Von Volker Kühn
Vielleicht wäre seine Geschichte eine andere, wenn er ein Großstadtkind wäre. Wenn da nicht dieser kleine Fluss wäre, der sich hinter seinem Elternhaus am Rand von Bad Bramstedt durch die Wiesen windet, der Wald, durch den er stundenlang streift. So aber macht er von klein auf die Natur zu seinem Revier.
Damit aus Arved Fuchs jener Mann wird, der es zu Fuß an beide Pole schafft, der im Kajak um Kap Hoorn paddelt und auf seinem Segelschiff in Sibirien überwintert, braucht es neben Freiheitsdrang allerdings noch eine zweite Zutat: Abenteuergeist.
Den entflammen die Bücher, die er bei seinen Eltern im Regal findet: erst Karl May, später Coopers „Lederstrumpf“, der ihm besser gefällt, weil er realistischer ist, härter. Als er dann die Reiseberichte von Entdeckern wie Ferdinand Magellan und James Cook in die Finger bekommt, ist es um ihn geschehen. Vor allem die Schilderungen der Polarfahrer Fridtjof Nansen und Roald Amundsen lassen ihn nicht los.
„Ich wollte immer wissen, was hinter dem Horizont liegt. In meiner kindlichen Unbekümmertheit habe ich mir gesagt: Wenn ich erwachsen bin, mache ich es wie die Entdecker und reise um die Welt“, sagt Fuchs.
Heute lebt der 66-Jährige noch immer in seinem Elternhaus in Bad Bramstedt. Doch zwei Reisemitbringsel verraten schon von Weitem, dass er seinen Kindheitstraum verwirklicht hat: ein Totempfahl im Garten und ein Schild an der Einfahrt, das vor Eisbären warnt. Das Haus ist zum Basislager seiner jahrzehntelangen Expeditionsreisen geworden.
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Herr Fuchs, von einem Leben als Abenteurer träumen viele. Warum hat es bei Ihnen tatsächlich funktioniert?
Fuchs: Vielleicht hatte ich die nötige Portion Trotz in mir. Wenn andere gesagt haben, du kannst doch nicht von Beruf Abenteurer werden, hat das meinen Ehrgeiz geweckt. Ich wollte beweisen, dass ich es eben doch kann. Ich meinte das immer ernst. Nach der Schule habe ich bei der Handelsmarine angeheuert. Das war eine Möglichkeit, ein Stück von der Welt zu sehen, und zugleich eine Art Sprungbrett in die spätere Selbstständigkeit.
Hatten Sie Vorbilder – andere Abenteurer, denen Sie nachgeeifert haben?
Fuchs: Rüdiger Nehberg war so etwas wie mein Mentor. Der ist schon seit den Fünfzigern mit seinem Fahrrad um die halbe Welt gereist und hat auf Vorträgen davon erzählt. Ich habe ihn damals einfach angeschrieben. Er hat mich ungemein bestärkt in meinen Plänen und gesagt, wenn du so etwas wirklich machen möchtest, dann tu es jetzt als junger Mann. Über Nehberg habe ich dann andere Abenteurer kennengelernt wie Peter Lechhart, den Gründer von Globetrotter. Von ihm habe ich viel gelernt. Er war Bergsteiger, aber auch Segler, und er hat Grönland durchquert.
Ein Ziel, an das es Sie inzwischen mehr als 20-mal gezogen hat.
Fuchs: Der hohe Norden fasziniert mich einfach. Das Problem war, dass ich zu Anfang kaum Geld hatte und nicht einfach nach Skandinavien reisen konnte, um dort zu trainieren. Ich musste deswegen pragmatisch an die Sache herangehen und habe den Geschäftsführer einer Großschlachterei in Bad Bramstedt überredet, mir seinen Schockgefrierraum zur Verfügung zu stellen. Den konnte man bis minus 37 Grad herunterkühlen, und ich habe darin im Kälteschlafsack übernachtet, unter gefrorenen Schweinehälften.
Hat der Schlafsack den Temperaturen standgehalten?
Fuchs (lacht): Nein! Angeblich war er für bis zu minus 40 Grad gemacht, aber er hat nicht mal bis minus 20 gereicht. Man denkt immer, dass es keinen Unterschied macht, ob es nun 20 oder 30 Grad unter null sind. Aber das ist ein Irrtum, man spürt jedes einzelne Grad.
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In die Arktis schafft Fuchs es trotzdem. Auf seine erste Tour 1979 folgen bald weitere Reisen. Die Strecken sind auf einer Wandkarte in seinem Besprechungszimmer eingezeichnet; es liegt im Erdgeschoss des Klinkerbaus, in dem er mit seiner Frau lebt. Die meisten Routen sind oben auf der Karte verzeichnet. 1983 etwa durchquert er Grönland im Hundeschlitten auf den Spuren einer historischen Expedition des Polarforschers Alfred Wegener. Aber auch unten ist die Karte von Linien durchzogen. 1984 paddelt Fuchs mitten im Winter in einem Faltboot um Kap Hoorn an der Südspitze Südamerikas, eines der gefährlichsten Seegebiete der Welt.