, sechs Termine mit Friedrich Merz zum Thema Klima- und Energiepolitik und haben den Eindruck, dass hier kräftig dazugelernt wurde, was Faktenwissen und Zusammenhänge angeht. Wir haben Workshops mit Strategieberatern und Geschäftsführern aus dem Bereich erneuerbare Energien veranstaltet, in denen herauskam, dass man Wind- und Solarstrom heute ab drei Cent die Kilowattstunde erzeugen kann. Kohlestrom kostet dagegen acht oder neun Cent und Atomstrom weit über 20. Die Botschaft war, dass man den Energiemarkt so entfesseln muss, dass sich Millionen Hausbesitzer eine Solaranlage aufs Dach schrauben wollen – was im Übrigen keine Steuergelder kostet. Unser Argumentationshilfe hat inzwischen Einzug in die Partei gefunden. Das Präsidium hat Ende August in einem Papier den „Turbo der Erneuerbaren“ gezündet. Das war für uns in der Klimaunion ein Erfolg, den wir in unseren kühnsten Träumen nicht erwartet hätten. Wir haben die Union in nur fünf Monaten geknackt.

    Wirklich? Das sehen Energieexperten anders. Claudia Kemfert nennt die Klimaunion „eine Strömung unter vielen“ in der CDU, Volker Quaschning sieht „Lichtjahre“ zwischen dem Turbo und dem Positionspapier der Klimaunion.
    Strößenreuther: Die Lichtjahre beziehen sich vor allem darauf, dass konkrete Zahlen zum Zubau der Erneuerbaren in dem „Turbo“-Papier fehlen. Das ist bei SPD und FDP aber auch nicht anders, und die Pläne der Grünen von 20 Gigawatt pro Jahr für die nächste Legislaturperiode und 30 Gigawatt im Anschluss reichen bei Weitem nicht für Paris. Was die CDU von uns übernommen hat, ist das geschickte Design des Energiemarkts, das dazu führen wird, die nötige Dynamik auszulösen. Ob wir damit nun 50 oder 100 Gigawattstunden hinkriegen, wissen wir jetzt nicht, aber ich bin mir sicher, dass wir mit dieser guten Regulatorik den nötigen Schwung bekommen. In dem Punkt sind übrigens die Positionen von CDU, FDP und Grünen mittlerweile sehr ähnlich.

    „Wenn es irgendwie reicht: Jamaika“: Heinrich Strößenreuther auf die Frage nach seiner Wunschkoalition.

    Wenn sich die Positionen ohnehin ähneln, warum sollten die Wähler am Sonntag dann die CDU ankreuzen und nicht eine Partei, die schon länger glaubwürdig für Klimaschutz steht?
    Strößenreuther: Ich habe in Berlin erlebt, wie unter grüner Senatsführung im Bereich Umwelt, Energie und Verkehr so gut wie nichts geschafft wurde. Viel Ankündigung, wenig Konkretes. Selbst die Solardachpflicht ist erst kurz vor Ende der Legislaturperiode eingeführt worden. Mit der Geschwindigkeit schaffen wir die 1,5 Grad nie! Die CDU steht für Wirtschaftskompetenz, sie kriegt die Dynamik mit Sicherheit besser hin als die Grünen. Außerdem ist die CDU in den Verwaltungen auf Bund-, Länder und Gemeindeebenen stärker vernetzt und hat deshalb mehr Menschen mit den nötigen Kompetenzen und Erfahrungen hinter sich.

    Was wäre Ihre Wunschkoalition?
    Strößenreuther: Wenn es irgendwie reicht: Jamaika. Es braucht die Grünen mit in der Regierung, Schwarz-Rot-Gelb wäre für Klimathemen sicher nicht das Beste. Das Credo war für mich deshalb immer Schwarz-Grün. Wenn jetzt ein Sprengsel Gelb dazukommt, schadet das nicht.

