Feministische Klimapolitik

  • Search24.04.2023

Warum die Klimakrise Frauen stärker trifft

Unter Dürren und Fluten leiden alle Menschen, aber Frauen sind ihnen oft härter ausgesetzt. Warum das so ist – und wie eine feministische Klimapolitik die Nachteile ausgleichen und zugleich den Klimaschutz verbessern soll.

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    Marktfrau in Simbabwes Hauptstadt Harare: Die Klimakrise verschärft die Lage ohnehin benachteiligter Bevölkerungsgruppen.

     

    Von Teresa Kraft

    Wenn im November die Klimakonferenz COP 28 beginnt, wird es wie immer schwierig, Fortschritte für den Klimaschutz zu erringen – erst recht für einen feministischen. Die Welt trifft sich diesmal in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Gastgeber sind in Sachen Klimaschutz wenig ambitioniert: „Würden alle Länder den Ansatz der Vereinigten Arabischen Emirate verfolgen, würde die Erderwärmung vier Grad übersteigen“, hat der Climate Action Tracker berechnet, ein wissenschaftliches Konsortium, das die Klimapolitik der wichtigsten CO2-Emittenten bewertet.

    Kaum besser steht es um die Ambitionen bei der Gleichstellung. Im Global Gender Gap Report, in dem das Weltwirtschaftsforum einordnet, wie weit ein Land die Lücke bis zur vollständigen Gleichstellung der Geschlechter geschlossen hat, liegen die Emirate auf Platz 68. „Als ich den COP-Präsidenten getroffen habe, war in seiner zehnköpfigen Delegation nur eine Frau“, erzählt Lisa Badum am Telefon. Sie sitzt für die Grünen im Bundestag und ist Mitglied im Unterausschuss für Internationale Klima- und Energiepolitik. Schon die Personalie des COP-Präsidenten selbst gibt wenig Anlass zur Hoffnung: Der Leiter der Klimakonferenz, Sultan Ahmed al-Dschabir, ist im Hauptberuf Chef des staatlichen Ölkonzerns ADNOC.

    Wenn also Klimaschutz an sich schon problematisch durchzusetzen ist, warum ihn dann mit einem weiteren Reizthema in Form der Genderfrage verknüpfen?

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    Wir helfen, die spezifischen Auswirkungen der Klimakrise auf Frauen und marginalisierte Gruppen auszugleichen

    Aus den Leitlinien des Auswärtigen Amtes

    „Wir tun eine Selbstverständlichkeit: dafür sorgen, dass wir mit unserer Politik alle Menschen erreichen“, so formulierte es Außenministerin Annalena Baerbock, als sie gemeinsam mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze Leitlinien für eine feministische Politik vorstellte. Schließlich ist die Hälfte der Menschheit weiblich. In den Leitlinien heißt es zur Klimaaußenpolitik, dass man „durch die Klimakrise verstärkte Ungleichheiten und Vulnerabilitäten“ anerkenne und ihnen politisch entgegenwirke. „Wir helfen, die spezifischen Auswirkungen der Klimakrise auf Frauen und marginalisierte Gruppen auszugleichen.“

    Eine Familie in Simbabwe trägt ihre Habseligkeiten über eine von einem Zyklon zerstörte Straße.

    Eine Familie in Simbabwe trägt ihre Habseligkeiten über eine von einem Zyklon zerstörte Straße.

    Denn auch wenn der Klimawandel alle Menschen trifft, so trifft er doch nicht alle gleich. „Kinder, Frauen, Minderheiten generell, haben am wenigsten Ressourcen und sind deswegen am stärksten von der Klimakrise betroffen, weil sie sich ihr am wenigsten entgegenstellen können“, sagt Lisa Badum. Viele Studien haben gezeigt, dass Frauen überproportional unter Wetterextremen leiden, die mit fortschreitender Erderhitzung häufiger und ausgeprägter auftreten – oder gar an ihnen sterben.

    Wasser holen, Feuerholz sammeln: Oft müssen sich Frauen darum kümmern

    Das gilt vor allem für Länder des globalen Südens, die unter den Folgen der Klimaerhitzung schon heute stark leiden. Besonders betroffen ist die Landwirtschaft, in der viele Frauen in der Subsistenzwirtschaft arbeiten, von der Hand in den Mund, gewissermaßen. Vertrocknet die Ernte oder ertrinkt sie in Regenfluten, sind sie existenziell bedroht. Zudem erschwert die Klimakrise Aufgaben, die typischerweise Frauen übernehmen, das Wasserholen etwa oder das Sammeln von Feuerholz. Wenn Brunnen versiegen und Wälder verdorren, werden die Fußmärsche durch die Hitze noch länger.

