Werner Gebauer wurde 1955 in Salzgitter als Flüchtlingskind geboren. Der Vater starb früh, die Mutter ernährte die Familie mit Putzjobs und baute Obst und Gemüse im Schrebergarten an. Später machte Gebauer Karriere in der IT-Branche. Heute lebt der Rentner mit seiner Lebensgefährtin bei Magdeburg. Vor drei Jahren kaufte er eine Apfelplantage in Rogätz an der Elbe. Gegen den Rat aller Experten probierte er es dort mit Nichtstun: kein Baumschnitt, kein Wasser, kein Dünger, keine Spritzmittel. Als die Bäume im Jahr darauf fast keine Früchte trugen, sagten alle: War ja klar. Doch dann geschah etwas, das selbst Gebauer kaum glauben konnte.
Herr Gebauer, was ist denn 2022 mit Ihren 3000 Apfelbäumen passiert? Ein Wunder?
Werner Gebauer: Die Bäume haben gemerkt, dass sie keiner mehr schneidet. Und ratzfatz sahen die alle aus wie Igel. Und dann waren auf einmal eine Million Blüten da. Ich dachte: Wenn die kein Wasser kriegen, werden die runterfallen. Sind sie aber nicht. Auf einmal waren eine Million Wildbienen da, weil wir ja keine Pestizide mehr ausgebracht haben. Und dann wurde gefühlt aus jeder Blüte ein Apfel. Und ich dachte wieder: Wenn die in diesem super trockenen Sommer kein Wasser kriegen, fallen die alle runter. Aber so war es auch nicht. Die bogen sich vor lauter Äpfeln Richtung Boden wie Hängetannen.
Also waren die Äpfel auch noch leicht zu ernten?
Gebauer: Richtig, da hing ja alles runter.
Dabei hatten Ihnen Obstexperten prophezeit, dass man die Natur nicht einfach so machen lassen kann. Apfelbäume sind vom Menschen abhängig, wollen gehegt und gepflegt werden, heißt es.
Gebauer: Selbst die Nabu-Fachleute haben gesagt, dass die Bäume ohne Bewässerung und Schnitt alle sterben. Als die Ernte 2022 mit 80 Tonnen trotzdem genau so groß war wie bei meinem Vorgänger, haben sie gesagt: Wir wissen auch nicht, wie das passieren konnte.
Vielleicht war es einfach Glück?
Gebauer: Dieses Jahr habe ich 30 Tonnen geerntet. Dabei hatten wir erst Mäuse ohne Ende, dann jede Menge Läuse. Und auf einmal waren Marienkäfer und Florfliegen da. Und dann eine Million Wildbienen und Vögel. Wir haben nur ein paar Nistkästen und Sitzstangen angebracht, und zack, waren Meisen, Stare und Greifvögel da. Die Natur hat bislang auf alles eine Antwort gehabt.
Warum wird dann überhaupt so viel gespritzt?
Gebauer: Der Mensch hat mit den Monokulturen, die er eingerichtet hat, eine Situation geschaffen, die danach schreit, von irgendwelchen Insekten oder anderen Tieren ausgenutzt zu werden, so wie eben die Fichten vom Borkenkäfer. Das ist menschengemachtes Leid.