    Sollte die CDU auch als Juniorpartner in eine Bundesregierung eintreten?
    Strößenreuther: Da halte ich mich raus. Ich halte es aber für unwahrscheinlich, dass sie das tun würde.

    Hat das Thema Klimaschutz im Wahlkampf den Stellenwert, den es verdient?
    Strößenreuther: Nein. Mir hängt die Art, wie in fast allen Parteien und in großen Teilen der Medien darüber diskutiert wird, allmählich zum Halse heraus. Es geht ständig darum, wie viel uns der Klimaschutz kostet und wie viele Milliarden neuer Schulden wir aufnehmen müssen. Totaler Unsinn, es würde wirklich helfen, mal in die Fakten zu schauen! Wir können uns schon heute mit Strom aus Wind und Sonne billiger versorgen als mit Kohle und Atom. Schon heute ist Autofahren mit Strom billiger als mit Diesel oder Benzin. Und schon heute ist Heizen mit Strom vom Dach und einer Wärmepumpe billiger als Heizen mit Gas. Man müsste das Thema Klimaschutz ganz anders verkaufen. Jeder will doch weniger für seinen Strom, das Heizen und die Mobilität zahlen!

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    Ich bin seit 30 Jahren Klimaaktivist und hatte immer damit zu kämpfen, dass ich für viele aus der Klimaszene zum falschen Lager gehöre, nur weil ich mit weißem Hemd und Anzug rumlaufe, wie es Unternehmensberater nun mal tun

    Heinrich Strößenreuther

    Wäre das eine Erzählung, mit der man auch Skeptiker für den Klimaschutz gewinnt?
    Strößenreuther: In erster Linie geht es gar nicht darum, Skeptiker zu überzeugen. Es geht darum, die breite Mitte zu gewinnen. Die Klimabewegung ist mal bürgerlich gestartet, aber inzwischen ist sie sehr linkslastig. Das ist ein Problem, weil wir die ganze Gesellschaft erreichen müssen. Ich bin seit 30 Jahren Klimaaktivist und hatte immer damit zu kämpfen, dass ich für viele aus der Klimaszene zum falschen Lager gehöre, nur weil ich mit weißem Hemd und Anzug rumlaufe, wie es Unternehmensberater nun mal tun. So baut man keine Brücken. Die Dame mit Perlenohrring aus Zehlendorf muss genauso Teil der Klimabewegung sein dürfen wie die Dame mit Piercing aus Kreuzberg.

    Ist vielleicht auch Greta Thunbergs „I want you to panic“ ein Fehler, weil der Satz viele Menschen abschreckt, statt sie im Kampf fürs Klima mitzunehmen?
    Strößenreuther: Nein, der Satz ist gut! Man muss den Säbelzahntiger erst mal sehen, bevor man entscheiden kann, ob man flieht oder kämpft. Das Problem ist, dass ihn viele Leute noch immer nicht sehen. Deshalb braucht es solche Weckrufe. Genauso wie es positive Botschaften braucht.

    Wie lautet die der Klimaunion?
    Strößenreuther:
    Wir halten es mit John F. Kennedy. Der hat 1962 verkündet, dass Amerika noch vor Ende des Jahrzehnts einen Mann auf den Mond schicken würde. Das war damals eine unglaubliche technische Herausforderung. Im Vergleich dazu ist das, was wir heute erreichen müssen, fast schon eine Kleinigkeit, denn die nötigen Technologien gibt es längst. Wir werben für den Klima-Kennedy-Ruck: Ich glaube, diese Nation sollte noch vor Ende des Jahrzehnts das Ziel erreichen, 1000 Gigawatt sauberen Stroms in deutsche Leitungen zu speisen. Das ist unsere Klima-Mondlandung, die wir brauchen. Ich wünschte mir, die 1000-Gigawatt-Botschaft aus den Mündern der Kanzlerkandidaten zu hören.

    Die Fragen stellte Volker Kühn.

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