Klimaanpassung

  • Search08.08.2024

Deutschlands Städte im Hitze-Check

Zugepflasterte Plätze, kaum Bäume und Büsche: Viele deutsche Städte verwandeln sich im Sommer in Glutöfen. Klimaschützer fordern mehr Grünflächen – als Schutz gegen Hitzewellen und um die Städte lebenswerter zu machen.

InhaltsverzeichnisToggle-Icons

    Versigelte Flächen wie hier in Frankfurt am Main heizen sich im Sommer besonders stark auf, wie die Deutsche Umwelthilfe in ihrem Hitze-Check darstellt.

    Kein Grün, nirgends: Versiegelte Flächen wie hier in Frankfurt am Main heizen sich im Sommer besonders stark auf.

     

    Von Volker Kühn

    Der Sommer 1975 begann kühl und nass; zum Auftakt der Ferien war die Stimmung vielerorts auf dem Tiefpunkt. Trost spendete den Menschen die Stimme eines blonden Holländers aus dem Radio. Mit dem Schlager „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“ traf der Sänger und Showmaster Rudi Carrell den Nerv dieser Wochen. Das Lied stürmte die Charts (die damals noch Hitparade hießen) und wurde fortan in jedem kalten Sommer aufs Neue hervorgekramt.

    Doch die Anlässe dafür wurden im Lauf der Jahre seltener. Denn kühle Sommer werden zunehmend zur Ausnahme. Immer öfter klettert das Thermometer auf Temperaturen von 30 Grad oder mehr. In den Fünfzigern registrierte der Deutsche Wetterdienst im bundesweiten Durchschnitt noch zwei bis drei solcher Tage pro Jahr. In den Neunzigern waren es schon sieben bis acht Tage und in den 2010ern elf. Den Rekord hält 2018 mit 20,4 Tagen im landesweiten Mittel.

    Das Sterberisiko durch Hitze ist gestiegen – binnen zehn Jahren um fast ein Drittel

    Für Freibäder und Eisdielen ist das eine gute Nachricht, doch für viele Menschen sind lang anhaltende Hitzewellen lebensgefährlich. Die EU-Umweltagentur EEA spricht von der größten direkt mit dem Klima zusammenhängenden Gesundheitsbedrohung in Europa. Vor allem bei älteren Menschen können tagelange Phasen, in denen es selbst nachts kaum abkühlt, unter anderem zu Schlaganfällen und Herzinfarkten führen.

    Und solche Perioden werden tendenziell häufiger. Von Juni 2023 bis Juni 2024 war jeder einzelne Monat der weltweit wärmste seit Aufzeichnungsbeginn. Die Sterbestatistiken sprechen eine klare Sprache. So lag die Zahl hitzebedingter Todesfälle in Europa zwischen 2013 und 2022 deutlich über der von 2003 bis 2012. Bei Männern stieg sie von 42,1 auf 55,9 Todesfälle je 100.000 Menschen, bei Frauen von 67,0 auf 88,4.

    Ein Mann kühlt sich während einer Hitzewelle 2022 in einem Springbrunnen in der Stuttgarter Innenstadt ab.

    Ein Mann kühlt sich während einer Hitzewelle 2022 in einem Springbrunnen in Stuttgart ab.

    Umso wichtiger wird ein Thema, das auch von Klimaschützern lange vernachlässigt wurde: die Anpassung an die Erderhitzung. Die Infrastruktur in Deutschland muss klimafest gemacht werden – für Starkregen, Stürme und Hochwasser genauso wie für Hitzewellen. Das betrifft nicht nur Privatwohnungen und -häuser oder öffentliche Gebäude wie Seniorenheime und Krankenhäuser, sondern auch ganze Straßenzüge, Plätze und Stadtviertel.

    Doch daran hapert es. Wie schlecht die Städte auf die Zunahme von Tagen mit Höchsttemperaturen vorbereitet sind, hat jüngst die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in ihrem Hitze-Check festgestellt. Es sind insbesondere zwei Faktoren, die Städte im Sommer in Glutöfen verwandeln können: die Versiegelung von Flächen und das Fehlen von Stadtgrün. Asphaltierte Areale wie Straßen und Parkplätze werden zu regelrechten Hitzeinseln. Stadtparks und Alleen dagegen spenden kühlen Schatten. Der Unterschied kann in Extremfällen bei zehn Grad oder mehr liegen.

    Deutschlands Städte im Hitze-Check der Deutschen Umwelthilfe: Vor allem Süddeutschland ist auf den Klimawandel schlecht vorbereitet. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Die Deutsche Umwelthilfe hat für 190 Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern untersucht, wie hoch der Anteil versiegelter, also bebauter Flächen im Vergleich zum Anteil von Grünanlagen ist. Die Datenbasis bildeten Luftbildaufnahmen. Im Durchschnitt lag der Versiegelungsgrad bei 45 Prozent. Zudem wurde das Grünvolumen von Flächen mit klimaregulierender Wirkung erhoben. Beides floss in die Gesamtbewertung ein, wobei die Flächenversiegelung stärker gewichtet wurde.

    Städte im Süden schneiden tendenziell schlechter ab. Ganz vorn liegt Detmold

    Mit Ludwigshafen, Heilbronn und Regensburg sind demnach drei süddeutsche Städte am stärksten versiegelt und bieten gleichzeitig zu wenig Grünvolumen. Detmold, Ratingen und Potsdam dagegen stehen auf den vorderen Plätzen. Überhaupt schneidet der Norden im Ranking tendenziell besser ab als der Süden. In Bayern etwa wird mit Landshut nur eine einzige Stadt mit gut bewertet, in Niedersachsen dagegen sind es sieben.

    Derzeit werden laut der Umwelthilfe deutschlandweit pro Tag mehr als 50 Hektar Fläche für Siedlungen und Verkehr versiegelt, was pro Jahr der Fläche der Stadt Hannover entspreche. „Das stellt in Zeiten der Klimakrise ein enormes Gesundheitsrisiko dar“, heißt es im Hitze-Check. „Besonders folgenreich ist der Verlust großer Bäume. Gerade sie sorgen in der Stadt für einen hohen Kühleffekt.“ Der Effekt von Grünflächen ohne Bäume sei zwei- bis viermal geringer.

    Immerhin: Die Bundesregierung hat jüngst eine Hitzeschutzstrategie präsentiert, die erklärt, wie das Entstehen von Hitzeinseln durch städtebauliche Schritte vermieden werden kann. Zudem fördert das Bundesumweltministerium die naturnahe Gestaltung von Grünflächen in Stadtquartieren.

    Go Top