Vogelstudie in Offshore-Windpark

  • Search18.04.2023

„Das war so nicht vorherzusehen“

Henrik Skov hat Tausende Vögel in einem Offshore-Windpark gefilmt und nicht eine Kollision beobachtet. Um generelle Aussagen zu treffen, seien aber weitere Studien nötig, sagt der Forscher im Interview.

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    Offshore-Windräder bedeuten einen Eingriff in den Lebensraum von Seevögeln. Wie genau fünf verschiedene Arten davon betroffen sind, wurde in einem Offshore-Windpark in Schottland erforscht.

    Zwei Jahre lang haben Forscher das Verhalten von Basstölpeln (hier auf den Shetlands) und vier Möwenarten in einem Offshore-Windpark vor Aberdeen untersucht.

     

    Herr Skov, bei Ihrer Studie in einem Windpark nahe Aberdeen ist kein einziger Seevogel mit einem Rotor kollidiert – überrascht Sie das?
    Henrik Skov: Dass wir bei fast 10.000 per Video erfassten Vögeln weder einen Zusammenstoß noch eine Beinahe-Kollision verzeichnen, war so nicht vorherzusehen. Wir wussten aber durch frühere Untersuchungen, dass Seevögel viele Wege kennen, um Rotoren auszuweichen. Das Ziel unserer Studie war es, detaillierte dreidimensionale Tracks der Flüge von Basstölpeln und von vier Möwenarten zu erhalten. Dazu haben wir ein Hochleistungsradar und zwei Kameras mit Richtungs- und Zoomsteuerung kombiniert. So konnten wir erstmals beschreiben und verstehen, wie diese Seevögel den Offshore-Anlagen ausweichen.

    Der dänische Umweltwissenschaftler Henrik Skov war Projektleiter der im Februar 2023 veröffentlichten Studie „Resolving Key Uncertainties of Seabird Flight and Avoidance Behaviours at Offshore Wind Farms”. Sie wurde vom Beratungsunternehmen DHI Group für den schwedischen Energieversorger Vattenfall erstellt. In dessen Windpark nahe dem schottischen Aberdeen wurden über zwei Jahre jeweils von April bis Oktober mehr als 3000 Flugrouten von fünf Vogelarten aufgezeichnet. Dazu wurden Video- und Radardaten verknüpft.

    Welche Flugmuster lassen sich erkennen?
    Skov: Fast immer werden die Turbinen weiträumig umkurvt, statt nach oben oder unten auszuweichen. Und fast alle Vögel halten mehr als hundert Meter Abstand zu der vom Rotor überstrichenen Zone. Nur 2,3 Prozent der erfassten Flüge berühren diesen Nahbereich. Dort versuchen etwa Basstölpel zunächst, unterhalb der Rotoren zu fliegen. In unmittelbarer Nähe gewinnen sie an Höhe und weichen in letzter Sekunde waagerecht entlang der Blätter aus. Bei starkem Wind und in Turbulenzen brechen diese Muster allerdings zum Teil zusammen. Die Vögel sind bis zu 60 Stundenkilometer schnell, die Rotorspitzen bis zu 375 Stundenkilometer. Das bedeutet: Wenn die Vögel selbstsicher sind und sich den Spitzen nähern, haben sie extrem wenig Zeit zum Ausweichen.

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    Wie gefährdet Vögel insgesamt sind, wissen wir vielleicht in zehn Jahren, wenn weitere Arten, Zeiträume, Gebiete und Windparkdesigns untersucht wurden

    Henrik Skov

    Zeigt die Studie, dass Seevögel durch Offshore-Windparks kaum gefährdet sind?
    Skov: Unsere Ergebnisse lassen sich nicht verallgemeinern. Auf der Basis von gut 3000 aufgezeichneten Tracks wissen wir bislang nur, wie sich fünf Arten tagsüber in einem bestimmten Windpark verhalten. Wie gefährdet Vögel insgesamt sind, wissen wir vielleicht in zehn Jahren, wenn weitere Arten, Zeiträume, Gebiete und Windparkdesigns untersucht wurden. Zum Beispiel ist nachts das Risiko einer Kollision höchstwahrscheinlich größer. Wie groß, wollen wir als Nächstes untersuchen. Wir werden dazu Radar und Infrarot-Kameras kombinieren. Damit lässt sich zwar eine Art weniger genau bestimmen, aber immerhin die Gattung oder eine Gruppe wie große Möwen.

    Wie sieht ein „vogelfreundliches“ Design eines Windparks aus?
    Skov: Ein größerer Abstand zwischen Wasseroberfläche und unterer Rotorspitze könnte bestimmten Arten helfen. Standard sind derzeit etwa 20 Meter. Trottellumme, Tordalk und Trauerente, die sehr dicht über der Wasseroberfläche fliegen, halte ich in Offshore-Windparks für kaum gefährdet. Für Arten wie die Eiderente oder bei Gänsen, die gelegentlich etwas höher fliegen, könnte das Risiko geringer werden, wenn der Bereich unterhalb der Rotoren vielleicht 30 Meter beträgt. Auf die untersuchten Herings-, Silber-, Mantel- und Dreizehenmöwen dürfte dies dagegen kaum Einfluss haben, da sie meist höher fliegen.

    Offshore-Windpark Aberdeen: Einer Studie zufolge kam es binnen zwei Jahren nicht zu einer einzigen Kollision von fünf verschiedenen Vogelarten mit den Rotorblättern der Anlangen.

    Der Offshore-Windpark Aberdeen, auch bekannt als „European Offshore Wind Deployment Centre“, ging 2018 ans Netz. Dort werden neue Technologien entwickelt und erprobt. Die Seevogel-Studie lief über zwei Jahre.

    Gibt es weitere Ideen, um das Risiko für Vögel zu reduzieren?
    Skov: Es wurde etwa vorgeschlagen, zwischen den Turbinen breite Korridore für die Vögel einzurichten. Das könnte allerdings kontraproduktiv sein, weil dadurch mehr Vögel in einen Windpark einfliegen, statt diesen ganz zu vermeiden. Je enger Turbinen beieinanderstehen, desto mehr Vögel werden abgehalten. Das senkt das Risiko für Kollisionen.

    Lassen sich die Ergebnisse auf Onshore-Windparks übertragen?
    Skov: Ich vermute, dass sich an Land und bei anderen Arten ähnliche Flugmuster beobachten lassen. Das müsste aber vor Ort untersucht werden, was mit der von uns verwendeten Technik möglich wäre. So ließen sich auch Vermeidungsstrategien etwa von Adler oder Rotmilan erforschen.

    Die Fragen stellte Peter Ringel.

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