Erderwärmung in Deutschland

  • Search14.02.2019

„Noch sind die Klimaziele erreichbar“

Alle 30 Jahre steigt die mittlere Temperatur in Deutschland um ein Grad, sagt Klimaexperte Peter Hoffmann. Die Folgen sind gravierend. Sie gehen über Dürren und Hochwasser weit hinaus.

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    Der Meteorologe Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) beobachtet die Erderwärmung genau. Er arbeitet an Modellrechnungen und Szenarien, die zeigen, wie sich einzelne Regionen infolge des Klimawandels verändern. Im Interview mit EnergieWinde erklärt der 43-Jährige, wie stark die Temperaturen hierzulande bereits jetzt gestiegen sind, warum Hoch- und Tiefdruckgebiete tendenziell immer länger über Deutschland verharren – und was er Klimaskeptikern wie Donald Trump oder in der AfD entgegenhält.

    Herr Hoffmann, Forscher weisen regelmäßig darauf hin, dass einzelne Wettererscheinungen nicht eindeutig dem Klimawandel zuzurechnen seien. Gilt das selbst für den Ausnahmesommer 2018?
    Peter Hoffmann: Ja, das gilt trotzdem. Der Sommer war zwar wirklich ungewöhnlich, weil er so extrem trocken war und sehr früh begonnen hat. Es ging ja bereits im April los. Aber theoretisch kann es sich bei diesem Sommer genau wie bei jeder anderen Extremwetterlage auch um ein Ereignis handeln, das nur einmal in 100 oder 1000 Jahren auftritt.

    Dann war der Hitzesommer kein Hinweis auf den Klimawandel?
    Hoffmann: Sagen wir es mal so: Er lässt sich nicht eindeutig darauf zurückführen – aber es gibt zunehmend Signale dafür, dass solche Ereignisse und deren Häufung ohne den Klimawandel nicht mehr zu erklären sind. Zugleich werden diese Ausschläge im Zuge der Erderwärmung wahrscheinlicher.

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    Nach Daten des Deutschen Wetterdienstes ist die Durchschnittstemperatur seit 1961 alle 30 Jahre um ein Grad gestiegen

    Peter Hoffmann, Klimaexperte

    Was macht Sie da so sicher?
    Hoffmann: Die Entwicklung der Temperaturen. Im Vergleich zur vorindustriellen Zeit ist es in Deutschland bereits 1,4 Grad wärmer. Nach Daten des Deutschen Wetterdienstes ist die Durchschnittstemperatur seit 1961 sogar alle 30 Jahre um ein Grad gestiegen. Das klingt vielleicht nicht viel, hat aber weitreichende Folgen. In Berlin etwa herrscht heute ein Klima wie in Freiburg um 1980. In Süddeutschland bekommen wir zunehmend Verhältnisse, wie wir sie von nördlichen Mittelmeerregionen kennen. Und Städte wie Rom nähern sich klimatisch dem an, was wir sonst in Nordafrika beobachten. Es ist aber nicht nur das Ansteigen der Jahresmitteltemperatur, das beim Blick auf die Langzeitdaten auffällt.

    Was noch?
    Hoffmann: Zugleich nimmt die Zahl der extremen Hitzetage zu, an denen die Temperatur auf 30 Grad oder mehr klettert. Im Schnitt kommt ein Hitzetag pro Jahrzehnt hinzu. Das bedeutet konkret, dass die Zahl der Hitzetage im Deutschlandmittel zwischen 1960 und 1990 bei etwas vier lag, und sich bis heute auf acht verdoppelt hat.
    Daneben gibt es noch eine zweite Tendenz im Zuge der Erderwärmung: Die Wetterlagen verharren länger über einen Ort. Das liegt sehr wahrscheinlich daran, dass sich die Arktis viel schneller erwärmt als die übrige Welt. Dadurch sinken die Temperaturunterschiede zwischen Pol und Äquator und in unseren Breiten nehmen die Westwinde ab, die gewöhnlich für einen Wechsel der Großwetterlage sorgen. Aus einem Hoch kann so eine Dürre werden, aus einem Tief eine Hochwasserkatastrophe.
    Die letzten beiden Jahre sind gute Beispiele dafür: 2017 hatten wir viel zu viel Niederschlag, 2018 viel zu wenig. Wirklich schwierig wird es, wenn wir mal zwei aufeinanderfolgende Dürrejahre bekommen und zum Beispiel die Talsperren nicht noch vom Vorjahr ausreichend gefüllt sind.

