Ausgleich für CO2-Preis

  • Search04.02.2024

„Das Klimageld ist ein Gebot der Gerechtigkeit“

Der CO2-Preis schützt das Klima, indem er fossile Brennstoffe verteuert. Doch zugleich belastet er ärmere Haushalte besonders stark. Deshalb muss ein Ausgleich her, sagt Leonard Burtscher vom Umweltinstitut München: das Klimageld.

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    Berufsverkehr in München: Durch den steigenden CO2-Preis steigen die Spritpreise. Die Einführung eines Klimagelds soll das ausgleichen.

    Berufsverkehr in München: Der CO2-Preis verteuert Benzin derzeit um rund zehn Cent und Diesel um zwölf Cent. Ein Klimageld könnte die Mehrbelastung ausgleichen – und klimafreundliches Verhalten belohnen.

     

    Von Volker Kühn

    Herr Burtscher, Sie machen sich einerseits für den CO2-Preis stark, der die Verbraucher belastet, und fordern andererseits ein Klimageld zum Ausgleich dieser Belastung. Was ist der Sinn dahinter, den Menschen an einer Stelle Geld zu nehmen, nur um ihnen es an anderer wiederzugeben?
    Leonard Burtscher: Der CO2-Preis ist eines der effektivsten Klimaschutzinstrumente überhaupt. Er trägt nachweislich dazu bei, dass CO2-Emissionen eingespart werden. Darauf können wir also nicht verzichten. Aber der CO2-Preis sollte aus zwei Gründen durch ein Klimageld flankiert werden: Zum einen ist es ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Es schafft einen Ausgleich für einkommensschwache Menschen. Sie geben einen größeren Teil ihres verfügbaren Einkommens für Posten wie Energie und Mobilität aus, die sich durch den CO2-Preis verteuern. Das heißt, sie werden relativ gesehen stärker belastet als Vermögende. Natürlich reicht das Klimageld allein nicht aus, um das auszugleichen, es müssen weitere Maßnahmen hinzukommen. Aber es ist ein wesentlicher Bestandteil.

    Und der zweite Grund für das Klimageld?
    Burtscher: ... ist ein politisch-strategischer: Es ist empirisch belegt, dass Menschen die Energie- und Klimawende positiver sehen, wenn sie selbst materiell beteiligt werden, zum Beispiel bei Windparks oder Solarkraftwerken. Das Klimageld genießt breiten Rückhalt in der Bevölkerung. Ich bin davon überzeugt, dass es die Akzeptanz für steigende CO2-Kosten unterstützen wird.

    Leonard Burtscher ist promovierter Physiker und Referent für Energie- und Klimapolitik beim Umweltinstitut München. Gemeinsam mit Verbänden wie dem WWF, der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und German Zero hat das Institut eine Unterschriftenkampagne gestartet, in der die Bundesregierung zur Einführung des Klimagelds noch vor dem Sommer aufgefordert wird.       Foto: Jörg Farys / Umweltinstitut München

    Erwarten Sie diese Akzeptanz auch dann noch, wenn der CO2-Preis über die Jahre stark steigt? Aktuell liegen die Mehrkosten beim Sprit um die zehn Cent. In einigen Jahren könnten es 30 Cent oder mehr sein.
    Burtscher: Gerade dann ist das Klimageld unbedingt nötig, um zu verhindern, dass Medien wie der Springer-Verlag oder Rechtspopulisten Erfolg mit Kampagnen gegen den Klimaschutz haben. Je eher das Klimageld kommt, desto besser. Ich möchte mal wissen, welche Regierung es wieder abschaffen würde, wenn sich die Menschen erst einmal daran gewöhnt haben, dass sie vierteljährlich eine Zahlung auf ihrem Konto vorfinden. Je höher die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung, desto mehr Geld kann natürlich auch pro Kopf ausgezahlt werden.

