„Die Kritik an meinen Positionen hat deutlich zugenommen, seit ich als Wissenschaftlerin stärker in der Öffentlichkeit stehe, gerade weil ich jenseits meines Fachgebiets auch zu gesellschaftlichen Fragen Stellung beziehe. Das überrascht mich nicht, aber zum Glück ist es nicht so krass, wie es viele Politikerinnen, Journalistinnen oder Moderatorinnen erleben. So war ich beispielsweise zu Gast in der Talkshow von Maybrit Illner – zu der Frage, wie dringend Investitionen in den Klimaschutz sind und ob der CO2-Preis kommen muss. Zunächst musste ich mir überhaupt Redezeit erkämpfen, dann gab es Ärger in den sozialen Medien, weil ich die Zukunftsfähigkeit der aktuellen Klimapolitik in Frage gestellt hatte.
Auch in einigen Printmedien sind meine Stellungnahmen erschienen. Seitdem bekomme ich fast täglich E-Mails von Männern, die den Klimawandel leugnen. Des Öfteren auch handgeschriebene Briefe von älteren Herren, die mir mitteilen, dass Frauen nichts von Physik verstünden und in der Öffentlichkeit schweigen sollten. Der Großteil der Schreiben hat denselben Inhalt: eine Mischung aus allgemeinem Abstreiten von Klimawandelfakten und Frauenbeschimpfung.
Die Argumente wiederholen sich, etwa: So wenig Kohlendioxid kann nicht schädlich sein. Oder Deutschland muss nichts gegen den Klimawandel tun, China ist schuld. Oder auch die Verunglimpfung der Klimaforschung, zum Beispiel der aktuellen MOSAIC-Expedition mit dem Forschungseisbrecher ‚Polarstern‘, die als ,Luxuskreuzfahrt für Klimaaktivisten‘ bezeichnet wurde. Mein neuer Lieblingsvorwurf: Ich solle Zöpfe tragen, weil ich wie Greta spräche. Da ich aber nicht in den sozialen Medien unterwegs bin, bekomme ich vermutlich einen Großteil der Kritik gar nicht mit.
Früher waren meine Schwerpunkte der Meeresschutz, die Vielfalt des Lebens im Meer, die unbekannte Tiefsee – da sind solche Beschimpfungen nicht passiert. Doch wenn man den Ozean und die Erde als Ganzes liebt, verstehen und schützen will, kommt man am Klimawandel nicht vorbei und damit auch nicht an Fragen zu menschlichem Handeln, Umweltpolitik, Ökonomie, Ethik.
Immerhin: Bei aller unerfreulichen Kritik überwiegen doch die freundlichen, ermutigenden Schreiben. Dazu gehören auch Anfragen von Menschen, die mehr darüber wissen möchten, wie es sich mit dem Klimawandel verhält. Schreiben wie: Ich streite mich mit meinem Nachbarn über das Klima, und hätte gern gewusst, was wir in Deutschland machen müssen. Oder: In meinem Sportverein sagen alle, die Aktivisten übertreiben – wie argumentiere ich für Klimaschutz? Das sind ganz häufige Fragen. Ich versuche manchmal, solche Schreiben zu beantworten. Aber so eine E-Mail-Antwort kostet Zeit. In vielen Fällen verweise ich deshalb gern auf gute Websites, die Antworten geben; zum Beispiel Klimafakten.de.“
Aufgezeichnet von Tim Schröder.