    Fotostrecke: Wo der Klimawandel schon sichtbar ist

    Klimawandel in der Arktis: Die Eispanzer vor Grönland schmelzen.

    Wer an Grönland denkt, hat Bilder wie dieses im Kopf: Gewaltige Eispanzer türmen sich über der Arktischen See, ein einsames Touristenboot erkundet die majestätische Kulisse. Doch in Zeiten des Klimawandels …

    Gröndlands Bauern profitieren vom Klimawandel: Sie können Gemüse anbauen.

    … verliert die riesiege Insel ihr eiszeitliches Gesicht. Der Landwirt Anders Iversen baut in Südgrönland Weißkohl und – wie passend – Eisbergsalat an. Selbst Erdbeeren wachsen inzwischen auf der Insel. Die Bauern gehören damit zu den Profiteuren des Klimawandels. Nirgendwo hinterlässt er so deutliche Spuren …

    Symboltier des Klimawandels: Der Eisbär in der Arktis verliert durch die Erderwärmung seine Lebensgrundlage.

    … wie in der Arktis. Im Winter 2017/18 schlug das Wetter dort nie gekannte Kapriolen an. Forscher registrierten regelrechte Hitzewellen mit Temperaturen, die bis zu 30 Grad über dem Üblichen lagen. Seit der Jahrtausendwende sei jedes Jahr im Schnitt mindestens 0,4 Grad wärmer gewesen als der Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990. Der Eisbär, das Symboltier des Klimawandels …

    Klimawandel in Kanada: Eisbären wandern weiter nach Süden. Per Helikopter werden sie zurück in den Norden gebracht.

    … leidet besonders unter der Veränderung. Weil das Meereis im Sommer immer früher schmilzt, weicht der Bär zunehmend aufs Land aus. In Orten wie dem kanadischen Hudson Bay kommt des deshalb immer öfter zu gefährlichen Begegnungen mit Menschen. Hier wurden zwei Bären betäubt, die nun per Helikopter von der Siedlung weggeflogen werden. Anders als die Tierwelt, …

    Der Klimawandel in der Arktis ermöglicht die Förderung von Erdöl unter dem Eis.

    … frohlockt die Öl- und Gasindustrie: Unter dem arktischen Eis werden gewaltige Rohstoffreserven vermutet. Der Klimawandel könnte ihre Erschließung erleichtern. Diese russische Plattform fördert bereits am Rande der Barentssee – in einem überaus sensiblen Ökosystem. Aber nicht nur im hohen Norden, …

    Klimawandel in Patagonien (Argentinien): Die Gletscher schmelzen.

    … auch auf der Südhalbkugel zeigt sich die Macht des Klimawandel. Etwa am gewaltigen Upsala-Gletscher im argentinischen Teil Patagoniens. Er hat in den vergangenen 30 Jahren mehr als zehn Kilometer an Länge verloren und wird immer dünner. Ein anderer Gletscher dagegen …

    Klimawandel in Patagonien (Argentinien): Die Gletscher schmelzen.

    … scheint dem Klimawandel zu trotzen: Der Perito-Moreno, ebenfalls in Patagonien, ist zuletzt sogar gewachsen. Experten warnen allerdings davor, darin einen Beleg gegen die Erderhitzung zu sehen. Die Durchschnittstemperaturen sind auch hier gestiegen, das Wachstum muss also andere Ursachen haben – womöglich in der speziellen Geologie des Gletschers. Eindeutig eine Folge der Erderhitzung …

    Trauminseln droht Untergang: Klimawandel auf den Cook-Inseln.