    Über welche Summen reden wir da?
    Burtscher: Wir fordern die Bundesregierung auf, die gesamten Einnahmen pro Kopf zu verteilen – die aus dem nationalen CO2-Preis und die aus dem europäischen Emissionshandel. Damit wären wir derzeit bei etwa 250 Euro. Für eine vierköpfige Familie wären das bereits 1000 Euro. Davon muss man natürlich die Mehrausgaben abziehen, die man durch höhere CO2-Ausgaben etwa bei der Gasheizung oder beim Sprit hat. Aber je klimafreundlicher man sich verhält, desto größer ist der Mehrwert. Selbst wenn das Klimageld anfangs nicht komplett ausgezahlt würde, sondern nur bei 100 Euro läge, wäre schon etwas gewonnen.

    Klimageld: Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP die Entwicklung eines Kompensationsmechanismus' beschlossen. Doch bislang kann sich die Ampel nicht darauf einigen.

    Von einer Pro-Kopf-Verteilung würden selbst Millionäre profitieren. Dabei würde es für sie keinen Unterschied machen, und für ärmere Menschen wäre weniger im Topf.
    Burtscher: Stimmt, aber eine pauschale Pro-Kopf-Verteilung könnte den Auszahlungsmechanismus vereinfachen. Eine soziale Staffelung könnte man trotzdem darüber erreichen, dass das Klimageld versteuert werden muss, anders als etwa das Kindergeld. Vermögende, die mit ihrem Lebensstil oft drei-, vier- oder sogar fünfmal so viel CO2 verursachen wie Einkommensschwache, würden entsprechend mehr in den Topf einzahlen, aber vielleicht nur halb so viel wie andere herausbekommen. Ärmere Menschen dagegen würden weniger oder gar keine Steuern darauf zahlen, weil sie unter den Einkommensgrenzen im Steuerrecht liegen. Außerdem ließe sich durch eine Pro-Kopf-Auszahlung eine Sozialneiddebatte vermeiden.

    Inwiefern?
    Burtscher: Es gibt mitunter Vorbehalte, wenn zum Beispiel Erwerbslose Leistungen vom Staat bekommen. Andere, die für ihr Geld arbeiten müssen, empfinden das oft als unfair. Das ließe sich vermeiden, wenn alle das Gleiche bekämen.

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    Dass das Klimageld technisch nicht ausgezahlt werden könnte, ist ein Märchen. Alles, was es dazu braucht, sind politischer Wille und Mut

    Leonard Burtscher

    Finanzminister Christian Lindner erklärt die Tatsache, dass es bislang kein Klimageld gibt, unter anderem mit technischen Hindernissen.
    Burtscher: Dass das Klimageld technisch nicht ausgezahlt werden könnte, ist ein Märchen. Alles, was es dazu braucht, sind politischer Wille und Mut. In Österreich lag zwischen der Einführung der CO2-Bepreisung und der ersten Auszahlung des Klimabonus' nur gut ein halbes Jahr. Dabei hat das Land ähnliche föderale Strukturen wie Deutschland und ist ebenfalls kein strahlendes Vorbild in Sachen digitaler Verwaltung.

    Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck ist kein glühender Verfechter des Klimagelds. Er sagt, faktisch gebe es schon ein Klimageld, weil der Staat inzwischen die EEG-Umlage finanziert, sodass die Stromverbraucher entlastet werden. Hat er recht?
    Burtscher: In diesem Punkt leider nicht. Zum einen waren die Strompreise zuletzt so hoch, dass die Menschen ohnehin keine EEG-Umlage zahlen mussten – sie wird nur dann fällig, wenn der Strompreis unter den Wert sinkt, der Erzeugern erneuerbarer Energien zuvor als Mindestpreis garantiert wurde. Die Menschen zahlen also seit 2021 den CO2-Preis, ohne etwas zurückzubekommen. Und zum anderen geht es beim Klimageld auch um den psychologischen Faktor: Die Menschen müssen spüren, dass sie finanziell etwas vom Klimaschutz haben. Dazu reicht es nicht, wenn auf der dritten Seite ihrer Stromrechnung im Kleingedruckten steht, dass die Rechnung etwas geringer ausgefallen ist, weil der Staat die EEG-Umlage trägt. Das Klimageld muss sichtbar sein! Das ist verhaltensökonomisch extrem wichtig, wie Studien zeigen.

