Anpassung an Erderwärmung

  • Search28.11.2025

Die Seine als Klima-Champion

Klimaanlagen raus, Flusswasser rein: Paris setzt auf ein unterirdisches Kühlsystem, das die Stadt auf die Extremtemperaturen vorbereiten soll. EnergieWinde ist hinabgestiegen.

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    Der Klimawandel heizt die französische Hauptstadt im Sommer bedrohlich auf. Mit gezielten Maßnahmen versucht die Stadtregierung ihre Bürger zu schützen

    Eiffelturm und Seine bei Nacht: Paris wappnet sich mit einem ehrgeizigen Plan gegen die Klimakrise.

     

    Von Kathinka Burkhardt

    Raphaëlle Nayral blickt ihrem Kollegen hinterher, der im Schutzanzug einen 20 Meter tiefen Schacht hinabsteigt. Unten reinigt er inmitten einer braunen Suppe eine riesige Schraube. „Das ist die Pumpe, mit der wir die Seine befördern, um die Maschinen zu kühlen, die die Gebäude der Stadt mit gekühltem Wasser versorgen“, sagt sie. Nayral ist Generalsekretärin von Fraîcheur de Paris. Das Unternehmen betreibt das unterirdische Pariser Kühlsystem. Es soll dabei helfen, die schon heute oft hitzegeplagte Stadt auf künftige Klimaextreme vorzubereiten. „Es ist faszinierend zu sehen, mit welcher Kraft der Fluss diese Metropole kühlen kann“, sagt Nayral.

    Denn genau das tut die Seine: Über ein mittlerweile 110 Kilometer langes unterirdisches Leitungssystem leitet Fraîcheur de Paris kühles Wasser in Gebäude wie den Louvre, die Oper, die Nationalbibliothek oder das berühmte Kaufhaus Lafayette. Dazu unterhält das Unternehmen über die Stadt verteilt 15 Stationen wie die im Quartier Bercy, die Nayral beim Besuch von EnergieWinde präsentiert.

    Das System lindert die Sommerhitze. Doch auch im Winter wird es gebraucht

    Die Wechselstationen erzeugen mithilfe von Grünstrom Kälteenergie und leiten sie in Form von zwei bis vier Grad kaltem Wasser über ein Rohr in die angeschlossenen Gebäude. Über ein zweites kehrt das Wasser aufgeheizt zurück und der Kreislauf beginnt von Neuem. Das ist im Sommer lebenswichtig. Doch auch im Winter erwärmen sich viel besuchte Gebäude wie der Louvre stark und müssen gekühlt werden. Dann reicht es aus, das erwärmte Wasser gegen kaltes Seine-Wasser auszutauschen – zusätzliche Energie ist in der Regel nicht nötig.

    „Es ist faszinierend zu sehen, mit welcher Kraft der Fluss diese Metropole kühlen kann“, sagt Raphaëlle Nayral, Generalsekretärin von Fraîcheur de Paris.

    „Es ist faszinierend zu sehen, mit welcher Kraft der Fluss diese Metropole kühlen kann“, sagt Raphaëlle Nayral, Generalsekretärin von Fraîcheur de Paris.

    Das Pariser Kältesystem gewinnt angesichts der Klimakrise an Bedeutung. Denn schon heute heizen sich die Sommer an der Seine auf bis zu 40 Grad auf. Die hohen Temperaturen kosten immer wieder viele Pariser das Leben. Allein während drei Hitze­wochen 2023 starben landesweit rund 15.000 Menschen; in Paris waren die Leichenhäuser zeitweise überlastet. Und bis zur Jahrhundertmitte erwarten Experten Höchsttemperaturen von 50 Grad.

    Zudem heizen sich die typischen Pariser Zinkdächer besonders stark auf. Klimaanlagen würden helfen, doch würden sämtliche Gebäude damit ausgestattet, könnte die Abwärme die Stadt Nayral zufolge um zusätzliche zwei Grad erwärmen – ein Problem, das sich mit dem zentralen Kühlsystem vermeiden löst.

    Paris reagiert auf die Klimakrise –  mit Technik, aber auch mit Grünflächen

    Ein Kühlungssystem mit erneuerbarer Energie, schattige Oasen und grüne Gartenstraßen: Paris hat begonnen, sich an den Klimawandel anzupassen. Im neuen Entwicklungsplan PLU ist vorgesehen, bis zu 40 Prozent der Stadtflächen zu entsiegeln und die Fläche der Baumkronen deutlich auszudehnen. Gebäude wie der neue Justizpalast werden vertikal begrünt. Auch Eigentümer sollen Flächen um ihre Häuser entsiegeln und begrünen.

    Karte des Leistungssystems von Fraîcheur de Paris: Viele Unternehmen wollen ihre Bürogebäude anschließen lassen.

    Leitungssystem von Fraîcheur de Paris: Viele Unternehmen wollen ihre Bürogebäude anschließen lassen.