    … ist dagegen das Steigen des Meeresspiegels. Es hat zwei Ursachen: das Abschmelzen der Gletscher und die Tatsache, dass sich Wasser bei zunehmenden Temperaturen ausdehnt. Zu den Leidtragenden zählen die Bewohner von Inseln, die sich nur knapp über das Meer erheben – wie das malerische Aitutaki, das zu den pazifischen Cook-Inseln gehört. Mit einer spektakulären Aktion …

    Das Kabinett auf den Malediven tagt unter Wasser: Mit dieser Aktion protestiert der Inselstaat für besseren Klimaschutz.

    … haben die Malediven bereite 2009 auf das drohende Versinken ihres Inselstaats aufmerksam gemacht: Das Kabinett hielt eine Sitzung unter Wasser ab. Die Meere steigen allerdings nicht nur, sie erwärmen sich auch. Die Folgen treffen unter anderem  …

    Korallen leiden unter dem Klimawandel: Sie vertragen die steigenden Temperaturen der Ozeane nicht.

    … Korallen. Sie wachsen nicht nur ausgesprochen langsam, sie brauchen auch lange, um sich an Klimaveränderungen anzupassen. Das derzeitige Tempo der Erderhitzung dürfte viele Korallenriffe überfordern. Unklar sind die Folgen des Klimawandels in einer ganz anderen Erdregion, …

    Klimawandel in der Sahelzone: Die Erderwärmung verändert die Lebensgrundlagen der Menschen in Afrika.

    … in der Sahelzone. Während das Gebiet am Südrand der Sahara seit Jahrzehnten mit zunehmender Trockenheit kämpft, könnte es langfristig ergrünen, glauben manche Forscher. Grund sind sich verändernde Luftströmungen, die zu einer anderen Verteilung der Niederschläge auf dem afrikanischen Kontinent führen könnten. Regen im Überfluss erwarten die Forscher …

    Klimawandel in Mosambik: Stürme und Überflutungen richten Verheerungen an. Hier wurde eine Brücke zerstört.

    … für Regionen in Ostafrika. Zu den bereits heute am stärksten von Extremwetterereignissen getroffenen Ländern überhaupt zählt Mosambik. Das Foto zeigt eine Brücke, die von Überschwemmungen 2015 zerstört wurde. Verheerend sind auch …

    Philippinen nach einem Tropensturm: Die Wahrscheinlichkeit solcher Unwetter steigt durch den Klimawandel.

    … die immer häufiger auftretenden tropischen Wirbelstürme, die im Atlantik Hurrikan genannt werden, im Indischen Ozean Zyklon und in Südostasien und dem Pazifik Taifun. Hier stehen Überlebende eines Taifuns auf den Philippinen für Hilfsgüter an. Während arme Länder …

    Klimawandel in El Salvador: Stürme und Überflutungen richten Verheerungen an.

    … wie etwa hier das mittelamerikanische El Salvador nur schwer Vorsorge gegen solche extremen Wetterereignisse treffen können und ihnen oft weitgehend schutzlos ausgeliefert sind, bereiten sich reiche Länder …

    Anpassung an den Klimawandel: Dieser Deich wird erhöht, um steigenden Meeresspiegeln zu trotzen.

    … wie Deutschland bereits auf die Folgen des Klimawandels vor – etwa durch höhere Deiche als Schutz vor Sturmfluten. Das Bild zeigt die Baustelle des Klimadeichs in Schleswig-Holstein. Daneben wird vielerorts die Kanalisation ausgebaut, denn …

    Klimawandel in Deutschland: Überflutung in Düsseldorf.1

    … Klimaforscher prophezeien, dass es auch in Deutschland immer öfter Starkregen und Überschwmmungen wie hier in Düsseldorf geben wird. Früher sprach man bei solchen Ereignissen vom „Jahrhundertregen“. Doch der Ausdruck passt angesichts des Klimawandels nicht mehr.