    Judith Marera hat das am eigenen Leib erfahren. Die Unternehmerin aus Simbabwe lebt heute in der Hauptstadt Harare, wuchs aber südöstlich davon am Fuße des Nyakuni-Bergs auf. Gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren Schwestern war es ihre Aufgabe, Brennholz zum Kochen und Heizen zu beschaffen, so wie es üblich ist in dem Land, in dem außerhalb der Städte mehr als 60 Prozent der Menschen keinen Zugang zu Elektrizität besitzen.

    Judith Marera aus Simbabwe hat die Firma Lanforce Energy gegründet. Sie erzeugt Biogas aus Viehdung, womit etwa Gaskocher betrieben werden können.

    Judith Marera hat die Firma Lanforce Energy gegründet. Sie erzeugt Biogas aus Dung, womit Gaskocher betrieben werden können.

    Die ohnehin anstrengende und zeitraubende Aufgabe wurde mit der Zeit noch härter. Die Bevölkerung wuchs, der Baumbestand ging zurück und wer nicht direkt am Berg wohnte, musste bald mehrere Kilometer zurücklegen, um noch Holz zu finden, erzählt Marera. Obendrein seien die Frauen Belästigung und Gewalt von Männern ausgesetzt gewesen.

    „Das hat mich seither beschäftigt“, sagt sie im Videotelefonat. Die heute 40-Jährige suchte nach einer Alternative zum Kochen auf Feuerholz, von der nicht nur die Frauen und Mädchen, sondern auch die Umwelt profitieren sollten.

    Biogas aus Viehdung – erneuerbare Energien erleichtern den Alltag

    Sie recherchierte und stieß auf Biogas: Viehdung wird in einen Behälter gefüllt, durch Gärung entsteht Gas. Damit kann man einen Reiskocher betreiben, eine Kühltruhe, einen Wasserboiler oder einen Herd. Was vom Mist übrig bleibt, wird als Dünger verwendet.

    Mit dieser Idee gründete Marera eine Firma, Lanforce Energy. Heute beschäftigt sie 16 Angestellte, neun davon sind Frauen. Vom Weltwirtschaftsforum wurde Marera im Rahmen der Climate Justice Challenge dafür als „Top Innovatorin“ ausgezeichnet. „Wir gehen in die Dorfgemeinschaften, erklären die Vorteile von Biogas und ermutigen Mädchen, technische Fächer zu studieren, damit wir mehr Ingenieurinnen bekommen“, sagt Marera. Ihr Unternehmen, heißt es in der Begründung der Climate Justice Challenge, „reduziert so Abholzung, Luftverschmutzung, fossile Emissionen und die Verwendung chemischen Düngers – und merzt zudem Energiearmut aus“.

    Mareras Beispiel zeigt, wie Klimawandel und Gleichberechtigung zusammenhängen. Denn Frauen und Mädchen leiden nicht nur stärker unter seinen Folgen – sie sind auch seltener in der Position, etwas gegen sein Fortschreiten tun zu können. Sei es in der Privatwirtschaft oder in entscheidenden Positionen im Politikbetrieb. Dabei heißt es im aktuellen Bericht des UN-Klimarats IPCC, eine klimaresiliente Entwicklung werde gefördert durch Partnerschaften „mit traditionellerweise ausgegrenzten Gruppen, einschließlich Frauen, Jugendlichen, indigenen Völkern, lokalen Gemeinschaften und ethnischen Minderheiten“.

    Die deutsche Klimapolitik klammert die Genderfrage oft aus. Etwa im Verkehr

    Die Defizite bei Klimaschutz und Gleichberechtigung beschränken sich nicht auf den Süden. Die Genderdimension, also die Frage, wie unterschiedlich sich eine politische Maßnahme auf die Geschlechter auswirkt, werde auch in Deutschland noch nicht aktiv einbezogen, sagt Lisa Badum.

    Ein Beispiel dafür ist das unterschiedliche Mobilitätsverhalten: Männer fahren im Schnitt länger Auto und sitzen dabei in größeren Wagen, die mehr verbrauchen. Frauen legen im Schnitt kürzere Wege zurück und das zumindest in Städten eher zu Fuß, mit dem Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln. Von der staatlichen Förderung für Elektroautos und auch vom Dienstwagenprivileg profitieren Gutverdiener und Männer deshalb stärker. „Die Sanierung der Bahn würde anderen Gruppen zugutekommen“, sagt Lisa Badum. Und erst recht dem Klima.

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