    Verschneites Neubaugebiet: Wer mit Gas heizt, zahlt durch den CO2-Preis knapp einen Cent mehr pro Kilowattstunde. Das soll den Umstieg auf fossilfreie Heizungen anregen.

    Verschneites Neubaugebiet in Frechen bei Köln: Wer mit Gas heizt, zahlt durch den CO2-Preis knapp einen Cent mehr pro Kilowattstunde. Das soll den Umstieg auf fossilfreie Heizungen anregen.

    Aber woher soll das Geld für die Auszahlung kommen? Die Kassen sind seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) leer.
    Burtscher: Zum Beispiel aus der Abschaffung oder zumindest der ökologischen Reform klimaschädlicher Subventionen. Die Pendlerpauschale, die fehlende Kerosinbesteuerung, das Dienstwagen- und das Dieselprivileg. Vieles davon könnte laut dem Forum Ökologische-Soziale Markwirtschaft (FÖS) von heute auf morgen gestrichen werden, sodass auf einen Schlag weit mehr zur Verfügung stünde, als im KTF jetzt fehlt.

    Aber würde das die soziale Schieflage nicht verstärken? Von den Subventionen profitieren doch auch einkommensschwache Haushalte.
    Burtscher: Nur zu einem geringen Teil. Viele dieser Subventionen schaden nicht nur dem Klima, sondern sind auch sozialpolitisch fragwürdig. Das Dienstwagenprivileg zum Beispiel nutzt der Krankenschwester auf dem Land nichts, weil sie gar nicht über den Arbeitnehmerpauschbetrag kommt. Auch die Pendlerpauschale hilft vor allem Vermögenden, die mit dicken Autos weit fahren. Man müsste sie auch gar nicht gleich abschaffen. Man könnte zum Beispiel sagen: Wir erkennen den Wert eines 49-Euro-Tickets steuerlich an. Mehr gibt es nur dann, wenn man nachweisen kann, dass man keinen öffentlichen Nahverkehr nutzen kann.

    Über Klimaschutz wird zunehmend kontrovers diskutiert. Sehen Sie die Gefahr, dass der CO2-Preis und das Klimageld dabei grundsätzlich unter die Räder kommen könnten?
    Burtscher: Stimmt, der Ton in der Öffentlichkeit und vor allem in den sozialen Medien ist rauer geworden. Aber das ist nicht das ganze Bild, oder besser: Es ist ein verzerrtes Bild. Ich war kürzlich auf der großen Anti-AfD-Demonstration in München, die wegen Überfüllung abgebrochen werden musste. Da hat man gesehen, dass es noch immer und trotz aller Kontroversen eine große Einigkeit gibt in Deutschland, von der CSU bis hin zu weit links stehenden Gruppen. Und in Umfragen sprechen sich noch immer breitere Mehrheiten auch für ganz konkrete Klimaschutzmaßnahmen wie das Tempolimit aus. Das gibt mir viel Zuversicht. Auch für den CO2-Preis und das Klimageld.

    Die Zustimmung zum Klimaschutz in Deutschland ist weiterhin sehr hoch – viel höher, als die meisten denken, wie das Soziale Nachhaltigkeitsbarometer zeigt. Infografik: Andreas Mohrmann

    Warum wurde es dann immer noch nicht eingeführt?
    Burtscher: Weil die Politik nicht mutig genug war. Wir brauchen Politiker, die nicht einfach schweigend vor sich hinarbeiten wie der Kanzler, sondern die sich mutig hinstellen, ihre Politik erklären und die Transformation anpacken. Es gibt schließlich keine Alternative zum Klimaschutz. Er wird uns wahnsinnig viel Geld kosten, aber dieses Geld müssen wir dann eben auch aufbringen und die Menschen entlasten. Warum geht man nicht neue Wege und denkt an eine Reform der Schuldenbremse oder meinetwegen auch an eine Vermögensabgabe?

    Vielleicht weil sich Politiker vor empörten Reaktionen fürchten?
    Burtscher: Aber das ist Unsinn! Ich glaube, dass Mut und transparente Politik belohnt werden. Sehen Sie sich die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo an, die eine sehr ambitionierte klimafreundliche Verkehrspolitik umgesetzt hat. Dafür wurde sie wiedergewählt.

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