    Was sich Paris vorgenommen hat, ist in einer der am dichtesten besiedelten Städte Europas eine Herausforderung. Auch für Nayral und ihre Kollegen von Fraîcheur de Paris. In den nächsten Jahren soll das Netz von derzeit 100 auf 255 Kilometer erweitert werden, um deutlich mehr Gebäude anzuschließen. „Aufgrund der historischen Struktur und Entwicklung von Paris ist es schwierig, Platz für unsere Rohrsysteme zu finden und neue Produktionsanlagen zu bauen“, sagt Nayral. „Doch dank vieler Akteure in der Stadt finden wir Wege und machen stetige Fortschritte.“

    Gleichzeitig ist die grüne Metamorphose, die Paris in den vergangenen Jahren durchlebt hat, ein wichtiger Schutz für Bürger. Das Thema Entsiegelung steht ganz oben auf der Agenda. Denn während Asphalt, Beton und Häuserschluchten die Hitze speichern und erhöhen, können Bäume und Pflanzen am Boden, auf Dächern und an Gebäuden wissenschaftlich belegt Temperaturen um bis zu zehn Grad senken.

    Paris ist berühmt für seine Zinkdächer. Doch im Sommer verwandeln sie Dachgeschosse in Glutöfen.

    Paris ist berühmt für seine Zinkdächer. Doch im Sommer verwandeln sie Dachgeschosse in Glutöfen.

    Und so finden sich mittlerweile viele Beispiele in Paris, die Städte in Deutschland inspirieren könnten. Wie der kleine Stadtwald auf dem Platz vor dem Hôtel de Ville, dem Rathaus der Stadt. 50 Bäume und 20.000 Pflanzen bieten Besuchern künftig an heißen Tagen Schatten und Frische. Solche Flächen gibt es mittlerweile oft in Paris, teilweise an prominenten Plätzen wie dem Place de Catalogne. Weitere 300 Hektar Fläche sollen über die nächsten Jahre begrünt werden, weitere 1500 Parkplätze dafür weichen.

    So weit wie Paris ist man in Deutschland vielerorts noch nicht. Immerhin ist 2024 das erste bundesweite Klimaanpassungsgesetz in Kraft getreten. Es hält Bund, Länder und Kommunen dazu an, Strategien zu entwickeln und mit messbaren Zielen zu unterfüttern. Zudem hat sich die Bundesregierung verpflichtet, regelmäßig Daten zu Schadenssummen durch Extremwetter zu erheben.

    Anführungszeichen

    Steigende Temperaturen, Starkregenereignisse und Trockenperioden bedrohen auch hierzulande immer öfter unsere ökologischen Systeme, die Infrastruktur und nicht zuletzt die Gesundheit der Bevölkerung

    Thomas Friedrich, Institut für sozial-ökologische Forschung

    „Man hat durch den Klimawandel bedingte Extreme lange nur als Problem von Ländern der südlichen Erdhalbkugel gesehen. Aber steigende Temperaturen, Starkregenereignisse und Trockenperioden bedrohen auch hierzulande immer öfter unsere ökologischen Systeme, die Infrastruktur und nicht zuletzt die Gesundheit der Bevölkerung“, sagt Thomas Friedrich vom Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt am Main (ISOE). „Deshalb hat das Thema auf politischer Ebene an Bedeutung gewonnen.“

    Im Forschungsprojekt KomKlAn hat Friedrich für das Umweltbundesamt Kommunen nach ihren Anpassungsmaßnahmen befragt, nach Fortschritten und vorhandenen Hürden. In Großstädten wie Hamburg, Berlin oder München war das Ergebnis teils durchaus ermutigend. Die Städte haben Know-how aufgebaut und Strategien entwickelt – auch unter dem Druck steigender Temperaturen. In kleinen Kommunen sieht es anders aus. „Eine Herausforderung besteht darin, dass die Planung und Umsetzung von vielen Klimaanpassungsmaßnahmen voraussetzt, dass die gesamte Verwaltung bereichsübergreifend arbeiten muss. Das geschieht oft nicht“, sagt Friedrich.

    Stadtwald vor dem Hôtel de Ville: Eine Vielzahl neuer Grünoasen kühlt im Sommer die Temperaturen in Paris herunter.

    Stadtwald vor dem Hôtel de Ville: Eine Vielzahl neuer Grünoasen kühlt im Sommer die Temperaturen in Paris herunter.

    In Paris erhalten Stadtregierung und Administration viel Zuspruch für ihre Klimaanpassung. Das spürt auch Nayral. Fraîcheur de Paris führt eine lange Liste von privaten Bürogebäuden, die angeschlossen werden sollen. Die Unternehmen verbessern damit auch ihre CO2-Bilanz, was den Anreiz für die Immobilienbesitzer erhöht. Teure eigene Klimaanlagen-Konstruktionen in teilweise historischen Komplexen können die Kunden an Fraîcheur de Paris abgeben. Oft lässt sich das System an bestehende Lüftungsrohre anschließen.

    Und so ist Nayral optimistisch, dass bald noch mehr Menschen von der kühlenden Kraft der Seine profitieren. „Alle Kunden, die sich einmal dafür entschieden haben, bleiben bei diesem System“, sagt die Projektleiterin.

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