    Welche Folgen hat das ganz konkret?
    Hoffmann: Das betrifft ganz unterschiedliche Bereiche wie das Gesundheitswesen, das es mit neuen Krankheitserregern zu tun bekommt, oder die Landwirtschaft, die mit neuen Schädlingen und veränderten Wachstumsphasen kämpft. Die Obstblüte etwa setzt zunehmend früher ein. Zugleich bleibt das Risiko von Spätfrosten bestehen – und die können dann erhebliche Ernteausfälle nach sich ziehen.
    Auch die Energiebranche ist betroffen, wenn zum Beispiel Kraftwerke heruntergefahren werden müssen, weil sie bei Niedrigwasser in den Flüssen nicht mehr gekühlt werden können. Interessant wäre daneben ein Blick auf die Windenergie, die ja naturgemäß sehr witterungsabhängig ist. Dazu habe ich allerdings noch keine aussagekräftigen Studien gesehen.

    Tut Deutschland Ihrer Ansicht nach genug, um sich auf den Klimawandel einzustellen?
    Hoffmann: Ich glaube, es hat ein Umdenken eingesetzt, auch unter dem Eindruck von extremen Ereignissen wie dem vergangenen Sommer. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, dass wir uns auf ganz verschiedene Szenarien vorbereiten müssen. An der Donau zum Beispiel müssen zugleich Vorkehrungen für Hochwasser getroffen werden als auch für Niedrigwasser. Insgesamt aber glaube ich, dass sich Behörden und Kommunen der Gefahren zunehmend bewusst sind.

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    Es ist ein bisschen wie beim Arzt: Wenn man dort seine Symptome beschreibt, kann man noch eine Zweit- oder Drittmeinung einholen, aber irgendwann ist man als Laie gezwungen, dem Experten zu vertrauen

    Peter Hoffmann über Skeptiker des Klimawandels

    Zugleich werden jene lauter, die den Klimawandel bestreiten, in Deutschland etwa in der AfD. US-Präsident Donald Trump hat ihn mal als „Erfindung der Chinesen“ bezeichnet.
    Hoffmann: Das Problem ist, dass die Erderwärmung zwar rasant verläuft, wenn man sie unter globalen Dimensionen betrachtet, aber für den einzelnen im Alltag trotzdem kaum greifbar ist. Deswegen kann ich es sogar verstehen, wenn man zunächst einmal skeptisch ist. Ich erlebe es selbst im Bekanntenkreis, dass ich gefragt werde, ob das mit dem Klimawandel denn so stimmt.

    Was sagen Sie in solchen Fällen?
    Hoffmann: Dass es ein bisschen wie beim Arzt ist. Wenn man dort seine Symptome beschreibt, kann man noch eine Zweit- oder Drittmeinung einholen, aber irgendwann ist man als Laie gezwungen, dem Experten zu vertrauen. Und im Fall der Erderwärmung sagt die ganz überwältigende Mehrheit der Experten: Es gibt den Klimawandel. Und, ja, er ist menschengemacht.

    Trotzdem fällt es schwer, im Alltag die nötigen Konsequenzen zu ziehen und zum Beispiel auf Flugreisen zu verzichten.
    Hoffmann:
    Auch das kann ich nachvollziehen. Man steht ständig vor der Frage, was es nützt, das eigene Verhalten zu ändern, wenn die Mehrheit ja doch weitermacht wie bisher. Deswegen glaube ich, dass in manchen Fällen ein politischer Rahmen gesetzt werden muss. Flugreisen etwa dürften nicht billiger als Bahnreisen sein. Über eine Bepreisung des CO2-Ausstoßes ließe sich das gewährleisten. Trotzdem steht auch jeder Einzelne in der Pflicht.
    Es ist zwar sehr ambitioniert, aber noch ließen sich die Klimaziele von Paris erreichen.

    Die Fragen stellte Volker Kühn.

    Zur Person
    Peter Hoffmann ist Meteorologe am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Der 43-Jährige erstellt Szenarien, die zeigen, wie sich der Planet infolge der Erderwärmung verändert.

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